Heizungspläne der Grünen - Lindners Zustimmung wider Willen

Bundesfinanzminister Christian Lindner stimmt dem Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) zu, obwohl er mit der Vorlage unzufrieden ist. Er hofft nun auf eine Entschärfung der grünen Heizungspläne. Denn Lindner weiß: Die Geduld der liberalen Basis darf nicht überstrapaziert werden.

Christian Lindner und Robert Habeck gemeinsam auf der Regierungsbank / picture alliance
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Dr. Hugo Müller-Vogg arbeitet als Publizist in Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu politischen und wirtschaftlichen Fragen, darunter einen Interviewband mit Angela Merkel. Der gebürtige Mannheimer war von 1988 bis 2001 Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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Das hat es in der Bundesregierung noch nie gegeben: Ein Bundesminister stimmt im Kabinett einem Gesetzesentwurf zu und gibt gleichzeitig zu Protokoll, dass er mit der Vorlage überhaupt nicht einverstanden ist. Genau das hat der FDP-Vorsitzende und Bundesfinanzminister Christian Lindner gestern beim Beschluss über die Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) getan.

Nun hat es in der Geschichte der Bundesrepublik schon zahlreiche Minister, ja sogar Bundeskanzler gegeben, die aus Koalitionsräson Ja gesagt haben, obwohl sie mit einem Gesetz überhaupt nicht einverstanden waren. Aber nicht jede Streitfrage ist es wert, eine Koalition aufs Spiel zu setzen. Verhielten sich die Beteiligten nicht so oft pragmatisch, würde kaum eine Koalition das Ende der Legislaturperiode erreichen.  

Obendrein gilt bei jeder Gesetzgebung das berühmte Strucksche Gesetz: „Kein Gesetz kommt aus dem Parlament so heraus, wie es eingebracht worden ist“, hatte der 2012 verstorbene SPD-Fraktionsvorsitzende postuliert. In der Tat ist es nichts Ungewöhnliches, dass Regierungsfraktionen einen Gesetzesentwurf nicht einfach abnicken. Da wird in den Ausschüssen noch herumgefeilt und nachgebessert, verschärft wie entschärft. Wäre es anders, könnten Kabinettsbeschlüsse gleich im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden, und man könnte sich die drei Lesungen im Parlament sparen.

Lindners Ärger ist nachvollziehbar

Linderns berechtigte Skepsis gegenüber dem „Heizungs-Hammer“ seines Kabinettskollegen und Lieblingsgegners Robert Habeck (Grüne) löste bei dem FDP-Chef aber nicht nur ein innerliches Grollen aus. Der Oberliberale gab vor der Abstimmung vielmehr zu Protokoll, er stimme nur zu „in dem Bewusstsein, dass die Fraktionen des Deutschen Bundestags im parlamentarischen Verfahren diesen Gesetzentwurf intensiv beraten und auch weitere notwendige Änderungen vornehmen werden“. Mit anderen Worten: Lindern baut auf die Gültigkeit des Struckschen Gesetzes, und zwar in besonders großem Umfang.

Lindners Ärger ist nachvollziehbar. Nach dem Koalitionsmarathon Ende März hatte die FDP geglaubt, sie hätte sich weitgehend mit ihren Forderungen zur Technologieoffenheit durchgesetzt und Habecks Heizungspolitik wenigstens halbwegs entschärft. Doch in dem beschlossenen Gesetzesentwurf dominiert der grüne Dirigismus. Das will Lindner so nicht stehen lassen. Auf Twitter legte er nach der Kabinettssitzung entsprechend nach: „Ich erwarte, dass nun im parlamentarischen Verfahren notwendige Änderungen vorgenommen werden, um Bedenken im Hinblick auf Finanzierbarkeit und Umsetzbarkeit auszuräumen und die Menschen möglichst wenig zu belasten.“

 

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Das ist ebenfalls sehr ungewöhnlich. Regierungsmitglieder versuchen normalerweise dem Bundestag nicht zu sagen, wie er – bitte sehr – eine vom Kabinett beschlossene Vorlage zu verändern, also zu verbessern habe. Lindner baut hier offensichtlich auf die SPD-Bundestagsfraktion, der Habecks Pläne sozial nicht ausgewogen genug sind. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Katja Mast, betonte gestern gleich mehrfach, ihre Partei unterstütze die Umstellung von fossilen auf erneuerbare Brennstoffen beim Heizen, lehne aber eine Politik „mit der Brechstange“ entschieden ab. Vor allem müsse das Ganze sozial ausgewogen sein. Mit der „Brechstange“ war eindeutig die Politik der Grünen gemeint, was auch sonst?

Nach Habecks Plänen sollen vom 1. Januar 2024 an neu eingebaute Heizungen zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden, beispielsweise mit Wärmepumpen. Der Einbau von wasserstofftauglichen Gasheizungen soll nur dann erlaubt sein, wenn der Energieversorger die Umstellung verbindlich zusagt. Der Staat wird das alles finanziell unterstützen. Aber für viele Besitzer älterer Häuser nutzt auch ein Zuschuss von bis zu 50 Prozent nichts, wenn die Restsumme immer noch zu hoch ist. Schließlich kann der Einbau von Wärmepumpen samt der notwendigen Isolierung des Gebäudes schnell sechsstellige Summen verschlingen.

Grüner Dirigismus kommt nicht an

Habeck und die Grünen sind stolz darauf, dass sie das endgültige Aus der Kernkraft durchgesetzt haben, auch um den Preis eines deutlich steigenden Co2-Ausstoßes durch das Verfeuern von Kohle. Das novellierte Gebäudeenergiegesetzes soll vergessen machen, dass die Grünen – notgedrungen – beim Wiederanfahren von Kohlekraftwerken wie beim Import von Fracking-Gas gegen ihre eigenen geheiligten Grundsätze verstoßen haben.

Die Freien Demokraten wiederum wissen, dass sie ihren eigenen Wählern den grünen Dirigismus nicht als „Fortschrittspolitik“ verkaufen können. Auch mit Blick auf die Landtagswahlen in Bayern und Hessen, wo die FDP an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern könnte, kann Lindern keine grünen Experimente mittragen. Die Chancen, dass der Bundestag mit Hilfe der SPD Habecks Gesetz entschärft, stehen folglich nicht schlecht. Doch zeigt das Lindners Manöver, wie schlecht es um Rot-Grün-Gelb steht und wie wenig von der grün-gelben Nachwahlseligkeit von 2021 geblieben ist. Lindners Protokollnotiz bezieht sich auf ein einzelnes Gesetz. Sie macht aber etwas anderes, viel Wichtigeres deutlich: Es regiert zusammen, was nicht zusammen passt. So einfach – und so gefährlich.

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