Robert F. Kennedy jr. - Der Unwägbare

Wird er vor allem Biden schaden oder eher Trump? Die Kandidatur von Robert F. Kennedy junior, den man vor allem im liberalen Spektrum zunächst als „Freak“ abgetan hat, wird im US-Präsidentschaftswahlkampf inzwischen von beiden Parteien als potenzielle Gefahr wahrgenommen.

Robert F. Kennedy jr. (r.) mit Running Mate Nicole Shanahan / dpa
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Ronald D. Gerste ist Historiker, Publizist und Augenarzt. Er lebt in der Nähe von Washington, D.C.

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Das Wortspiel sei erlaubt: Die Stimme könnte ein Hindernis werden beim Kampf um Stimmen. Nach regelmäßigen kurzen Schnipseln von seinen Wahlkampfauftritten in den Fernsehnachrichten hat CNN in der vergangenen Woche zur besten Sendezeit Robert F. Kennedy junior ausführlich Gelegenheit zur Darstellung seiner Positionen gegeben – kaum unterbrochen von der anchorwoman, was an sich schon ein erfreuliches Ereignis war.

Dem Kandidaten, der zunächst, wie in seiner Familie Tradition, bei den Demokraten antrat, sich nun aber als Unabhängiger um die Präsidentschaft bewirbt, zuzuhören, dürfte für zahlreiche Zuhörer fast schmerzhaft gewesen sein. RFK jr. – wie er weithin genannt wird – leidet an spasmodischer Dysphonie, einer Kehlkopferkrankung, die ihm bei Sprechen erkennbar große Schwierigkeiten bereitet und seine Stimme brüchig und krächzend klingen lässt. Man neigt dazu, mit ihm zu fühlen, wenn er sich zu artikulieren sucht. Kaum vorstellbar ist – sollte er zum 47. Präsidenten der USA gewählt werden – auf diese Weise eine State of the Union Address vor beiden Häusern des Kongresses zu halten. Angesichts des in der aktuellen amerikanischen Politik oft recht rohen Umgangs mit dem politischen Gegner würde der Spott wahrscheinlich die Hürden des sonst so oft beschworenen Respekts für chronisch Kranke spielend überwinden.

Und politische Gegner sind für Robert F. Kennedy inzwischen beide politischen Lager. Er trägt einen der ganz großen Namen der Demokratischen Partei: RFK jr. ist das dritte von insgesamt elf Kindern seines gleichnamigen Vaters, der unter seinem Bruder John F. Kennedy Justizminister der USA und danach Senator für den Bundesstaat New York war. Der Junior war 14 Jahre alt, als sein Vater im Juni 1968 ebenso wie fünf Jahre zuvor sein Onkel einem Attentat zum Opfer fiel. Der heute 70-Jährige hatte eine lange berufliche Karriere als Anwalt, vor allem für Umweltfragen, die ebenso wechselhaft war wie sein Privatleben. Ein höheres politisches Amt hatte er bislang nicht inne; Barack Obama soll ihn angeblich als Umweltminister erwogen haben, wovon ihm sein Team aufgrund mehrerer Verurteilungen Kennedys wegen Drogenbesitz in jüngeren Jahren abgeraten haben soll.

Kennedy zieht seit langem gegen Impfungen zu Felde

Dass Kennedy in nationalen Umfragen derzeit mal bei 13, mal bei 18 Prozent liegt, mag angesichts der Tatsache erstaunen, dass der Kandidat auf vielen Politikfelder mit den Eliten und vor allem den Mainstreammedien über Kreuz liegt – wenn dies nicht gerade exakt der Grund für seine Popularität bei zahlreichen Amerikanern ist. Er war äußerst kritisch gegenüber den Coronamaßnahmen und den Erklärungen zum Ursprung der Pandemie, beklagt (nicht zu unrecht) eine „Erosion der Mittelklasse“ und steht erkennbar für ein geringeres internationales Engagement der USA, was von Kritikern gern und in Gebrauch eines Begriffes aus den 1930er und frühen 1940er Jahren als „Isolationismus“ verurteilt wird.

Seine Begeisterung für die Sache der Ukraine hält sich in Grenzen; Hauptansatzpunkt der vor allem von den Medien verbreiteten Kritik an ihm ist seine Agitation als „Anti-Waxxer“: Kennedy zieht seit langem gegen einige in der Gesundheitsfürsorge etablierte Impfungen zu Felde; dass er diese Aversion praktisch gleitend auf die gänzlich neue bei der Impfung gegen Covid-19 angewandte mRNA-Technologie übertrug, machte ihn in den Augen der Leitmedien zu einem „Verschwörungstheoretiker“. Seine Kritik an Medienliebling Anthony Fauci tat ein Übriges, um ihn als „Freak“ abstempeln zu können. Allerdings: Ein nicht unbeträchtliches Bevölkerungssegment fühlt seine Einstellung durch ihn artikuliert.

 

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Ein Coup gelang seinem Wahlkampfteam, als es während der Super Bowl Anfang Februar einen TV-Spot platzieren konnte, der in Stil und Vertonung dem Wahlkampf seine Onkels entsprungen schien und für einige Momente den damaligen Glanz von „Camelot“ in den bissigen amerikanischen Wahlkampf der Gegenwart brachte. Der Aufschrei der Empörung über diese Anleihe war groß; auch bei einigen seiner Geschwister, die sich von seinem Wahlkampf distanziert haben. Verantwortlich für den Spot war die 38-jährige Anwältin und Silicon-Valley-Investorin Nicole Shanahan, die Kennedy jüngst zu seiner running mate, seiner Vizepräsidentschaftskandidatin, machte.

Vor allem Demokraten scheinen Kennedy vielerorts blocken zu wollen

Kennedy und Shanahan sprechen ein Wählerpotenzial an, das von den etablierten Parteien enttäuscht ist – und von den beiden alten Spitzenkandidaten, die den 70-jährigen RFK jr, ungeachtet seiner Sprachbehinderung fast jugendlich wirken lassen. Zur Zeit ist es weniger die Frage, wie viele Amerikaner ihn wählen könnten, sondern wie viele ihn wählen dürfen: In den meisten Bundesstaaten braucht es eine gewisse Zahl verifizierbarer Unterschriften, um auf dem Stimmzettel stehen zu dürfen – ballott access. Die Regeln für die Zulassung unterscheiden sich von Bundesstaat zu Bundesstaat; vor allem Demokraten scheinen Kennedy vielerorts blocken zu wollen, was das Magazin Politico veranlasste, von „ballott access wars“ zu sprechen. 

Kennedy hat Präsident Joe Biden als eine größere Gefahr für die Demokratie bezeichnet als Donald Trump. Im hart umkämpften und 2020 von Biden denkbar knapp gewonnenen Georgia beispielsweise liegt RFK jr. bei 6 Prozent – keine gute Nachricht für Biden. Kennedy könnte sich – Spielverderber oder nicht – indes um eben diese amerikanische Demokratie verdient machen, indem er jüngere und angesichts der beiden sehr alten Rivalen frustrierte Wähler dazu bringt, am wichtigsten politischen Willensbildungsprozess auf der Welt im Jahr 2024 teilzuhaben.

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