Klimagipfel beendet - Das Desaster von Dubai

Laut Beschluss des Klimagipfels werden „unterschiedliche nationale Gegebenheiten, Wege und Ansätze“ beim Erreichen des Ziels berücksichtigt, also beim Ausstieg aus fossiler Energie. Mit anderen Worten: Jeder kann am Ende machen, was er will.

Sultan al-Dschaber, Präsident der COP28, umarmt Simon Stiell, Exekutivsekretär des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC), nach seiner Rede / dpa
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Mathias Brodkorb ist Cicero-Autor und war Kultus- und Finanzminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Er gehört der SPD an.

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Schon bevor die Weltklimakonferenz von Dubai (COP28) überhaupt begonnen hatte, prognostizierte Cicero in der Sache deren Scheitern: „Auf der Klimakonferenz in Dubai wird man kurz vor Weihnachten zur Bemäntelung der Aussichtslosigkeit des Unterfangens gewiss wieder eine diplomatische Sprachregelung ersinnen.“ Und genau so ist es nun auch gekommen.

Vor ein paar Tagen stand dabei sogar noch ein offizielles Scheitern der Konferenz im Raum. Von einer „Enttäuschung“ über den Verhandlungsstand sprach Deutschlands Außenministerin Baerbock. Der Grund? Insbesondere ölfördernde Staaten wollten keinem Beschluss zustimmen, der einen definitiven Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energieträger bedeutet hätte.

Aber dann gab es heute die Wende, es wurde ein Kompromiss gefunden. Baerbock, die noch vor wenigen Tagen völlig zerknirscht schien, sprach gar von „Freudentränen“. Die Konferenz habe schließlich gezeigt, dass „wir gemeinsam stärker sind“.

Dabei ist das, was Baerbocks Freudentränen verursacht hat, doch bloß wieder ein wirkungsloser Formelkompromiss. Als zentraler Durchbruch gilt es nun, dass alle Konferenzteilnehmer die „Abkehr von fossilen Brennstoffen in Energiesystemen“ (transitioning away from fossil fuels in energy systems) beschlossen hätten. Wenn das wirklich ernst gemeint wäre und Wirkung entfalten sollte, müsste man freilich zwei weitere Dinge tun.

Man müsste erstens ebenso festlegen, bis wann der Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energien vonstatten gehen soll, und zweitens, welcher Staat hierzu welchen konkreten Beitrag zu leisten hat. Aber es wurde nicht nur weder das eine noch das andere festgelegt. Stattdessen sieht der Beschlusstext ausdrücklich relativierend vor, dass „unterschiedliche nationale Gegebenheiten, Wege und Ansätze“ (different national circumstances, pathways and approaches) bei der Zielerreichung zu berücksichtigen seien. Mit anderen Worten: Jeder kann am Ende machen, was er will.
 

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Alle Klima-Diplomaten der Welt versicherten sich damit zwar wieder einmal gegenseitig abstrakter Versprechen, aber da es weder konkrete Vereinbarungen noch Sanktionsmöglichkeiten gibt, gilt in Sachen Weltenrettung weiterhin der Grundsatz: „Hannemann, geh du voran! Du hast die größten Stiefel an, dass dich das Tier nicht beißen kann.“ Es ist genauso, wie wenn die Grünen im Inland gegen den vielen Flugverkehr wettern und dann zum Urlaub selbst in den Flieger steigen. Irgendwer wird stattdessen schon verzichten!

Anstieg der Welttemperatur

Dass das keine böse Unterstellung ist, sondern alle Beteiligten um die desaströse Wirklichkeit wissen, geht aus den Beschlüssen der Konferenz selbst hervor. Bekanntermaßen wurde mit dem Pariser Abkommen im Jahre 2015 festgelegt, Maßnahmen zu ergreifen, um einen Anstieg der Welttemperatur um mehr als 1,5 Grad Celsius zu verhindern. Was seitdem erreicht wurde, darf als desaströs gelten:

  • Die Emissionen wurden seit dem Pariser Abkommen weltweit nicht verringert, sondern weiter erhöht. 
  • Derzeit ist auch deshalb eher mit einem Anstieg der Temperatur um 2,1 bis 2,8 Grad Celsius zu rechnen. 
  • Dies ist aber nur dann realistisch, wenn alle Länder die Programme zur CO2-Reduktion konsequent umsetzen, die sie sich selbst auferlegt haben. Das allerdings trifft laut Feststellung der Konferenz nicht einmal auf die Industrieländer zu. Heißt: Damit ist sogar ein Temperaturanstieg auf mehr als 3 Grad Celsius wahrscheinlich.
  • Um das 1,5 Grad-Ziel überhaupt noch zu erreichen, müssten die weltweiten Treibhausgas-Emissionen „um 43 Prozent bis 2030 und um 60 Prozent bis 2035“ reduziert werden - im Verhältnis zum Basisjahr 2019.Während derzeit die Emissionen also weiter fröhlich steigen, sollen sie sich trotzdem binnen zehn Jahren weltweit halbieren.

