Nordkorea und Russland - Waffen und Weizen

Nordkoreas „Oberster Führer“ Kim Jong-un ist für ein Treffen mit Wladimir Putin nach Russland gereist. Ein nahender Waffendeal sorgt international für Empörung – auch weil er für die zwei beteiligten Staaten ein gutes Geschäft bedeutet. 

Putin und Kim betrachten eine Startrampe am ostrussischen Raumhafen Vostochny / dpa
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Felix Lill ist als Journalist und Autor spezialisiert auf Ostasien.

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Wie alte Freunde standen sie da: Kim Jong-un, Diktator Nordkoreas, und Wladimir Putin, autoritärer Präsident Russlands. Am ostrussischen Raumhafen Vostochny schüttelten sie herzlich Hände, machten einander große Zusicherungen. „Beziehungen mit Russland sind die oberste Priorität für Pjöngjang“, erklärte Kim, nachdem er 20 Stunden in seinem abgesicherten Spezialzug ins nördliche Nachbarland gereist war. Dort verkündete Putin dann, mit Kim werde er „alle Themen“ besprechen.  

Eine offizielle, detaillierte Stellungnahme aus Russland und Nordkorea wird es wohl nicht dazu geben, was diese Tage in Russland besprochen worden ist. Ein Ausbleiben einer solchen Erklärung gälte aber quasi als Bestätigung dessen, was in den USA und Südkorea seit vergangener Woche vermutet wird: Nordkorea und Russland schließen einen Waffendeal ab, um Russlands mäßig erfolgreichen Krieg in der Ukraine zu finanzieren und zugleich die darniederliegende Volkswirtschaft Nordkoreas zu stärken.  

Bereits seit rund einem Jahr wollen die USA wissen, dass Nordkoreas den russischen Angriff auf die Ukraine militärisch unterstützt, was Nordkoreas Hauptstadt Pjöngjang aber dementiert hat. UN-Sanktionen gegenüber Nordkorea, die 2017 auch Russland mittrug, verbieten Waffendeals. „Wir werden nicht zögern, neue Sanktionen aufzuerlegen“, mahnte nun Matthew Miller, Sprecher des amerikanischen Außenministeriums, mit Blick auf Russland und Nordkorea. Yoon Suk-yeol, Präsident Südkoreas, hat ebenfalls vor entsprechenden Waffenlieferungen gewarnt.  

Nordkorea produziert Waffen in großen Mengen

Dabei können beide international sanktionierte Staaten – Russland wie Nordkorea – gerade jetzt von einem Deal profitieren, wie mehrere Beobachter betonen. „Russland könnte eine größere Zahl Granaten der Kaliber 122 und 152 Millimeter oder Teile der sowjetischen Panzer T-52 und T-62 kaufen“, sagt Vladimir Tikhonov, Professor für Koreanistik an der Universität Oslo und Experte sowohl für Nordkorea als auch die Sowjetunion. „Nordkorea produziert all diese Dinge in großen Mengen.“ In Russland wiederum fehlen sie derzeit akut im Krieg gegen die Ukraine.  

Tikhonov betont, dass über die abzunehmenden Mengen und die Preise nur spekuliert werden könne. Allerdings gebe es Anhaltspunkte: „Eine Artilleriegranate kostet auf dem EU-Markt um die 2000 Euro. Wir können davon ausgehen, dass die Preise bei einem Deal zwischen Russland und Nordkorea vergleichbar sind, wenn auch etwas niedriger.“ Bei 100.000 Granaten würde Nordkorea dann 200 Millionen Euro einnehmen. „Nordkoreas Gesamtexporte im Jahr 2022 lagen bei rund 304 Millionen US-Dollar. Es wäre also ein großes Geschäft für Nordkorea.“  

 

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Kim Jong-un könnte sich zudem erhoffen, russische Unterstützung beim Aufbau seiner U-Bootflotte zu sichern. „Nordkorea wünscht sich wohl, Atom-U-Boote zu haben“, so Tikhonov. Zwar wurde erst vergangene Woche ein solches präsentiert. Allerdings sollen nun möglichst viele der 64 bis 86 U-Boote, über die Nordkorea laut dem amerikanischen Thinktank Nuclear Threat Initiative verfügt, entsprechend aufgerüstet werden. Solche U-Boote könnten die amerikanische Küste erreichen, ohne auftanken zu müssen.  

Nordkoreas Volkswirtschaft leidet seit Jahren unter den UN-Sanktionen

Auch Hilfe bei Satellitentechnologie ist wohl auf Pjöngjangs Wunschliste. In den vergangenen Wochen hat Nordkorea zweimal versucht, einen Satelliten in die Erdumlaufbahn zu bringen, ist allerdings dabei gescheitert. Verfeindete Staaten wie Südkorea oder die USA fürchten, dass es sich beim Satellitenvorhaben um ein Spionageprojekt handelt. Dass das Aufeinandertreffen in Russland nun demonstrativ auf einem Raumhafen begonnen hat, deutet an: Russland und Nordkorea wollen in dieser Sache zusammenarbeiten. 

Und wohl nicht nur hier. „Falls ein Deal landwirtschaftliche Güter und Lebensmittel beinhaltet, wird das Leiden der Bevölkerung in Nordkorea gemindert“, fügt Park Sangin hinzu, Wirtschaftsprofessor an der Seoul National University. „Dies gäbe Nordkoreas Führung Raum zum Durchatmen.“ Schließlich leidet Nordkoreas Volkswirtschaft seit Jahren unter den UN-Sanktionen. Mit der Pandemie wurden auch die Grenzen zu den wohlgesonnenen Nachbarn China und Russland geschlossen und erst vor kurzem wieder geöffnet. Die Ernährungslage im Land ist laut UN-Informationen höchst angespannt. 

Aus der Sicht von Russlands Präsident Wladimir Putin spielt in einem Deal mit Nordkorea offenbar eine weitere Erwägung eine Rolle. „Es sieht so aus, als würde Russland diese Option nutzen, um Südkorea davon abzuhalten, Waffen an die Ukraine zu liefern“, so Park. Die Rhetorik, mit der Südkoreas Präsident Yoon dieser Tage reagiert hat, deutet allerdings nicht darauf hin, dass Südkorea so schnell zurückstecken würde. Gegenüber Putin mahnte Yoon: „Jeder Versuch militärischer Kooperation mit Nordkorea, der internationalen Frieden unterminiert, muss unmittelbar gestoppt werden.“ 

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