Neue Schulsenatorin Katharina Günther-Wünsch - Befreiungsschlag für Berlins Schulen

Der Regierungswechsel in Berlin und eine neue Schulsenatorin bieten die Gelegenheit, ideologisch bedingte Blockaden in der Schulpolitik endlich aufzulösen und Berlins Schüler im bundesdeutschen Leistungsvergleich ins Mittelfeld zu führen.

Mit Katharina Günther-Wünsch (CDU) kann es an Berlins Schulen nur besser werden / picture alliance
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Autoreninfo

Rainer Werner unterrichtete an einem Berliner Gymnasium Deutsch und Geschichte. Er verfasste das Buch „Fluch des Erfolgs. Wie das Gymnasium zur ,Gesamtschule light‘ mutiert“.

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Seit mehr als zehn Jahren landet Berlin im bundesweiten Qualitätsvergleich der Schulen zusammen mit Bremen auf den beiden letzten Plätzen. Von den beiden Siegerländern Sachsen und Bayern sind sie weit entfernt. Die letzte Hiobsbotschaft förderte der IQB-Bildungstrend 2021 zutage. Ihm zufolge verfehlten bei Berlins Viertklässlern im Lesen 27,2 Prozent und in Mathematik 34,5 Prozent den Mindeststandard. Dem Bildungsmonitor 2023 der Initiative Soziale Markwirtschaft (INSM) zufolge belegt Berlin in der Schulqualität im Ranking der Bundesländer mit 39,2 Punkten den vorletzten Platz. Schlusslicht ist Bremen mit 36,4 Punkten. Sieger ist Sachsen mit 63,4 Punkten.  

Berlin und Sachsen trennen Welten. Hinter den nüchternen Zahlen verbergen sich menschliche Schicksale. So erreichten im Jahr 2021 6,7 Prozent aller Schüler in der Hauptstadt keinen Schulabschluss. In objektiven Zahlen sind das 3000 Schüler. In den letzten zehn Jahren verließen demnach 30.000 junge Menschen in Berlin die Schule ohne Abschluss. Das entspricht der Einwohnerzahl einer Stadt wie Bad Hersfeld.

Schulabbrecher können in der Regel keine Berufsausbildung beginnen. Entweder landen sie als Paket- oder Pizzaboten im Niedriglohnsektor der Logistikbranche oder beziehen Bürgergeld. Sie werden ein Leben am Rande der Armut führen müssen.  

Zehn Jahre Stagnation in der Schulqualität 

Der Berliner Schulverwaltung fehlte es nicht an qualifizierter Expertise. Im Oktober 2020 hatte eine Expertenkommission zur Schulqualität in Berlin unter Leitung des renommierten Bildungsforschers Olaf Köller ihren Abschlussbericht vorgestellt. Er bescheinigte der Berliner Schule, dass die angewandten Lernmethoden keine hinreichende Wirksamkeit entfaltet hätten. Vernichtender kann man über ein Schulsystem nicht urteilen.

Dabei gibt das Land Berlin, wie der Bericht anmerkt, mit 10.400 Euro pro Schüler deutlich mehr Geld aus als fast alle anderen Bundesländer. Auch bei der Schüler-Lehrer-Relation stehe Berlin besser da als der bundesdeutsche Durchschnitt. Das beliebte Berliner Reformprinzip, Probleme mit mehr Geld lösen zu wollen, kann in der Schule als gescheitert gelten.  

Der neue Berliner Senat, der von CDU und SPD gebildet wird, ist seit April 2023 im Amt. Neue Bildungssenatorin ist die CDU-Politikerin Katharina Günther-Wünsch. Die SPD hatte nach jahrlanger erfolgloser Arbeit entnervt das Handtuch geworfen und das ungeliebte Senatsamt an die CDU übergeben.

Die neue Senatorin muss alles auf den Prüfstand stellen, was sich in den letzten zehn Jahren als dysfunktional erwiesen hat. Im Zentrum der Bemühungen muss die Verbesserung der Unterrichtsqualität aller Berliner Schulformen stehen. Der Bericht der Expertenkommission gibt dafür die Richtung vor: „Viele Maßnahmen und Entwicklungsvorhaben sind (…) zu wenig auf den Unterricht, insbesondere auf die fachdidaktische Qualität des Unterrichtsangebots ausgerichtet.“ Es geht um nichts anderes als um eine Qualitätsoffensive. 

