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Syrische Medien über die Genf-Verhandlungen - Auch ich musste Propaganda für Assad machen

Heute treffen sich die Außenminister von 20 Staaten zu einem Syrien-Sondertreffen in München. Die Verhandlungen in Genf sind bis Ende des Monats auf Eis gelegt. Dem Assad-Regime ist schon lange nicht mehr an einer diplomatischen Lösung gelegen

Autoreninfo

Riham Alkousaa ist eine syrisch-palästinensische Journalistin. 

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Im Januar 2014 war ich das letzte Mal in Syrien. Genau zu der Zeit kamen syrische Politiker zu einer zweiten Runde von Friedensgesprächen in Genf zusammen. Ich arbeitete als Redakteurin und Nachrichtensprecherin für eine lokale syrische Radiostation namens „Melody FM“.

Der Sender war eine regimefreundliche Plattform. In den Sendungen triumphierte stets das syrische Militär über die „Terroristen“. Wenn Zivilisten bombardiert wurden, wurde das ganz einfach zusammengefasst unter der Meldung: „Es sind abermals Gebiete von Terroristen gesäubert worden.“ Die Hauptnachrichtensendung musste immer dem Chefredakteur vorgelegt werden. Er strich dann die Nachrichten, die er als „politisch unangemessen“ empfand.

Ich hatte die Aufgabe, Bewohner in Damaskus zu befragen, wie sie über die Verhandlungen von Genf dachten und was sie sich davon erhofften. Damals träumte ich davon, einmal in diese Schweizer Stadt reisen zu dürfen. Genf war für mich ein Sehnsuchtsort. Ein Ort, den ich nie erreichen würde.

Stattdessen sammelte ich Stimmen, die sagten, die syrische Regierung würde als Gewinner aus den Friedensgesprächen hervorgehen. Ohnehin würde niemand auf offener Straße das Gegenteil behaupten. Und schon gar nicht im regimetreuen Radio. Selbst pessimistische Kommentare wurden zensiert. Meine Erwartungen an die Friedensgespräche waren nie hoch gewesen. Und tatsächlich: Aus den gescheiterten Verhandlungen wurde nur ein weiterer nichtssagender Eintrag auf Wikipedia.

Zwei Jahre später haben sich die Medien nicht großartig verändert. Vom syrischem Journalismus ist nur noch blanke Propaganda übrig geblieben.

Die Demokratie der Armeestiefel
 

Das konnten wir rund um die neuerlichen Annäherungsversuche in Genf sehen.

Der UN-Sondergesandte für Syrien, Staffan de Mistura, hatte die Friedensgespräche kurzfristig ausgesetzt. Regierung, Opposition und die diversen Terrorgruppen hatten sich nicht auf ein Treffen einigen können. Die nächste Genfer Gesprächsrunde soll am 25. Februar stattfinden.

Das syrische Staatsfernsehen hatte das Aussetzen der Verhandlungen regelrecht gefeiert. Einseitige Berichte wurden vermischt mit Siegesmeldungen vom Boden: Baschar al-Assad hat seit der russischen Luftintervention deutlich an Stärke gewonnen.

Für den Syrer Hasan Hasan, der sich selbst einen Politikexperten nennt, ist das ein Grund zum Jubeln. Die militärischen Erfolge der syrischen Regierung würden die Genf-Verhandlungen überflüssig machen, behauptete er beim offiziellen Nachrichtensender „Alekhbaria Alsouria“ in Damaskus: „Diese Gespräche werden in Vergessenheit geraten durch Armeestiefel, durch die Demokratie der Armeestiefel.“

In derselben Sendung spottete der libanesische Journalist Samar Alhaj über syrische Oppositionelle. Wenn deren Unterstützerländer ihnen erst einmal den Geldhahn zudrehten, müssten sie in Genfer Hotels Toiletten putzen gehen. Dieser Umgangston zeigt, wie das syrische Regime tatsächlich über die Genfer Friedensgespräche denkt.

Seit dem Beginn der syrischen Revolution ist man von den Assad-Medien nichts anderes gewohnt. 2011 etwa leugnete ein Nachrichtensprecher im Staatsfernsehen, dass es sich bei den Dutzenden von Syrern, die in Damaskus gegen das Regime demonstriert hatten, um Protestanten gehandelt habe. Stattdessen seien es fromme Menschen gewesen, die Allah für den Regen gedankt hätten. Viel mehr kann man die eigene Bevölkerung nicht für dumm verkaufen.

Zur gleichen Zeit begann der Pro-Regime-Sender „Sama TV“ eine Attacke gegen unabhängige Medien, die über die syrische Revolution berichteten. In einer täglichen Sendereihe warfen die Macher der freien Presse vor, Lügen und Verschwörungstheorien zu verbreiten. Zuletzt behauptete „Sama TV“, arabische und internationale Berichte über die Hungerkrise in Madaja seien manipuliert worden. Demnach seien die Bewohner nicht von der syrischen Armee ausgehungert worden, die internationalen Lebensmittellieferungen hätten ausgereicht. Beides ist gelogen.

Auch ausländische Medien verbreiten Propaganda. Russia Today etwa veröffentlichte ein Video eines syrischen Soldaten mit seiner Braut in Homs. Er kniet mit einem Blumenstrauß vor ihr, im Hintergrund sind die Ruinen der Stadt zu sehen. Der Subtext: Das Leben in Syrien geht dort weiter, wo Baschar al-Assad regiert.

Die Hyänen der Welt
 

Aber auch auf Seiten der Opposition gibt es fragwürdige Berichterstatter.

So ließ sich der syrische „Al Jazeera“-Journalist Faisal al Qassem auf seinem privaten Twitter-Account zu einem antiwestlichen und antiisraelischen Kommentar hinreißen: „Die Hyänen der Welt, Amerika, Russland und Israel, helfen niemandem außer denen, die ihren Zwecken dienen. Und derjenige, der ihren Zwecken in Syrien derzeit am meisten dient, ist Assad.“

Al Qassem sagte jüngst in seiner Sendung „Die andere Richtung“ auf „Al Jazeera“, dass Regime missbrauche syrische Kurden als „Toilettenpapier“. In der gleichen Folge warf er einen Gast raus, der angeblich „pro Assad“ war. „Er hat nicht auf die Fragen des anderen Gastes geantwortet“, sagte al Qassem dazu.

Zwischen beiden Parteien herrschen Misstrauen und regelrechter Hass. Ich frage mich, wie wir auf Friedensgespräche hoffen sollen, wenn Journalisten beider Seiten weder objektiv noch professionell berichten können.

Ja: Ich kenne den Unterschied zwischen Propaganda und professionellem Journalismus. Ich habe das in der Hochschule gelernt. In Syrien fühlte ich mich immer eingesperrt. Erst heute, da ich mein Land verlassen habe, kann ich offen über meine Erfahrungen sprechen.

Kennen andere syrische Journalisten den Unterschied? Ich denke schon. Können sie es ändern? Und: Wollen sie es überhaupt? Da bin ich mir nicht sicher.

Heute, zwei Jahre nach meinen einseitigen Berichten über die damaligen Friedensgespräche, könnte ich problemlos nach Genf reisen. Knapp zwei Stunden dauert der Flug von Berlin. Ich bin frei. Ich könnte unabhängig berichten.

Aber die Stadt reizt mich nicht mehr. Sie hat mir nur Enttäuschungen gebracht.

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