Gouverneur von Florida - Ron DeSantis gibt Präsidentschaftskandidatur bekannt

Ron DeSantis will bei der Präsidentschaftswahl 2024 ins Weiße Haus einziehen. Für Donald Trumps Ambitionen könnte der beliebte Gouverneur von Florida damit zur echten Gefahr werden. Denn sein Kampf gegen Wokeness und die Corona-Politik brachte ihm bei konservativen Wählern Sympathien ein.

Trumps schärfster Konkurrent: Ron DeSantis / dpa
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Ronald D. Gerste ist Historiker, Publizist und Augenarzt. Er lebt in der Nähe von Washington, D.C.

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In der weltweit bekanntesten Besucherattraktion des amerikanischen Bundesstaates Florida, Disney World, gehört langes Warten unverzichtbar zum Gesamterlebnis, kann man vor einigen der klassischen Rides wie „Peters Pan’s Flight“ oder der Fahrt durch das Bergwerk der Sieben Zwerge an einem normalen Sommertag doch schon mal eine Stunde und länger in der sonnenbestrahlten Schlange stehen. Ist es dann endlich soweit, besteigt man das einer milden Achterbahn ähnelnde Gefährt mit einem Glücksgefühl, in das sich leichte Erschöpfung mischt.

Die nunmehr offiziell gewordene Präsidentschaftskandidatur des Gouverneurs von Florida, Ron DeSantis, ist über viele Monate von Kommentatoren und in Talkrunden derart in allen Einzelheiten ventiliert worden, dass selbst bei seinen Anhängern die Macht des nun endlich Faktischen nur bescheidene Adrenalinstöße generieren dürfte.  

Der 44-jährige Politiker, der mit Disney, dem wichtigsten Arbeitgeber des Sunshine State, seit längerem einen ideologisch-juristischen Streit über Wokeness (nach seiner Diktion) bzw. über die Rechte der LGTBQ-Community und den Respekt für deren Mitglieder (nach liberaler Diktion) führt, begibt sich nun auf eine Fahrt zusammen mit einem Zauberlehrling und mit bislang – Stand heute – je nach Zählweise vier bis sechs tatsächlichen oder vermeintlichen Zwergen: Senator Tim Scott (South Carolina), Ex-Uno-Botschafterin Nikki Haley (South Carolina), Ex-Gouverneur Asa Hutchinson (Arkansas), Software-Unternehmer Vivek Ramaswamy sowie zwei selbst Politjunkies wenig bekannten Persönlichkeiten, dem Radio-Talkshowmaster Larry Elder und Corey Stapleton, ein Provinzpolitiker aus Montana.

Die Blicke aller Beobachter richten sich vor allem auf die Positionierung von DeSantis vis-a-vis der nach wie vor die Republikanische Partei prägenden, nicht wenige ihrer Mitglieder indes auch erschreckenden Kraft: Ex-Präsident Donald Trump

DeSantis hat bislang 110 Millionen Dollar gesammelt

Man mag unsere Zeit als schnelllebig und hektisch wahrnehmen – die Auswahl der Präsidentschaftskandidaten der beiden großen Parteien der USA ist das Gegenteil. Unvorstellbar wirkt es heute, dass John F. Kennedy seine Kandidatur am 2. Januar des eigentlichen Wahljahres (1960) ankündigen konnte und damit gut im Zeitplan lag. Wer dies heute täte, würde als Komiker wahrgenommen. DeSantis hat seine Kandidatur fast eineinhalb Jahre vor dem Wahltermin – der 5. November 2024 – und rund acht Monate vor den ersten Vorwahlen verkündet, die traditionsgemäß in Iowa (wahrscheinlich am 22. Januar, ein sogenannter Caucus, im ganzen Bundesstaat angehaltene Wahlversammlungen) und New Hampshire (wahrscheinlich am 30. Januar, eine echte Primary) stattfinden.

Dass sich der Reigen derart in die Länge zieht, liegt zum einen an der Notwendigkeit, sowohl beträchtliche Finanzmittel zu generieren – DeSantis hat bislang laut New York Times ansehnliche 110 Millionen Dollar gesammelt –, als auch eine tragfähige Organisation in möglichst allen 50 Bundesstaaten auf die Beine zu stellen (in Washington DC können sich beide Parteien diese Mühe sparen; die drei Wahlmännerstimmen der Hauptstadt gehen typischerweise mit einem Stimmenanteil um die 90 Prozent an die Demokraten). Zum anderen sind im Laufe der Jahrzehnte die Medien, allen voran das Fernsehen, auf den Geschmack gekommen und haben bereits den Weg zu den ersten Vorwahlen zu einer Saga mit zahlreichen Folgen, auch unter ausgeprägter Wiederholungsgefahr, gemacht. 

 

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Diese Verhältnisse bringen es mit sich, dass viele politisch interessierte Amerikaner den Eindruck haben, Ron DeSantis bereits recht gut zu kennen. Im Gegensatz zu Trump – und Vergleiche zwischen diesen beiden werden die Debatte bis zum Schluss dominieren – hat DeSantis in den Streitkräften gedient und es in der U.S. Navy zunächst zum Leutnant gebracht; danach wurde der Jurist mit Abschlüssen an den Top-Universitäten Yale und Harvard juristischer Berater der Elite-Einheit Seal Team One. (Trump wurde angeblich wegen Knochensporns nicht zum damals obligatorischen Wehrdienst eingezogen.)  

