Politischer Aschermittwoch - Söder attackiert die Grünen - und entgleist dann unbemerkt

Markus Söder reitet in Passau eine polemische Attacke gegen die Grünen, während deren Veranstaltung von überziehenden Bauernprotesten verhindert wird. Doch der CSU-Chef leistet sich selbst auch eine Entgleisung.

Markus Söder teilte ordentlich aus / dpa
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Ferdinand Knauß ist Cicero-Redakteur. Sein Buch „Merkel am Ende. Warum die Methode Angela Merkels nicht mehr in unsere Zeit passt“ ist 2018 im FinanzBuch Verlag erschienen.

 

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Markus Söder, Vorsitzender der CSU, der Erfinderpartei des Politischen Aschermittwoch, hatte in Passau die „Ampel- und Wokeness-freie Zone“ ausgerufen. Er lobte sich vor allem dafür, eine Regierung zu führen, in der „keine Grünen sitzen“ und sagte „nach Deutschland“ (also auch zu Friedrich Merz): „Wir wollen keine Grünen in der Bundesregierung, kein Schwarz-Grün.“ Und in bester Aschermittwochsmanier rief er der Ampel zu: „Ihr hattet eure Chance. Es ist vorbei. Macht den Weg frei. Es braucht Neuwahlen. Die Ampel muss weg!“ 

Seine Anti-Ampel- und vor allem Anti-Grünen-Polterei war durchaus unterhaltsam und sein Versprechen, so gut wie alles anders und rückgängig zu machen, vor allem in der Energie- und Wirtschafts-, aber auch in der Sozialpolitik (Bürgergeld abschaffen und die gute alte Sozialhilfe wieder einführen) beachtlich. Nach diesem Auftritt ist es fast unvorstellbar, dass er je einen Koalitionsvertrag mit den Grünen unterschreibt. Daran wird auch die CDU kaum vorbeikönnen. 

Der Kanzler blieb erwartungsgemäß still

Apropos: Auch die Kritik an der Migrationspolitik der Merkel-CDU hat Söder wiederentdeckt: „2015 muss wieder gutgemacht werden“ und – etwas seltsame Formulierung: „Es braucht eine Versöhnung mit den Fehlern von damals. Zuwanderung in Arbeit gerne, aber Zuwanderung in soziale Sicherung: nein!“ Deutschland, so sagte er, müsse „jeden Tag verteidigt werden, auch in den U-Bahnen und Marktplätzen“. Die Grünen, so Söder arbeiteten am „Umbau der Gesellschaft“. Die CSU dagegen werde „die Staatsbürgerschaft-light“ wieder rückgängig machen. „Überall, wo die Grünen in die Regierung kommen, geht es mit der Schule steil bergab.“ Und als eine Art Fazit in fast schon Franz-Josef-Strauß-Diktion: „Wo grün regiert, ist der Abstieg programmiert.“

Söders Auftritt war fraglos unterhaltsamer und auch inhaltsreicher als die Auftritte anderer Politiker bei ihren Aschermittwochsauftritten. SPD-Chef Lars Klingbeil – der Kanzler blieb erwartungsgemäß still – fiel in Vilshofen nicht viel mehr ein als persönliche Sticheleien gegen Söder, den er einen „Politik-Simulanten“ nannte und an seine Abstimmungsniederlage gegen Armin Laschet als Kanzlerkandidaten erinnerte. Das war auch nicht viel gehaltvoller als die Titulierung von Scholz als „Dauergrinser“ durch die bayerische AfD-Fraktionsvorsitzende Katrin Ebner-Steiner. Erwartbar war der scharfe Angriff der erstmals für ihre neue Partei sprechenden Sahra Wagenknecht, die die Ampel nicht nur erneut als „dümmste“, sondern wegen ihrer Rüstungsausgaben und Waffenhilfe für die Ukraine auch als „gefährlichste Regierung in Europa“ bezeichnete.

Warum nur hört man solche Töne so selten?

