Ampel-Koalition streitet ums Klimageld - Wie man ein geniales Narrativ zerstört

Die Ampel hatte mal eine ziemlich gute Idee: das Klimageld. Mit ihr sollten Klimaschutz, Sozialismus und Kapitalismus versöhnt werden. Übrig geblieben ist ein kommunikatives Desaster.

Mit dem Klimageld wollte die Ampel Klimaschutz und sozialen Ausgleich verbinden. /dpa
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Mathias Brodkorb ist Cicero-Autor und war Kultus- und Finanzminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Er gehört der SPD an.

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Seit ungefähr zehn Jahren gilt das „story telling“ auch im Journalismus als letzter Schrei. Ganze Kohorten junger Nachwuchsautoren wurden in Journalistenschulen oder Fortbildungskursen auf das Erzählen von Geschichten getrimmt.

Guter Journalismus soll heute also nicht mehr darin bestehen, einfach bloß Fakten zu präsentieren und zu analysieren. Eine lebensnahe, nahezu voyeuristisch Rahmung der Fakten soll die Eintrittskarte in die verstärkte Aufmerksamkeit des Publikums sein.

Wohin diese neue Form des Journalismus auch führen kann, hat der viel gelobte und ausgezeichnete Autor Claas Relotius gezeigt.  Um seine Geschichten aufzupeppen, erfand er mitunter Gesprächspartner und Fakten. Aus Journalismus wurde letztlich Literatur. Aufgeschrieben wurde nicht, was war, sondern wie es auch hätte gewesen sein können.

Narrativ des Fortschritts

Was im Journalismus das „story telling“, sind in der Politik die „Narrative“. Argumente allein reichen nicht mehr aus. Es sollen Geschichten erzählt werden, die Emotionen freisetzen und Wähler an die eigene Partei binden.

Die Ampel-Regierung hatte auch einmal ein solches Narrativ. Sie nannte sich – und das war anfangs nicht einmal unplausibel – die „Fortschrittskoalition“. Geplant war nicht weniger als eine klimafreundliche „Transformation“ der gesamten Gesellschaft, um einen Beitrag gegen den Klimawandel zu leisten. Dabei sollte es außerdem sozial gerecht zugehen, um die Menschen mitzunehmen. Und weil die Zeit drängte, sollte der Staat wieder effizienter werden: schnelle Entscheidungen, weniger Bürokratie, mehr Eigenverantwortung und mehr Markt.

Nichts verkörpert dieses Narrativ des Fortschritts besser als die Idee des Klimageldes. Dessen Einführung wurde den Wählern im Koalitionsvertrag ausdrücklich versprochen. Die Idee war im Grunde ziemlich genial. Um die CO2-Emissionen wirksam zu reduzieren, sollten sie mit langfristig steigenden Preisen versehen werden und die Einnahmen pro Kopf an die Bürger wieder zurück verteilt werden.

In keinem anderen Projekt fügten sich die unterschiedlichen politischen Vorstellungen von Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen so harmonisch zusammen wie beim Klimageld. Es war fast so, als hätte Horst Schlemmer persönlich die Feder geführt: Klimaschutz, Sozialismus und Kapitalismus sollten widerspruchsfrei miteinander versöhnt werden.

Die Besserverdienenden sind das Problem

Und das hätte sogar klappen können. Nach einer Studie des Umweltbundesamtes steigt der CO2-Verbrauch mit zunehmendem Einkommen massiv an.  Es sind vor allem die Besserverdienenden dafür verantwortlich, dass das Klima aus den Fugen gerät. Sie emittieren ein Vielfaches an CO2.

Die Folge des Klimageldes wäre also, dass Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen profitieren und eben nicht draufzahlen – während die Besserverdienenden die höhere CO2-Bepreisung locker stemmen können. Man könnte mit dem Klimageld also ein bisschen den Planeten retten und gleichzeitig Geld von oben nach unten umverteilen. Allein das hätte dem Projekt Klima-Rettung großen Rückhalt in der Bevölkerung verschaffen können. Und man würde bei diesem Mechanismus nicht auf staatliche Subventionen setzen, sondern auf Eigenverantwortung und den Markt.

