Verdachtsberichterstattung gegen Hubert Aiwanger - Der Versuch einer politischen Vernichtung

Diesmal traf es Hubert Aiwanger: Mit unbelegten Behauptungen möchten Journalisten immer häufiger unliebsame Personen vernichten. Ziel der Kampagne: Zwingt Freie Wähler raus und Grüne rein. Wird Markus Söder über dieses Stöckchen springen?

Vorab-Verleumdungen schaden dem Ansehen der Presse / picture alliance
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Autoreninfo

Jens Peter Paul war Zeitungsredakteur, Politischer Korrespondent für den Hessischen Rundfunk in Bonn und Berlin, und ist seit 2004 TV-Produzent in Berlin. Er promovierte zur Entstehungsgeschichte des Euro: Bilanz einer gescheiterten Kommunikation.

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Verdammt, da muss doch etwas zu machen sein? Wie kriegen wir die Grünen in die Landesregierung, obwohl unsere Landsleute das erklärtermaßen ums Verrecken nicht wollen?

Mit diesen beiden Leitfragen, das behaupten wir jetzt einfach mal im Rahmen unserer Verdachtsberichterstattung, ist die Süddeutsche Zeitung vor drei Wochen an ein Phänomen vor der eigenen Haustür herangegangen, das sie schon seit langer Zeit empörend und deshalb dringend korrekturbedürftig findet: Drei Viertel der bayerischen Wähler wollen von Grünen, Sozialdemokraten und Linken in der Staatsregierung nichts wissen. Stattdessen bevorzugen fast genauso viele, nämlich an die 70 Prozent, ausweislich aller Umfragen eine bürgerliche, konservative, rechte oder liberale Partei, wobei sich letztere, die FDP, auch im Bayernland wegen totaler Konturlosigkeit auf dem absteigenden Ast befindet.  

Zerstörung der zweiten Koalitionsoption 

Die Lösung lag für die SZ-Aktivisten von der Hultschiner Straße auf der Hand: Wir müssen dem Söder nach der Schwefelpartei AfD irgendwie jetzt auch die Freien Wähler als Koalitionspartner zerschießen. Und da diese mit ihrem Hubert Aiwanger stehen und fallen, genügt es, ihn fertigzumachen. Und sei es mit einem Vorgang, der zwar historisch ist, aber alle Merkmale aufweist dafür, dass garantiert etwas an ihm hängen bleibt, egal, wie er reagiert, egal, ob wir ihm tatsächlich eine Mit-Urheberschaft beweisen können.  

Geht dieser Plan auf, dann, so die Strategen der Süddeutsche Zeitung, kehren wir den Wählerwillen am 8. Oktober in sein Gegenteil und setzen uns damit selbst ein Denkmal, denn ohne FW und ohne AfD und ohne FDP bleibt dem Söder gar nichts anderes übrig, als seine eigenen Worte aufzuessen und sich den Grünen anzudienen. Ja, die FDP: Sie hat gute Chancen, nun auch in Bayern (wo sie 2018 mit Ach und Krach 5,1 Prozent geholt hatte) aus dem Landtag zu fliegen. Notfalls tolerieren wir, so der Gedankengang der Journalisten, auch die SPD, sollte sie wenigstens zweistellig werden, wonach es aber aktuell nicht aussieht. Hauptsache keine bürgerliche Koalition mehr, sollen die Wähler das auch diesmal wieder anders sehen. Soweit das SZ-Konzept. 

Wird Söder in die Falle tappen? 

Wird aber – wichtigste Unbekannte in dieser Kalkulation – der Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende wirklich töricht genug sein, in diese ihm von einem Qualitätsmedium gestellte Falle zu tappen? Anfangs, also am vergangenen Samstag, schien das nicht ausgeschlossen. Und für alle Zukunft auszuschließen ist bei Markus Söder erfahrungsgemäß erst recht nichts. Doch für den Moment hat er den unlauteren und mit allen demokratischen und presseethischen Grundsätzen unvereinbaren Plan der SZ-Autoren Katja Auer, Sebastian Beck, Andreas Glas und Klaus Ott durchkreuzt, den erkennbaren Wählerwillen mittels einer von Grund auf fragwürdigen Kampagne ad absurdum zu führen.  

 

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Recherche mit der Methode der Vorab-Verleumdung – wir behaupten etwas und hoffen, dass uns die Welle der Empörung jene Beweise ins Haus spült, die uns jetzt noch fehlen – ist soeben im Falle des Rammstein-Sängers gescheitert und sollte es bitte auch im Falle des Hubert Aiwanger, soll das Ansehen der Presse insgesamt nicht noch weiter leiden.   

Zersetzungsmethode der Stasi 

Es handelt sich nämlich um eine Kampagne, die mindestens Ähnlichkeit aufweist mit den Zersetzungskonzepten des Ministeriums für Staatssicherheit, neuerdings aber in aller Öffentlichkeit: Tatsachen und Lügen werden so geschickt vermischt, dass der Gegner beginnt, am eigenen Verstand zu zweifeln. So auch 2023 in Niederbayern: Hubert und Helmut Aiwanger sind mit der Situation erkennbar überfordert. Ob dieser Text tatsächlich von einem von beiden stammt (mehr spricht semantisch für eine Entstehung und Verbreitung bereits in den 70er Jahren), ist unklarer denn je.  

Die Zeitung gibt das sogar indirekt zu: Die Urheberschaft sei inzwischen egal, weil – so ihr jüngstes Argument – die Brüder ja auf Vorhalte gelogen hätten, also mindestens einer von beiden. Und überhaupt: Huberts „Populismus“, seine Feindseligkeit gegenüber den Grünen, seien ja unbestreitbar und genügten bereits für seine Cancelung. In der Politik habe so einer mit so einem Bruder aus so einer Familie mit so einer Sprache („Die in Berlin haben den Arsch offen“) nichts zu suchen.  

