Urteil des Bundesverfassungsgerichts - AfD-Stiftung muss staatliche Förderung erhalten

Parteistiftungen bekommen Millionen an Steuergeld, nur die AfD ging bislang leer aus. Das hat das Bundesverfassungsgericht nun als Verstoß gegen das Grundgesetz gewertet und fordert eine Neuregelung. Höchste Zeit. Denn die staatliche Stiftungsfinanzierung ist intransparent und unfair.

Recht auf Chancengleichheit: AfD-Chefin Alice Weidel und Erika Steinbach, Vorsitzende der Desiderius-Erasmus-Stiftung, freuen sich über das Urteil aus Karlsruhe / dpa
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Daniel Gräber leitet das Ressort Kapital bei Cicero.

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Die „parteinahen“ Stiftungen in Deutschland sind eine merkwürdige Konstruktion. Aus dem Bundeshalt bekommen sie jährlich dreistellige Millionenbeträge, versorgen mehr oder weniger verdiente Ex-Politiker mit gut bezahlten Posten und den Politiker-Nachwuchs mit großzügigen Stipendien.

Doch anders als die direkte staatliche Parteienfinanzierung ist die Finanzierung der Stiftungen in keinem Gesetz geregelt. Man einigt sich im Bundestag von Haushaltsjahr zu Haushaltsjahr, wer wie viel Steuergeld bekommt. Ein über Jahrzehnte gewachsenes, undurchsichtiges System des Gebens und Nehmens, das schon lange in der Kritik steht, aber erst jetzt ins Wanken gerät. Grund dafür ist ein juristischer Erfolg der AfD.

Mutiges Urteil

Das Bundesverfassungsgericht hat in einem mutigen Urteil das „Recht auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb“ gestärkt. Dass die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung, angeführt von der früheren CDU-Bundestagsabgeordneten Erika Steinbach, bisher kein Geld aus dem Bundeshaushalt erhalten hat, ist demnach ein Verstoß gegen das Grundgesetz.

Zudem mahnten die Karlsruher Richter des Zweiten Senats das Parlament an, die undurchsichtige Stiftungsfinanzierung gesetzlich zu regeln und dadurch transparenter und nachvollziehbarer zu machen. Und das ist dringend notwendig.

660 Millionen Euro

Allein im Haushaltsjahr 2019, auf das die Verfassungsrichter abzielten, bekamen die Stiftungen von CDU, CSU, SPD, Grünen, FDP und Linken rund 660 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt. Etwa 130 Millionen Euro davon wurden als sogenannte Globalzuschüsse verteilt, für die das Innenministerium zuständig ist. Andere Mittel kommen von den Ministerien für Entwicklung und Bildung und vom Auswärtigen Amt. Die AfD ging dabei stets leer aus.

 

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Ob Konrad-Adenauer- (CDU), Friedrich-Ebert- (SPD) oder Heinrich-Böll-Stiftung (Grüne): Diese angeblich nur „parteinahen“ Organisationen, die politische Bildungsarbeit leisten sollen, sind in Wirklichkeit so eng mit der ihr jeweils nahestehenden Partei verflochten, dass jeder Euro an Steuergeld, den sie erhalten, eine staatliche Unterstützung der jeweiligen Partei ist. So sieht es auch das Bundesverfassungsgericht. Wenn dabei eine Partei systematisch ausgegrenzt wird, ist das eine politische Wettbewerbsverzerrung. Das kann nicht im Sinne des Grundgesetzes sein.

Schlupfloch für Anti-AfD-Regelung

Eine kleines Schlupfloch lässt das Karlsruher Urteil aber noch offen. Bei einem künftigen Gesetz zur Stiftungsfinanzierung können Regelungen zum „Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ getroffen werden.

Gemeint ist, dass verfassungsfeindliche Stiftungen von der staatlichen Finanzierung ausgeschlossen werden könnten. Aber dafür bräuchte es eben klare Kriterien. Und das Problem wird sein, dass man kaum die in Teilen rechtsextreme AfD von der Millionenförderung ausschließen kann, wenn man weiterhin die in Teilen linksextreme Partei „Die Linke“ üppig daran teilhaben lässt.

Staatliche Stiftungsfinanzierung beenden

Es gibt daher nur zwei vernünftige Alternativen, wie der Bundestag nun auf das Urteil reagieren sollte: Entweder regelt man die Stiftungsfinanzierung anständig und transparent und lässt dann auch die Desiderius-Erasmus-Stiftung davon profitieren. Selbstverständlich nur, solange Erika Steinbach und ihre Leute keine antidemokratischen Aktivitäten entfalten. Dieselben Maßstäbe müssen dann allerdings auch für die Rosa-Luxemburg-Stiftung gelten.

Oder, das ist die unrealistischere aber sinnvollere Alternative: Man beendet die staatliche Parteistiftungsfinanzierung komplett. Denn warum soll der Steuerzahler „parteinahe“ Stiftungen finanzieren, wenn er doch schon für die Parteien selbst aufkommen muss (wie es im Parteiengesetz geregelt ist).

Grüne waren dagegen

Eine Forderung, die übrigens einmal von den Grünen vertreten wurde. Die in den 1980er-Jahren gegründete „Anti-Parteien-Partei“ zog damals vor das Bundesverfassungsgericht, um das aus ihrer Sicht grundgesetzwidrige System der Stiftungsfinanzierung zu kippen. Mit ganz ähnlichen Argumenten, wie sie jetzt die AfD und deren Stiftung vorgebracht haben.

Erfolg hatten die Grünen damals allerdings nicht. Und nachdem sie ihre eigenen Stiftungen gegründet hatten, die später zur Heinrich-Böll-Stiftung fusionierten, bedienten sie sich bald ebenfalls an den Fleischtöpfen der „Altparteien“.

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