„Gebirgslandschaft mit einem Bauerngehöft“ (1823) von Johan Christian Clausen Dahl / dpa

Bauernproteste - Der Agrarwirt als Symbol

Für die einen steht das Landleben für eine verlorene heile Welt. Für die anderen ist es ein Hort der Reaktion. Deshalb haben die Bauernproteste eine so hohe symbolische Kraft. Mit der Realität moderner Landwirte hat all das wenig zu tun.

Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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„Im Märzen der Bauer die Rösslein einspannt. Er setzt seine Felder und Wiesen in Stand. Er pflüget den Boden, er egget und sät und rührt seine Hände früh morgens und spät.“

Jeder kennt dieses Kinderlied. Angeblich stammt es aus Mähren. In einer Liedsammlung taucht es erstmals 1905 auf. In den 20er Jahren fügt der Musikpädagoge Walter Hensel eine geschlechtergerechte zweite Strophe ein, die auch die weibliche Arbeit auf dem Hof berücksichtigt: „Die Bäuerin, die Mägde, sie dürfen nicht ruh’n. Sie haben im Haus und im Garten zu tun. Sie graben und rechen und singen ein Lied und freu’n sich, wenn alles schön grünet und blüht.“

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Karl-Heinz Weiß | Sa., 13. Januar 2024 - 15:33

Cannabispflanze auf dem Balkon: danke Herr Grau für den Hinweis. Jetzt weiß ich endlich, wie der Vegetarier Cem Özdemir zu seinem Amt kam.
Offenbar nicht ohne Grund ist die Serie "Bergdoktor" in Deutschland so beliebt: ein Gelegenheitsbauer mit gelegentlichem Heuwenden und viel Freizeit und der Allgemeinmediziner mit Einzelfallbetreuung im agrargrünen Daimler-Oldtimer.

Christoph Kuhlmann | Sa., 13. Januar 2024 - 15:33

Es geht um Marktanteile. Nachdem die Pharmaindustrie bereits dem Rotstift zum Opfer fiel, sollen nun auch die Lebensmittel an Produzenten aus fernen Ländern gehen. Welche Auswirkung das auf die Versorgungssicherheit in der Krise hat, ist vielen Patienten bewusst. Die deutschen Landwirte arbeiten nun einmal in einem hochsubventioniertem Umfeld. Wenn Subventionen gestrichen werden, dann ausgewogen im Rahmen der EU. Doch dann gibt es Aufstände in Frankreich. Wenn die Regierung so weiter macht, gibt es sie auch in Deutschland. Man kann die Produktiven Teile der Bevölkerung nicht beliebig zu Gunsten nicht produktiver Teile ausquetschen. Das ist die Botschaft der Bauern, Trucker und Handwerker auf den Straßen.

Christa Wallau | Sa., 13. Januar 2024 - 15:57

Anders ausgedrückt: Sie müssen für ihren relativ geringen Verdienst sehr viel tun - mehr als manche Andere, die in Deutschland irgendeinen Bürojob ausüben, z. B. in der Verwaltung oder in der Politik.
Genau d a s ist m. E. das Faktum, welches ihnen
die Sympathie derjenigen Deutschen einbringt die ebenfalls hart arbeiten müssen.

Natürlich sind die meisten Bauern keine armen Schlucker, aber sie sind Unternehmer mit allen dazugehörigen Risiken. Zusätzlich schlägt bei ihnen zu Buche, daß sie keine geregelten Arbeitszeiten und wenig Freizeit kennen - jedenfalls dann nicht, wenn sie Viehhaltung betreiben. Nur derjenige, der bäuerliche Arbeit aus eigener Erfahrung kennt, kann wirklich mitreden, wenn es um die Belastungen in diesem Beruf geht.

E n d l i c h lenken die Bauernproteste wieder den Blick auf diejenigen, die der Gesellschaft treu ihren Dienst leisten und nicht auf jene, die sie nur ausnutzen wollen für ihr eigenes bequemeres Leben.

Die Angst der Politik ist auch historisch begründet. Noch immer haben Proteste der Bauern irgendeine Veränderung gebracht, auch wenn sie gewaltsam niedergeschlagen wurden. Das Volk hat durchaus erkannt, wenn die Bauern mal protestieren, dann ist Matthäus der Letzte. Und das die Politik auch noch Öl ins Feuer gießt, indem sie die Protestler "braun" anstreichen wollen, verschlimmert das Problem noch. Kurios ist, das Özdemir weiter zu den Bauern hält und andere bereits verkünden, sie könnten nicht noch mehr nachgeben. Und wenn dann wirklich mal die Regale leer bleiben. die Bauern ernst machen und nicht mehr liefern, mal sehen was unsere Veganer dann essen.