Dabei hätte nicht einmal all das, was die Ampel-Regierung in Sachen Klimaschutz ursprünglich vorhatte und was teils auf größten Widerstand bei den Wählern gestoßen ist, auch nur annähernd ausgereicht, um den nationalen Ausstoß an CO2-Äquivalenten binnen zehn Jahren zu halbieren. Es bleibt daher völlig schleierhaft, wie etwas auf der ganzen Welt funktionieren soll, was nicht einmal eine reiche Industrienation auf die Kette kriegt.

Jeder vernünftige Mensch müsste sich angesichts dieser verheerenden Bilanz eigentlich von den ursprünglich gesteckten Zielen verabschieden. Einst war das 1,5 Grad-Ziel bloß naiv. An ihm aber noch heute angesichts all dieser Tatsachen festzuhalten, nähert das ursprünglich bloß naive Ziel einer handfesten politischen Lüge an. Das System ist einfach zu komplex, es gibt zu viele Akteure und zu viele Interessen, als dass es mit den 1,5 Grad Celsius noch etwas werden könnte.

100.000 Teilnehmer aus 200 Staaten

Aber was tut die Weltklimakonferenz, was tun die politischen Entscheider? Sie gestehen sich zwar ein, dass man trotz Pariser Abkommens aus dem Jahr 2015 noch immer „nicht auf dem richtigen Weg“ (are not yet collectively on track) sei, wollen  aber „die Anstrengungen zur Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau“ unbeirrt fortsetzen. Auf den griechischen Tragödiendichter Aischylos geht die Sentenz zurück, dass der Mensch nur durch Leid wirklich lerne. Unsere Klima-Diplomaten werkeln daran, selbst noch diese Lebensweisheit außer Kraft zu setzen.

Dabei gibt es einen guten Grund dafür, warum auch Annalena Baerbock an der Fama festhält, die 28. Klimakonferenz mit fast 100.000 Teilnehmern aus rund 200 Staaten wäre ein Erfolg gewesen. Es ist sogar ein doppelter Grund. Der eine ist politisch. Die Rettung der Welt war einst und die Rettung des Weltklimas ist heute der Kern des grünen Programms. Sollte sich herausstellen, dass diese Rettung unerreichbar ist, löst sich der Bedarf an einer grünen Partei in Luft auf. Baerbock und ihre Grünen müssen in Sachen Klimarettung trotz aller Misserfolge unbeirrt Optimismus versprühen, um der eigenen politischen Bewegung nicht den Lebenssaft auszulutschen.

Der andere ist persönlich. Baerbock vertrat auf der Konferenz nicht nur Deutschland, sondern verhandelte für alle EU-Staaten. Auf der COP28 war sie erstmals angekommen in ihrer Lieblingswelt der Klima-Außenpolitik. Ein Scheitern der Konferenz wäre zugleich ihr persönliches Scheitern gewesen. Da darf und muss man nach all der Anstrengung auch mal von sich selbst ergriffen sein.

Tragödie des Aischylos

Dabei wirkt es wie der Akt aus einer Tragödie des Aischylos, dass nahezu zeitgleich zur Verkündigung der Freudentränen durch Baerbock Bundeskanzler Scholz, Bundesfinanzminister Lindner und Klimaminister Habeck vor die Presse traten, um das Ende des aktuellen Haushaltsstreits zu verkünden.

17 Mrd. Euro müssen im Haushalt 2024 eingespart werden. Das Ergebnis: Die SPD gewinnt, weil es im Grunde nicht zu Kürzungen im Sozialbereich kommt. Die FDP gewinnt, weil die Schuldenbremse nicht aufgeweicht wird. Und die Grünen? Rund 70 Prozent aller erforderlichen Einsparungen werden bei Klimaschutzmaßnahmen realisiert. Allein bis 2027 summieren sich diese auf 45 Mrd. Euro. Am 1,5 Grad-Ziel aber halten auch die Chefverhandler der Ampel offiziell fest.
 

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