Schulreform mit Risiken und Nebenwirkungen 

Die Verschlechterung der Schülerleistungen begann in Berlin im Schuljahr 2010/11, dem Jahr der großen organisatorischen Schulreform. Haupt- und Realschulen wurden zur Integrierten Sekundarschule (ISS) zusammengelegt, die bestehenden Gesamtschulen in Sekundarschulen umgewandelt. Dabei gaben sie das bewährte Prinzip der äußeren Fachleistungsdifferenzierung in den drei Hauptfächern Deutsch, Mathematik und Englisch auf und übernahmen die in der ISS übliche Binnendifferenzierung.  

An den neuen Sekundarschulen hat sich die Hoffnung der Pädagogen, die Hauptschüler würden sich am Lerneifer und am zivilisierten Verhalten der Realschüler orientieren, nicht erfüllt. Eher war es umgekehrt. Lehrer berichteten von einer großen Unruhe in den Klassen, von Disziplinverstößen und zunehmender Lernunlust. Offensichtlich fühlten sich die Hauptschüler in der neuen Schulform benachteiligt. Sie vermissten die anheimelnde Atmosphäre, die sie an der Hauptschule hatten.

Dort konnten sie in leistungshomogenen Gruppen mit maximal 15 Schülern lernen. In den großen Klassen der Sekundarschule mit 25 Schülern gingen sie unter. Ihre Lernunlust hatte Gründe: Mit den klugen Schülern, die das Abitur anstrebten, konnten sie nicht mithalten. Die optimistische Verheißung vom „längeren gemeinsamen Lernen“ hatte ihre Schattenseiten offenbart.   

Erfolgreiche Schulform ausgemustert 

2012/13, zwei Schuljahre nach Beginn der großen Schulreform, kam der Lackmustest für die Leistungsfähigkeit der neu gegründeten Schulformen. Die damalige Schulsenatorin Sandra Scheeres (SPD) stellte die Ergebnisse des Mittleren Schulabschlusses (MSA) der Öffentlichkeit vor. Demnach schafften am Gymnasium 97 Prozent der Schüler diesen Abschluss, an den Gesamtschulen waren es 88 Prozent, an den Integrierten Sekundarschulen 81 Prozent und an den Gemeinschaftsschulen 78 Prozent. Die Gesamtschule zeigte sich also den neu gegründeten Schulformen deutlich überlegen.  

Im darauffolgenden Schuljahr verzichtete die Senatorin darauf, die MSA-Ergebnisse nach Schulformen getrennt auszuweisen. Der Berliner SPD war es peinlich, dass die Schulform, die sie ausmustern wollte – die Gesamtschule –, besser abgeschnitten hatte als die beiden neuen Schulformen, in denen sie das pädagogische Heil sah. Dass die Gesamtschule „abgewickelt“ wurde, war eine rein ideologisch motivierte Entscheidung. Diese Schulform war bei linken Bildungspolitikern unter Selektionsverdacht geraten, weil sie die Schüler in den drei Hauptfächern nach ihrem Leistungsvermögen unterrichtete.

 

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Dass dieses Konzept äußerst erfolgreich war, spielte keine Rolle. Lehrkräfte wissen aus eigener Erfahrung, dass das Lernen in stark heterogenen Lerngruppen mit einer großen Spreizung an Begabungen dem Unterricht in begabungsgerecht zusammengesetzten Lerngruppen unterlegen ist. Viele Berliner Lehrkräfte hadern deshalb damit, dass sie die Schulpolitik dazu zwingt, Differenzierungskonzepte wie die Binnendifferenzierung oder das individualisierte Lernen anzuwenden, obwohl deren Ertrag nicht optimal ausfällt.

Die Ablehnung der äußeren Fachleistungsdifferenzierung widerspricht dem Postulat der pädagogischen Evidenz, dem sich eine seriöse Schulpolitik verpflichtet fühlen müsste. Der Lernerfolg unserer Kinder muss allemal wichtiger sein als liebgewonnene utopische Visionen von Politikern.  