Hans Jürgen Wienroth | Sa., 13. Januar 2024 - 16:19

Die Grünen: „In ihrer Gründungsphase … wurde das Ländliche von Teilen der Bewegung als Alternative zur Industriegesellschaft idealisiert.“

Waren die Grünen nicht von Anfang an eine Gemeinschaft, die sich die ideale Welt nach ihren Vorstellungen schaffen wollte? Sind nicht gerade diese ideologischen Idealvorstellungen auch heute noch das Markenzeichen der Grünen? Wollen sie die Realität auf allen Ebenen kennenlernen oder anderen ihre Vorstellungen einer „einfachen Lebensweise zum Wohle der Erde“ näher bringen?

Dazu passt, dass man „einfache Lösungen“ sucht, man will sich nicht intensiv mit der Wirklichkeit (und schon gar nicht mit komplizierten Dingen wie Physik oder Mathematik) auseinandersetzen. Wie der Bibelspruch über die Vögel: Sie säen nicht, sie ernten nicht und Gott ernährt sie doch. Ist das die grüne Vorstellung der idealen Welt? Dazu passen die Bestrebungen zu Naturwiesen, Mooren usw., „zurück zur Natur“. Da sind Schulden nur Umverteilung von den Reichen zur Gemeinschaft.

Ingofrank | Sa., 13. Januar 2024 - 16:28

nicht viel anfangen.
Das Bürgertum war m M immer Städtisch geprägt und der Bauer lebte eben auf dem Land um die Felder zu bestellen und zu ernten. Er begab sich höchstens in die Stadt um seine Produkte zu verkaufen. Somit wurde die Gesellachaft seit Jahrhunderten getrennt in Bürgertum & Bauern und beide Seiten waren mehr oder wenig auf einander angewiesen. Aber mit der industriellen „globalen“ Revolution änderte sich auch das Abhängigkeitsverhältnis in dem, zumindest in den Anfängen sich das Bürgertum die Mobilität und unterschiedlichen Entwicklungsstände der Völker zu Nutze machte.
Will sagen, durch Importe von billigeren landwirtschaftlichen Produkten geriet die Bauernschaft massiv unter Druck.
Und heute? Möchte der Oberstudienrat & d Zahnarztgattin Bio Kartoffeln kaufen, fragt aber nicht, wie die Ananas oder die Mango Pestizid- belastet ist. Und das ist inzwischen die Schizophrene an der unsere Bauern z.Zt. Leiden. Und das, betrifft nicht nur die Bauern.
M f G a d Erf. Republik

Brigitte Miller | Sa., 13. Januar 2024 - 17:06

in Deutschland anders. In der CH leben die Bauern noch immer, trotz der modernen Maschinen, ein relativ naturverbundenes Leben. Noch immer müssen sie zum HImmel schauen, wie das Wetter wird. Noch immer säen und ernten sie, wenn auch anders und etwas leichter als früher.
Die Bergbauern allerdings haben noch ein hartes Leben.
Die Probleme werden ähnlich sein: endlose Bürokratie und Vorschriften von Leuten, die keinen Dunst von Landwirtschaft haben.

Mit den Vorstellungen der Grünen hat es wenig zu tun, das stimmt.
Aber dass die Leute die Bauern vor allem des romantisch verklärten Bildes wegen unterstützen, glaube ich nicht.
Sie unterstützen sie, weil sie wissen, dass die Bauern unser Essen herstellen und sie hoffen, dass die Proteste gegen eine unsinnige Politik auch ihnen zugute kommt.

Endlich macht einmal jemand etwas! sagen sie.

Naumanna | Sa., 13. Januar 2024 - 18:33

Ja, die Bauernproteste lenken in der Tat den Blick auf die Menschen, die für das Wohl der Allgemeinheit sorgen. Ich stehe voll und ganz hinter den Protesten und verlange von der AMPELregierung, dass sie alle Kürzungen an den Subventionen für die Bauern SOFORT zurücknimmt.
Danke Herr GRAU, für den "Finger auf die Wunde".

Fritz Elvers | Sa., 13. Januar 2024 - 20:15

Hähnchenschlachterei im Emsand mitkonstruiert.

Es erinnerte eher an Brecht's "Heilige Johanna der Schlachthöfe", kongenial aufgeführt unter Peymann in Bochum, als an Bauernhof. Landwirtschaft kann wirtschaftlich nur noch als Industrie betrieben werden, wobei sie auch gleichzeitig Energieträger (Biogas) ist. Landwirte sind heute auch Energieexperten.

Klassische Bauernhöfe kannte ich nur aus meiner Kindheit, eine lebenslange schöne Erinnerung,

Edwin Gaza | So., 14. Januar 2024 - 12:58

Ohne Subvention, Planwirtschaft geht so:
Der Staat stellt den Bauern Ställe und Maschinen nach eigenen Vorstellungen zur Nachhaltigkeit und Tierwohl zur Verfügung, legt Flächen für Maschinenringe fest, weist Flächen für PV und Windräder aus, liefert kostenlos Pflanzenschutz-mittel.
LPG nach Ampelart.
Und dann bekommen wir die benötigten Lebensmittel von den umliegenden Ländern.
Wie beim Strom.