Im Gegensatz zu Trump 2016 hat DeSantis Erfahrung als Gesetzgeber und als mehrfacher Wahlsieger: Er wurde 2012, 2014 und 2016 für den 6. Distrikt von Florida ins Repräsentantenhaus gewählt, zu dem seine Heimatstadt Jacksonville an der Atlantikküste im Norden Floridas gehört. 2018 wählten ihn die Floridians zum ersten Mal zu ihrem Gouverneur; das sensationelle Ergebnis seiner Wiederwahl 2022 mit einem Vorsprung von fast 20 Prozent – und dies in einem Bundesstaat, den vor nicht allzu langer Zeit Barack Obama gewinnen konnte – machte ihn zum Shooting Star der Republikaner.  

Familienwerte sind der Kern seiner politischen Mission

Die Beschreibung seiner Persönlichkeit hängt stark vom Standpunkt des Beobachters ab: Während Parteifreunde auch mit anderer Grundeinstellung ihn als hilfsbereit und angenehm beschreiben, wird er von kritischen Beobachtern als autoritär, gar als Bully wahrgenommen. Die Tatsache, dass er Florida mit beträchtlich weniger Grundrechtseinschränkungen, aber mit besseren Wirtschaftsdaten durch die Pandemie führte als manche von Demokraten regierte Bundesstaaten, hat ihm bei den Mainstreammedien wenig Freunde gemacht.

Kaum Dissonanz gibt es in einem Punkt: Der Nachfahr italienischer Einwanderer gilt über die Parteigrenzen hinweg als außerordentlich smart. Der stetig Familienwerte als Kern seiner politischen Mission und als Kontrapunkt zur Queer- und Drag-Kultur sowie der Zeitgeistlehre der fluiden Genderidentitäten betonende DeSantis ist mit der ehemaligen Fernsehjournalistin Casey Black verheiratet; das Paar hat drei Kinder. 

Er muss die „Never Trumper“ für sich gewinnen

In innerparteilichen Ringen um die Gunst der Republikaner steht DeSantis vor der sprichwörtlichen Quadratur des Kreises. Einerseits wird er versuchen, Trump-Anhänger auf seine Seite zu ziehen und einige der radikalen Positionen des Ex-Präsidenten, wenngleich ohne dessen auch zahlreiche Konservative abstoßende Rhetorik, übernehmen. Trennlinien sind indes erkennbar: DeSantis hat die Vision von Trump und vielen seiner Fans, dass er aufgrund von Wahlbetrug aus dem Amt gedrängt worden sei, nicht unterstützt, und auch in der Bewertung der Capitol-Stürmer vom 6. Januar 2021 teilt er offenbar nicht Trumps Einschätzung, dass die Mehrzahl von diesen doch ganz anständige Burschen gewesen seien, die eine baldige Begnadigung verdient hätten.  

Entscheidender dürfte es für den Gouverneur von Florida indes werden, das keineswegs kleine, wenngleich weniger lautstarke Lager der „Never Trumper“ hinter sich zu bringen. Sogenannte gemäßigte Republikaner und Konservative, die in Trump den Garanten für eine weitere Wahlniederlage sehen, werden den als am stärksten eingeschätzten Kandidaten im Bewerberfeld bis zum Wahlparteitag im Juli 2024 in Milwaukee im Swing State Wisconsin mit zunehmendem Engagement unterstützen. DeSantis wird dieses Segment des Parteivolks schnell davon überzeugen müssen, dass er dieser Kandidat ist.

Denn neben den genannten erklärten und aus DeSantis’ Sicht beherrschbaren Konkurrenten stehen noch einige Schwergewichte in den Startlöchern und könnten in absehbarer Zeit ihre Hüte in den Ring werfen, wie der ehemalige Vizepräsident Mike Pence, der Gouverneur von New Hampshire, Chris Sununu – der bei der ersten Vorwahl einen nicht unbeträchtlichen Heimvorteil hätte –, der mit reaganeskem Charme agierende Gouverneur des wahlstrategisch enorm wichtigen Virginia, Glenn Youngkin, sowie der Ex-Gouverneur von New Jersey, Chris Christie, dessen breitenwirksamster Beitrag zur politischen Wahrnehmung sein seit Jahren und über weite Strecken mit bescheidenem Erfolg geführter Kampf gegen das massive Übergewicht ist.  

Trump sieht in DeSantis eine reale Gefahr

Dass Trump in DeSantis eine reale Gefahr sieht, zeigen seine selbst für Trumpsche Verhältnisse massiven Angriffe auf den Gouverneur, der nach des Ex-Präsidenten Lesart es ohne dessen Hilfe nie ins höchste Amt des Staates geschafft hätte. 

DeSantis, der nach Umfragen vor einigen Monaten gleichauf mit Trump lag und jetzt deutlich zurückgefallen scheint, spielt nun eine Karte, die ihm die Verfassung der USA bietet. Er hebt mehr als deutlich hervor, dass er Präsident für acht Jahre sein (eine Wiederwahl 2028 vorausgesetzt) und damit vor allem – ein Herzensanliegen vieler Konservativer – den Supreme Court noch weiter nach rechts rücken könnte. Denn laut dem 22. Verfassungszusatz darf niemand für mehr als zwei Amtszeiten gewählt werden. Trump wäre im Falle eines Wahlerfolges im November 2024 fast automatisch eine lame duck. Ein entscheidender Vorteil also für DeSantis und für alle anderen Kandidaten. Es wird eine wichtige Wahl 2024, für die USA und für die Welt. 

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