Schulversuch könnte Klarheit bringen 

Um der pädagogischen Evidenz zum Durchbruch zu verhelfen, sollte die Schulsenatorin einen wissenschaftlichen Schulversuch in die Wege leiten, der vom Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) der Humboldt-Universität zu Berlin durchgeführt wird.

Drei Integrierte Sekundarschulen müssten sich bereiterklären, zum Differenzierungsprinzip der Gesamtschule zurückzukehren und die drei Hauptfächer Deutsch, Mathematik und Englisch in äußeren Fachleistungskursen anzubieten. Sie treten gegen drei normale Sekundarschulen an, die mit der Methode der Binnendifferenzierung unterrichten, und gegen drei Gemeinschaftsschulen, die die Methode des individualisierten Lernens bevorzugen.

Damit die Ergebnisse nicht verfälscht werden, sollten die neun Schulen in vergleichbaren sozialen Einzugsgebieten liegen. Die Lernergebnisse der Klassen 7 bis 10 werden miteinander verglichen und die Resultate des bundesweiten Leistungstests VERA 8 schulspezifisch ausgewertet. Es ist abzusehen, dass die Gesamtschulen genauso gut abschneiden werden, wie sie es schon im Schuljahr 2012/13 getan haben. Kein Bildungspolitiker könnte dieses Ergebnis dann noch ignorieren und an Lernmethoden festhalten, die sich als unzureichend erwiesen haben. 

Von Sachsen und Bayern lernen 

Die beiden Siegerländer Sachsen und Bayern verdanken ihren Erfolg speziellen Schulformen in der Sekundarstufe I. Die bayerische Mittelschule und die sächsische Oberschule verzichten bewusst darauf, das Abitur anzustreben. Das reduzierte Bildungsziel ermöglicht es ihnen, das Curriculum passgenau auf die Schülerschaft zuzuschneiden, die in ihrer übergroßen Mehrheit eine Berufsausbildung anstrebt.  

Stundentafel und Curricula haben deshalb einen hohen Anteil an berufsvorbereitenden Inhalten. Der Erwerb grundlegender Kulturtechniken steht im Mittelpunkt. In diesen beiden Schultypen sind die Schüler nicht ständig mit den intellektuellen Überfliegern konfrontiert, deren fixe Auffassungsgabe und Eloquenz sie als demütigend empfinden müssen. Das harmonische Lernen unter ihresgleichen verbürgt eine große mentale Zufriedenheit, was eine wichtige Voraussetzung für den Lernerfolg darstellt.  

Es erstaunt immer wieder aufs Neue, dass „fortschrittliche“ Schulreformer die Erkenntnisse der Jugendpsychologie so beharrlich ignorieren. Auch in Hinblick auf die Verwirklichung von Bildungsgerechtigkeit kann man den beiden Schulformen keinen Vorwurf machen. Die eingebaute Durchlässigkeit ermöglicht es Schülern mit guten Leistungen, nach dem MSA auf eine Fachoberschule zu wechseln und dort das Abitur abzulegen. Von einer Einbahnstraße in die Berufsausbildung, wie der Vorwurf bei Einführung dieser Schulen lautete, kann also keine Rede sein.  

In Berlin gibt es keine Schulform, die sich nur um die Schüler kümmern würde, die eine Berufsausbildung anstreben. Das ist immerhin die Hälfte aller Schüler. Da Sekundar- und Gemeinschaftsschulen auch das Abitur anbieten, finden leistungsschwache Schüler in den dortigen diversen Klassen keine optimalen Lernvoraussetzungen. Wenn Berlin endlich von den beiden Siegerländern Sachsen und Bayern lernen würde, müsste es eine der beiden integrativen Schulformen so umgestalten, dass sie sich nur noch der Vorbereitung der Schüler auf eine Berufsausbildung verschreibt. Die Zahl der Schullabbrecher ließe sich so signifikant senken. 

An der Sprache entscheidet sich alles 

Die Schulleiter weiterführender Schulen beklagen immer wieder, dass Grundschüler zu ihnen kommen, die in den elementaren Kulturtechniken Lesen, Schreiben, Rechnen versagen. Das ist umso erstaunlicher, als die Berliner Grundschule anders als die Grundschulen in den meisten anderen Bundesländern zwei Schuljahre mehr zur Verfügung hat. Grundschulpädagogen kennen die Ursachen für das Versagen vieler Kinder. Es handelt sich um diejenigen, die eingeschult wurden, obwohl sie des Deutschen nicht mächtig waren. Es übersteigt die Fähigkeiten der besten Lehrkraft, wenn sie 20 Schüler pro Klasse unterrichten muss, in der aber fünf Schüler sitzen, die kein Wort verstehen.  

