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Überwachungsaffäre - Republikaner wollen Justizminister Eric Holder stürzen

US-Justizminister Eric Holder steht in der Kritik. Schon durch die systematische Überwachung von AP-Journalisten und konservativen Gruppierungen hatte er sich unbeliebt gemacht. Während die NSA-Affäre brodelt, suchen Republikaner nach Angriffspunkten, um Holder zu stürzen

Autoreninfo

ist Autor des „Tagesspiegel“ und berichtete acht Jahre lang aus den USA. Er schrieb die Bücher: „Der neue Obama. Was von der zweiten Amtzeit zu erwarten ist“, Orell Füssli Verlag Zürich 2012. Und „Was ist mit den Amis los? Warum sie an Barack Obama hassen, was wir lieben“. Herder Verlag Freiburg 2012.

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Verkehrte Welt: Eric Holder steht plötzlich als Schurke da. Ausgerechnet die Republikaner werfen ihm Geheimnistuerei und staatliche Gängelung der Medien vor. Dabei galt der erste schwarze Justizminister der USA bisher eher als zu liberal. Er war der Musterschüler des progressiven Amerika und wurde gerne als Verkörperung erfolgreicher Minderheitenförderung präsentiert. Wenn so einer Gefahr läuft, über eine politische Affäre zu stolpern, dann wohl über einen zu laxen Umgang mit Staatsinteressen, sollte man denken.

Nun ist es anders gekommen. Holder und sein Chef Barack Obama sehen sich mit dem Vorwurf konfrontiert, sie stünden für einen zu starken Staat. Obama hatte bei seinem Amtsantritt angenommen, die Republikaner würden ihn als Weichling attackieren, dem die nötige Härte fehle, um US-Bürger mit allen Mitteln vor Anschlägen zu schützen. So gab er sich „hart“ und ordnete an, das „Leaken“ geheimer Informationen auf Grundlage der „Maßnahmen zur Terrorabwehr“ gnadenlos zu verfolgen. Beispiele dafür sind nicht nur der Wikileaks-Prozess gegen Bradley Manning oder das rigorose Vorgehen gegen Edward Snowden, der die Details des Spionageprogramms Prism der NSA offenlegte. Keinesfalls wollte sich Obama dem Vorwurf aussetzen, nachsichtiger als sein Amtsvorgänger George W. Bush zu sein.

Gegen die erwartbaren Attacken hatte sich Obama gewappnet, nicht aber gegen die Vorwürfe, die jetzt gegen ihn erhoben werden. Die Republikaner halten ihm vor, er habe ein „imperiales“ Verständnis der Präsidentschaft und nehme – wie sein Justizminister – die Rechtfertigungspflicht gegenüber Kongress, Bürgern und Medien nicht ernst. Die Konservativen wollen ausgerechnet die AP-Affäre nutzen, um Eric Holder zu stürzen und so den Machtwechsel im Weißen Haus vorzubereiten.

Die Nachrichtenagentur AP hatte 2012 über einen im Jemen geplanten und schließlich vereitelten Bombenanschlag auf ein US-Flugzeug berichtet – mit Details, die als vertraulich galten. Daraufhin leitete das Justizministerium eine Untersuchung wegen Verdachts des Geheimnisverrats ein und beschaffte sich Telefonverbindungsdaten von 20 AP-Reportern, ohne die Nachrichtenagentur darüber zu informieren. Verantwortlicher Minister: Eric Holder.

In den USA ist dieses Vorgehen nicht zwingend illegal. Die gesetzlichen Vorgaben sind vage, veraltet und sagen nichts über den Umgang mit E-Mails und Mobiltelefonen. Dennoch könnte Holder stürzen – nicht über die Affäre selbst, sondern über seine widersprüchlichen Angaben zu ihrer Aufklärung, die die Republikaner als „Lügen“ und „Vertuschungsversuche“ bezeichnen. Anfangs hatte der 62-Jährige erklärt, er sei nie persönlich mit Leak-Untersuchungen gegen Journalisten befasst gewesen. Später musste er zugeben, dass ein Dokument zur Überprüfung eines weiteren Reporters seine Unterschrift trägt. Glaubwürdigkeit sieht anders aus.

Dieser Widerspruch reiht sich in eine immer länger werdende Folge von Affären ein, mit denen die Obama-Regierung zu kämpfen hat. Dazu gehört für Republikaner – mehr noch als der NSA-Skandal – auch die verschärfte Überprüfung konservativer Gruppen durch die Steueraufsicht IRS. Die hatte beispielsweise Anträge auf Steuerbefreiung als gemeinnützige Organisation bis zu drei Jahre ohne Bescheid liegen gelassen. Stets im Fadenkreuz der Kritik: Eric Holder, der zugleich als Obamas Ausputzer die Krise managen soll.
 
Der Jurist wirkt auch nach den jüngsten Anfeindungen sanft. Lässt sich aber nicht beirren und beharrt auf seinen Überzeugungen, die in den USA als links gelten: Terroristen will Holder vor zivile Strafgerichte stellen und nicht vor Militärkommissionen; er ist für die Homo-Ehe, gegen die Todesstrafe und schreitet früh ein, wenn er die Rechte von Minderheiten bedroht sieht.

Holders Vater und seine Großeltern mütterlicherseits kamen aus Barbados in die USA. Dank Begabtenförderung konnte Holder, der im New Yorker Stadtteil Queens aufwuchs, eine herausragende High School in Manhattan besuchen und an der Columbia University Jura studieren.

Nach zwölf Jahren im Justizministerium, wo er sich der Korruptionsbekämpfung widmete, beförderte ihn der republikanische Präsident Ronald Reagan 1988 zum Richter am Obergericht des Hauptstadtbezirks DC. Bill Clinton ernannte ihn 1993 zum ersten schwarzen Staatsanwalt in Washington und 1997 zum Vize-Justizminister. Schon damals musste er seinen Kopf für den Chef hinhalten. Clinton ließ Holder die Begnadigung des Wahlkampfspenders und wegen Steuerhinterziehung angeklagten Marc Rich arrangieren. Später nannte Holder seine Rolle einen Missgriff.

Auch in der AP-Affäre versucht der Top-Jurist die Gemüter zu beruhigen, indem er Fehler eingesteht. Sein Ministerium sei „zu weit gegangen“, sagt er und verspricht ein Gesetz, das Medien besser gegen Leak-Untersuchungen schützt.

Ein Rücktritt kommt für ihn zu diesem Zeitpunkt nicht infrage, das sähe wie eine Niederlage aus. Holder ist für Obama wertvoller, wenn er die Affäre durch offensives Krisenmanagement übersteht. Erst danach darf der Justizminister gehen.

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