Ein konkretes Beispiel: Die Einnahmen aus dem nationalen und europäischen Emissionshandel dürften sich Mitte des Jahrzehnts auf etwa 15 Mrd. Euro jährlich belaufen. Das ergäbe für eine dreiköpfige Familie ein jährliches Klimageld in Höhe von 540 Euro. Die CO2-bedingten Mehrkosten für das Heizen werden sich bei 20.000 Kilowattstunden im Jahr 2024 auf etwa 180 Euro belaufen.

Wie man eine gute Idee zerstört

Aber alles kam ganz anders. Erst entschloss sich die Koalition dazu, einen Teil der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung für die Abschaffung der EEG-Umlage einzusetzen. Das hat zwar einen ähnlichen Effekt wie das Klimageld, aber ohne sozialen Ausgleich. Und der Wähler bemerkt ihn nicht einmal.

Er verschwindet einfach hinter nicht noch stärker steigenden Strompreisen. Kommunikativ clever war das nicht. Der Rest der Zusatzeinnahmen aus der CO2-Bepreisung wird im Klima- und Transformationsfonds (KTF) außerdem für allerlei Subventionen ausgegeben, die sogar zu Umverteilungen von unten nach oben führen und die Uridee zerstören.

Eigentlich sollte das Klimageld Klimaschutz, Sozialismus und Kapitalismus versöhnen. Davon ist vorerst nichts mehr übrig geblieben. Stattdessen streitet die Ampel – wieder einmal – öffentlich darüber, ob sie ihr Versprechen überhaupt noch in dieser Legislaturperiode einlösen will.

Für die Verzögerung gibt es zunächst technische Gründe. Mit Hochdruck arbeitet die Finanzverwaltung daran, einen Auszahlungsmechanismus zu etablieren. Nach Angaben von Finanzminister Christian Lindner (FDP) soll er zum Ende des Jahres 2024 funktionieren. In Österreich allerdings wird ein entsprechendes Klimageld bereits seit 2022 problemlos an die Bürger ausgezahlt.

Aber ein funktionierender Auszahlungsmechanismus reicht nicht. Dann braucht man auch noch Geld. Der größte Anteil der Zusatzeinnahmen ist aber ohnehin längst über den KTF gebunden. Zur Debatte stehen somit höchstens die ab dem Jahr 2024 auftretenden Zusatzeinnahmen von 2-3 Mrd. Euro.

Das Narrativ lässt sich nicht mehr retten

Und derzeit ist nicht einmal klar, ob dieser überschaubare Betrag überhaupt für das Klimageld eingesetzt werden kann. Während Christian Lindner auf die angespannte Haushaltslage verweist, drängen vor allem die Grünen darauf, dass das Wahlversprechen der Ampelkoalition eingehalten wird.

Retten ließe sich aber auch damit das Narrativ des Fortschritts nicht mehr. Die aus der Anhebung der CO2-Bepreisung auf 45 Euro je Tonne CO2 resultierenden Mehreinnahmen würden bei einer dreiköpfigen Familie höchstens für ein Klimageld in Höhe von 100 Euro pro Jahr reichen. Nicht einmal die Mehrkosten fürs Heizen ließen sich damit gegenfinanzieren. Von steigenden Mobilitätskosten ganz zu schweigen.

Die Ampel hat es daher tatsächlich geschafft, eine wirklich zündende Idee zum Verdampfen zu bringen. Der Rückhalt der Bevölkerung für konsequente Klimaschutz-Maßnahmen ist: längst dahin. Dazu haben nicht nur katastrophale Debatten des Jahres 2023 um das „Heizungsgesetz“ beigetragen.

Entscheidender ist, dass längst das Ziel aufgegeben wurde, das Klimageld auch konsequent zur Umverteilung, als Instrument des sozialen Zusammenhaltes einzusetzen und sich so breiten Rückhalt in der Bevölkerung zu sichern. Und schließlich haben sich die Liberalen mit der Billigung eines regelrechten Feuerwerks an als Investitionen getarnten Klimaschutz-Subventionen weit von den Ideen der Marktwirtschaft entfernt und stehen nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts mit leeren Händen da.

Auch deshalb ist die Ampel derzeit vom Schicksal Claas Relotius’ wohl nicht allzu weit entfernt. Die Wähler wollen am Ende eben doch nicht nur schön klingende Narrative hören. Sie wollen, dass ihre Probleme gelöst werden.

 

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