Lernforscher jeglicher Couleur sind sich darin einig, dass die Beherrschung der deutschen Sprache die wichtigste Voraussetzung ist, um vom ersten Schuljahr an erfolgreich lernen zu können. Deshalb ist es nicht hinzunehmen, dass jedes Jahr in den Berliner Grundschulen Schüler eingeschult werden, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind. Da es immer wieder Eltern aus dem Migrantenmilieu gibt, die der schriftlichen Aufforderung nicht nachkommen, ihr Kind zur Sprachstandfeststellung in der Kita vorzustellen, muss die Politik entschiedener als bisher gegensteuern.

Es darf nicht länger ins Belieben der Eltern gestellt sein, ob ihre Kinder mit ausreichenden Deutschkenntnissen eingeschult werden oder nicht. Vorbild könnte die Politik der dänischen Sozialdemokratie sein, die säumige Eltern mit einer Minderung der Sozialtransfers bestraft. Diese Sanktion hat dazu geführt, dass alle dänischen Kinder bei der Einschulung die dänische Sprache beherrschen.  

Mehr Verbindlichkeit bei den Kulturtechniken 

Die Grundschule muss sich noch intensiver als bisher darum bemühen, die elementaren Fertigkeiten, auf denen das weiterführende Lernen aufbaut, systematisch und nachhaltig zu vermitteln. Dazu gehören vor allem die Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen. Überlegenswert wäre die Streichung des Fremdsprachenunterrichts in den Jahrgangsstufen drei und vier. Die damit freiwerdenden zwei bzw. drei Wochenstunden könnten den Fächern Deutsch und Mathematik zugeschlagen werden. Die Ergebnisse der Vergleichsstudie VERA 3 sind in diesen beiden Fächern so schlecht, dass der Wegfall der Fremdsprache das kleinere Übel darstellt.  

Erfahrungsberichte von Grundschullehrerinnen zeigen ein erschütterndes Bild von den chaotischen Verhältnissen in manchen Klassen. Es muss unbedingt sichergestellt werden, dass die Lehrkräfte in einer ruhigen Lernatmosphäre unterrichten können. Schulen in sozialen Brennpunkten haben gute Erfahrungen mit Trainingsräumen gemacht, in denen störungsanfällige Schüler bei Sozialpädagogen adäquates Verhalten lernen. In den regulären Unterricht dürfen sie erst dann zurückkehren, wenn sich ihr Verhalten erkennbar gebessert hat.  

Die gymnasiale Lernkultur stärken 

Nicht nur in Berlin, aber hier ganz besonders, leidet das Gymnasium unter der Vorstellung „fortschrittlicher“ Bildungsexperten, letztlich seien alle Kinder gleich begabt, weshalb sich auch das Gymnasium, die letzte Bastion bildungsbürgerlicher Ambitionen, für alle Schüler öffnen müsse. Der Mechanismus, mit dessen Hilfe die Öffnung für alle Schüler leicht zu bewerkstelligen ist, ist der Elternwille, der auch in Berlin uneingeschränkt gilt.

Weil Eltern das intellektuelle Leistungsvermögen ihrer Kinder gerne überschätzen, landen viele Kinder auf dem Gymnasium, die durch die gymnasiale Lernkultur überfordert sind. Die hohe Zahl von Schülern, die das Gymnasium nach dem Probejahr wieder verlassen mussten (in manchen Schuljahren waren es bis zu 800 Schüler), belegt die Selbstüberschätzung, die aus dem Elternwillen resultiert. Diese Schüler saßen ein ganzes Schuljahr in einem Unterricht, von dem sie nur Bruchstücke verstanden. Fürsorglich kann man eine solche Schulpolitik wahrlich nicht nennen.  