Die größte öffentliche Aufmerksamkeit dürfte am Ende dieses Aschermittwochs trotzdem nicht Söders CSU in Passau zukommen, sondern der Veranstaltung der Grünen im baden-württembergischen Biberach. Und zwar gerade deswegen, weil sie nicht stattfand, sondern wegen „Sicherheitsbedenken“ abgesagt wurde: Seit dem Morgen hatten Bauern und Fuhrunternehmer protestiert und Straßen mit Traktoren blockiert. Vor der Halle wurde ein Misthaufen platziert. 

Laut dpa musste die Polizei Pfefferspray einsetzen, um den Weg für zwei Fahrzeuge freizumachen. An einem davon war laut dpa eine Scheibe eingeschlagen. Der grüne Landwirtschaftsminister Cem Özdemir, der in Biberach hätte auftreten sollen, tat übrigens nach der Absage von Biberach etwas durchaus anerkennens- und lobenswertes, indem er nachträglich versuchte, zu deeskalieren: „Die, die da jetzt über die Stränge geschlagen haben, das ist nicht die deutsche Landwirtschaft. Das waren Einzelne, die sich da so benommen haben.“ Warum nur hört man solche Töne so selten?
 

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Man muss nach diesem Tag feststellen: Die Polarisierung und Radikalisierung schreitet mit großen Schritten voran. Natürlich kann man das den Biberacher Demonstranten vorwerfen. Allerdings haben sie diese Art der Auseinandersetzung nicht erfunden. Die Methode ähnelt durchaus denen von Aktivisten aus ganz anderen Milieus mit völlig anderen politischen Zielen. Straßen zu blockieren, ist bekanntlich Praxis von Klima-Aktivisten. Und von Demonstranten undurchführbar gemachte Veranstaltungen der AfD gehören ebenso längst zum politischen Alltag.

Söders Koalitionspartner, Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger, warf bei seinem Aschermittwochsauftritt der Ampel einen Verantwortungsanteil an der Zuspitzung vor: „Wenn den Leuten täglich mit woken Themen in der Nase herumgerührt wird, muss man sich nicht wundern, wenn die irgendwann eskalieren.“

So etwas riefen früher Heerführer ihren Kriegern zu

Ausgerechnet Markus Söder aber, dessen Rede zum größten Teil ein polemischer, aber durchaus dem Anlass angemessener Angriff auf die Grünen war, hat in einem kleineren Rede-Abschnitt Aussagen getätigt, die in der Vor-AfD-Ära als inhumane Entgleisung aufgefasst würden. Nach langem Schimpfen auf die Ampel sagte er: „Ihr seid nicht unser Feind, ihr seid nur grottenschlecht“. Doch dann: „Der Feind der Demokratie, das ist die AfD.“ Wobei er immerhin ebenso explizit die meisten der Wähler ausnahm. Den „AfD-Funktionären“ dagegen warf er nicht nur vor, „mit den Umfragewerten offener und radikaler“ zu werden, sondern er setzte sie indirekt mit den Nazis gleich, indem er ihnen „genau dieselben Muster wie vor 100 Jahren unterstellte“. 

Das ist eine unverantwortliche Verharmlosung der NSDAP und Hitlers genau vor 100 Jahren verfasster Hetzschrift „Mein Kampf“, in der dieser bereits Vernichtungsfantasien gegen Juden äußerte, einen „germanischen Führerstaat“ einforderte und zur Eroberung von „Lebensraum im Osten“ aufrief. Solche Gleichsetzungen können angesichts ihrer historischen Abwegigkeit nur eine gefährliche Inflationierung des Nazi-Begriffes bewirken. 

Aber Söder setzte noch einen drauf: „Die würden uns ins Gefängnis stecken. Deswegen kein Pardon, keine Kooperation, keine Freiheit für die Feinde der Freiheit.“ So etwas – „kein Pardon!“ – riefen früher Heerführer ihren Kriegern zu. Das bedeutete nichts anderes, als keine Gefangenen zu machen (sondern die Gegner zu töten). Kein Demokrat, erst recht keiner, der sich wie Söder als Christ versteht, sollte so hemmungslos reden, auch nicht am Aschermittwoch und auch nicht über Menschen, denen man vorwirft, undemokratisch zu sein.   

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