Und wenn sie doch aber, wie jede politisch-konjunkturell-proktologische Ferndiagnose mühelos beweist, wirklich in Berlin den Arsch offen haben? Um so schlimmer, so die Botschaft des Blattes, dass sich nun einer traut, das auch noch offen unter tosendem Beifall auszurufen. Das darf nach Meinung der selbsternannten Scharfrichter auf keinen Fall ungestraft bleiben, schon aus generalpräventiven Gründen, also um Nachahmer abzuschrecken.  

Was spricht für Aiwanger als Nazi? 

Die Mühe, nach antisemitischen und nationalsozialistischen Gedankengängen oder Äußerungen im Auftreten des Herrn Aiwanger aus den zurückliegenden zehn Jahren zu suchen, müsse man sich da schon gar nicht mehr machen, so der Tenor. Widerspruch gegen rot-grüne Ideologien sind mit dem Aussortieren aus dem öffentlichen Diskurs – Harald Schmidt erlebt das übrigens auch gerade – zu beantworten. Punkt. Kein weiterer Erörterungsbedarf.     

Deutsche Medien, deutscher Journalismus 2023. 

Markus Söder tat heute Mittag das in seiner Situation einzig Vernünftige: Er weigerte sich, über den von der Süddeutschen ausgerollten Stacheldraht zu springen, und betonte seine Haltung, dass er auf die Grünen auch nach diesem Wochenende schlicht keinen Bock habe, sondern die Koalition mit den Freien Wählern, wenn irgend möglich und vertretbar, auch nach den Landtagswahlen fortsetzen möchte. Logisch: Wenn er jetzt einknickt und beim bürgerlich-konservativen Wähler die düstere Ahnung aufkommen lässt, dass er in Wirklichkeit den Grünen an die Macht verhilft, wenn er „CSU“ ankreuzt, dann hat er verloren. Auch für die Bundesebene übrigens. 

Söder hält sich alle Optionen offen 

Söder versucht, aus der Lage das Beste zu machen und die Gelegenheit zu nutzen, einen aktuell ohnehin eher kleinlauten Hubert Aiwanger zurechtzustutzen, indem er ihn zappeln lässt. Kein „Sonderermittler“, aber „rasche Antworten auf 25 Fragen“ sowie „Einblick in Schulakten“, soweit noch aufzutreiben. Kein „Freispruch“, aber bitte eben auch keine „Restzweifel“. Und was „Restzweifel“ sind, bestimmt er natürlich als Nachfolger des „Kini“ selbst. 

Der Regierungschef hält sich alle Möglichkeiten offen und gibt den fairen, verantwortungsbewussten, aber eben auch strengen Landesvater und Direktor, der die Fäden in der Hand behält, während der Hubsi nachsitzen und schwitzen muss. Jener soll wissen, dass notfalls vielleicht die SPD als Alternative bereitstünde (wofür die CSU diesmal aber besser 40 als wieder nur 37 Prozent holen sollte), was ja auch für Koalitionsverhandlungen als Joker ganz praktisch wäre.  

„Es darf nix mehr dazukommen“ 

Söders Ansage von heute Mittag, es dürfe „jetzt aber nix mehr dazukommen“, ist zugleich hinreichend unbestimmt, um Aiwanger zu ängstigen und der Zeitung neuen Ansporn zu liefern, endlich Beweise zu liefern, denn daran hapert es unverändert enorm, das hat er als ehemaliger Journalist durchschaut. Alles nur anonyme Quellen.

Der eine oder andere hört schon seine Ansage am Wahlabend, die CSU präferiere unverändert die Freien Wähler, aber „es gehört zur guten demokratischen Tradition, auch mit anderen Parteien wenigstens zu sprechen“. Plan C, auch das ließ er anklingen, könnte eine Fortsetzung der Koalition mit den Freien Wählern sein ohne Hubert Aiwanger, denn die bestünden ja nicht nur aus einer Person.  

Plan: Zwingt FW raus und Grüne rein 

Fazit: Söder legt sich nicht fest, weil auch er nicht weiß, ob da noch etwas Unschönes kommt, und will gegebenenfalls jederzeit situativ reagieren können. Er will nicht als Getriebener erscheinen, sondern als die eigentliche treibende Kraft, „fair, objektiv, vernünftig“ – mit der „Entlassung“ als durchaus denkbarer Konsequenz, doch dafür reichten die Angaben derzeit „definitiv“ nicht aus. Hier findet sich auch die Erklärung dafür, dass er sich bei seinem Kurzauftritt heute Mittag strikt an sein Manuskript hielt und keine Fragen zuließ: Er wollte verhindern, durch eine unbedachte Antwort seine clevere Konstruktion des Sowohl-als-auch zu beschädigen.   

Geht der Plan der Süddeutschen Zeitung mit der Methode „Recherche durch Vorab-Verleumdung“ auf, dann kehrt sie den Wählerwillen am 8. Oktober geradezu in sein Gegenteil und setzt sich selbst ein Denkmal: Zwingt Freie Wähler raus und Grüne rein. Egal, was der Souverän mit seiner Stimme bewirken wollte. Das hat noch keine Zeitung geschafft.  

Die Journalisten würden damit ausgerechnet dem Mann nachträglich recht geben, den sie so hassen: Hubert Aiwanger. Hassen für seinen Satz, es sei höchste Zeit für die schweigende Mehrheit, sich die Demokratie zurückzuholen. In der Tat.

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