Dass der schwarz-rote Senat das Probejahr abgeschafft hat, kann man nur dann begrüßen, wenn gleichzeitig ein Schuleingangstest eingeführt wird, der eine wirkliche Hürde für die Aufnahme in die anspruchsvollste Berliner Schulform darstellt. Das bisher geltende Losverfahren sollte abgeschafft werden, weil es einen Verstoß gegen das Eignungsprinzip darstellt. Am Gymnasium muss das wissenschaftspropädeutische Unterrichtsprinzip wieder mehr Geltung erlangen. Nur mit einem der Wissenschaft verpflichteten Unterricht lässt sich die Kluft zwischen Studienberechtigung und Studienbefähigung zumindest ein Stück weit schließen.  

Dem Leistungsprinzip eine Bresche 

Im Berliner Schulsystem muss das Leistungsprinzip wieder mehr Beachtung finden. Dazu gehört ein Qualitätsmanagement, das diesen Namen wirklich verdient. Gute Schulen begnügen sich nicht mit der Überprüfung durch die Schulinspektion im fünfjährigen Turnus, sondern etablieren eine kontinuierliche schulinterne Unterrichtskontrolle, die von der erweiterten Schulleitung durchgeführt wird. Die Erfahrung zeigt, dass regelmäßige Unterrichtsbesuche und die Verwirklichung der kollegialen Hospitation zu einer Verbesserung des Unterrichts führen.  

Zu einem guten Qualitätsmanagement gehört die lerngruppenspezifische Auswertung der Vergleichsarbeiten VERA 3 und VERA 8 bzw. der PISA-Vergleichsstudie. Nur wenn man Unterrichtsdefizite konkret identifizieren kann, ist man in der Lage, gegenzusteuern, indem man den betroffenen Lehrkräften didaktische Hilfe zuteilwerden lässt, zu der auch eine Fortbildung in guter Unterrichtsführung gehören kann.  

Alle Berliner Schulen sollten verpflichtet werden, ihre Leistungsdaten (Vergleichsstudien VERA, PISA) auf der Website zu veröffentlichen. Eltern schätzen diese Informationen, um die Schulwahl für ihre Kinder verantwortungsvoll treffen zu können. Den Schulen selbst kann die Veröffentlichung helfen, die zutage tretenden Schwächen in der Unterrichtsqualität zu beheben. Im Zeitalter der Transparenz sollte es keiner Schule mehr gestattet sein, wichtige Daten zu den Lernleistungen ihrer Schüler zu verstecken. 

Schluss mit Laissez-faire 

Der neuseeländische Bildungsforscher John Hattie hält die Selbstreflexion der Lehrkraft für eine der wichtigsten Faktoren, um den Unterricht nachhaltig zu verbessern. Genauso nützlich ist nach meiner Erfahrung die Bewertung des Unterrichts durch die Schüler. Schüler können sehr gut einschätzen, wieviel sie bei einem Lehrer lernen.

Das Institut für Schulqualität der Länder Berlin und Brandenburg (ISQ) hat zu diesem Zweck bereits 2008 das Selbstevaluierungsportal „SEP-Klassik“ entwickelt. Mit diesem Online-Instrument können Lehrkräfte die Rückmeldung der Schüler über ihren Unterricht einholen. Die Bewertung erfolgt anonym, um eventuelle Benachteiligungen von Schülern, die eine Lehrkraft negativ bewertet haben, auszuschließen.  

2012 machte die Schulverwaltung den Lehrkräften die Verwendung von SEP-Klassik zur Pflicht. Alle zwei Jahre müssen sie sich seitdem von einer selbst gewählten Klasse evaluieren lassen. 2016 musste die Schulbehörde kleinlaut eingestehen, dass von 30.000 Berliner Pädagogen gerade einmal 1000 das Feedback-Instrument genutzt hatten. Hier zeigen sich die typischen Symptome der Berliner Krankheit namens Laissez-faire. Die beiden „Tagesspiegel“-Redakteure Susanne Vieth-Entus und Lorenz Maroldt schreiben dazu in ihrem Bestseller „Klassenkampf“ (2022) sarkastisch: „Alle Lehrkräfte müssen sich der Bewertung durch ihre Klassen stellen. Eigentlich. Und wenn sie es einfach sein lassen?“  

Man darf gespannt sein, ob die neue Schulsenatorin Katharina Günther-Wünsch ein wirksames Medikament gegen die Berliner Krankheit findet.  

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