AfD und CDU - DIW-Ökonom Fratzscher mauert an der Brandmauer

DIW-Ökonom und SPD-Claqueur Marcel Fratzscher weist kurz vor den anstehenden Landtagswahlen der CDU ihren Platz an der Brandmauer zu. Deren Positionen seien oft nahe an der AfD. Beide seien schließlich für niedrige Steuern und weniger Sozialstaat.

Alles AfD, außer Rot-Grün: Marcel Fratzscher, Präsident des DIW /dpa
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Ferdinand Knauß ist Cicero-Redakteur. Sein Buch „Merkel am Ende. Warum die Methode Angela Merkels nicht mehr in unsere Zeit passt“ ist 2018 im FinanzBuch Verlag erschienen.

 

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Eines vorneweg: Welcher Partei die Zuneigung des Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) gehört, dürfte ziemlich eindeutig sein. Marcel Fratzscher wurde schon 2017 in der FAZ als „Claqueur der SPD“ vorgestellt. Und er tat auch seither nichts, um diese Kennzeichnung zu widerlegen.

Nun hat der politisch umtriebige Ökonom eine Publikation vorgelegt, die den Titel trägt: „Das AfD-Paradox und die politische Nähe zu anderen Parteien: Die meisten Überschneidungen gibt es mit der Union“. Man darf wohl davon ausgehen, dass die Botschaft so kurz vor den Landtagswahlen in Hessen und Bayern, bei denen es Umfragen zufolge nicht gut aussieht für die Sozialdemokraten, lautet: Die Union ist nur geringfügig weniger toxisch als die AfD.

Der von Fratzscher selbst genannte Anlass ist die wenige Tage alte gemeinsame Abstimmung von AfD, CDU und Ampel-Koalitionspartner FDP in Thüringen für eine Steuersenkung: „In Zeiten einer beachtlichen Stärkung der AfD in den Umfragen stellt sich nicht wenigen die Frage, ob die politische Zusammenarbeit mit der AfD die Ausnahme bleibt oder zur Norm werden wird. Sie warnen davor, der vom Verfassungsschutz als rechtsradikaler Verdachtsfall eingestuften Partei weitere politische Gestaltungsspielräume zu verschaffen.“ Es zeige sich nach einer Untersuchung der Positionen der in den Parlamenten vertretenen Parteien, dass sich vor allem in Thüringen und Bayern viele Positionen der Union mit denen der AfD überschneiden, was zu weiteren gemeinsamen Abstimmungen führen könnte.

Ein extrem quantifiziertes Model

Basis der Vergleiche waren der Wahl-O-Mat der letzten Bundestagwahl, der Wahl-O-Mat der Thüringen-Wahl von 2019 und der aktuelle Wahl-O-Mat zu den kommenden Landtagswahlen in Hessen und Bayern am 8. Oktober. Diese Dienstleistung der Bundeszentrale für Politische Bildung enthält jeweils 38 Fragen, die für die Bundesländer in fünf Politikbereiche unterteilt wurden: Steuern und Wirtschaft, Klima und Umwelt, Soziales, Gesellschaft, Innenpolitik. Jede Partei kann jede dieser Fragen befürworten, ablehnen oder neutral beantworten, wonach Fratzscher dann einen Index für jeden Politikbereich und jede Partei bildete, der die Gesamtpositionierung einer Partei zu einem bestimmten Themenbereich beinhaltet.

Erklärung Fratzscher: „... ein höherer Wert in der Kategorie Sozialpolitik bedeutet, dass eine Partei eine Ausweitung oder Erhöhung sozialer Leistungen fordert; ein höherer negativer Wert bedeutet dagegen einen Abbau oder eine Begrenzung solcher Leistungen“. Abgebildet werden nur die Parteien, die entweder im Bundestag oder im betreffenden Landtag vertreten sind. Im Falle Bayerns sind also auch die Freien Wähler (FW) dabei.

Was dabei herauskommt, ist natürlich ein extrem quantifiziertes Model der Politikbetrachtung: fünf Politikfelder, auf denen alle Parteien irgendwo zwischen -100 und +100 eingeordnet werden. Wobei nicht besonders klar ist, was etwa ein besonders negativer oder positiver Index im Politikbereich „Innenpolitik“ bedeutet.

 

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Der interessanteste Teil der Fratzscher-Studie ist dieser Absatz über die Wirtschafts- und Finanzpolitik: „Keine andere Partei verfolgt eine so neoliberale Wirtschafts- und Finanzpolitik wie die AfD. Sie spricht sich bei fast allen Fragen für Steuersenkungen für Spitzenverdienende und Unternehmen aus und will gleichzeitig die Rolle des Staates massiv beschneiden. Sie vertraut der Rolle des Marktes, und sie misstraut dem Staat und seiner Wirtschaftskompetenz.“

Und weiter: „Auf Bundesebene fordert sie beispielsweise die Abschaffung des Solidaritätszuschlags – der lediglich von den sieben Prozent der Spitzenverdienenden gezahlt wird –, und sie lehnt eine Steuer auf hohe Vermögen ebenso ab wie eine Besteuerung des Flugverkehrs oder den Anstieg des CO2-Preises. Und sie fordert für Bund und Länder die Einhaltung der Schuldenbremse. Diese Politik bedeutet eine Umverteilung von Arm zu Reich und würde somit vor allem AfD-Wähler*innen stärker belasten – mehr als die aller anderen Parteien.“

Letzteres sei, so behauptet Fratzscher, das „AfD-Paradox“, das die „demokratischen Parteien“ offenlegen müssten. Wobei für Fratzscher offenbar undenkbar ist, dass gerade wenig verdienende Arbeitnehmer die Leidtragenden eines expansiven Sozialstaates sind. 

AfD-Positionen per se toxisch

In der Konsequenz der Brandmauer, die AfD-Positionen per se für toxisch oder jedenfalls generell zustimmungsunwürdig erklärt, würde das im Umkehrschluss bedeuten: Wer sich für weniger Staat und mehr Markt ausspricht, ist zumindest potentiell AfD-nah, also nicht demokratisch, fast schon rechtsradikal. Und wem dieses Verdikt drohen könnte, macht Fratzscher auch deutlich: „Die Positionen von Union, FDP und Freien Wählern stehen – nicht unähnlich der AfD – für eine wirtschaftsliberale Politik mit Steuersenkungen für Unternehmen und Besserverdienende sowie einer Beschneidung der Rolle des Staates in der Wirtschaft.“

Wenn einerseits klar ist, dass die AfD keine demokratische Partei ist, und andererseits Fratzscher „die erheblichen Übereinstimmungen der politischen Positionen zwischen Union und AfD“ feststellt, dann wird klar, was er eigentlich sagen will: Die CDU sei selbst nicht allzuweit davon entfernt, keine demokratische Partei mehr zu sein. Also muss die CDU gefügig werden.

In den abschließenden Worten von Fratzscher: „Eine große Frage für die Zukunft ist, ob durch die erheblichen Übereinstimmungen der politischen Positionen zwischen Union und AfD – bei gleichzeitig großen und größer werdenden Unterschieden in der politischen Positionierung zwischen Union und Grünen, SPD und Linken – auf Länder- wie auf Bundesebene eine Zusammenarbeit zwischen Union und AfD zur Norm werden könnte. Will die Union diesen Verdacht nicht aufkommen lassen, muss sich insbesondere die Parteispitze entschieden gegen diese Kooperationen aussprechen.“

 

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