Irans Rolle im Gazakrieg - Rote Linien

Der Iran hat sich bisher nicht aktiv in das Geschehen im Gazastreifen eingemischt. Doch in solchen Situationen braucht es nicht viel, damit sorgfältig dosierte Drohungen zu einer indirekten Konfrontation führen.

Ebrahim Raisi, Präsident des Iran, während eines Interviews mit dem Fernsehsender Al-Dschasira / dpa
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Autoreninfo

Caroline D. Rose ist leitende Analystin beim Thinktank Newlines Institute for Strategy and Policy in Washington. Zuvor war sie Analystin bei Geopolitical Futures.

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Der Beitrag des Iran zum Konflikt im Gazastreifen bestand bisher größtenteils in einem Krieg der Worte. Der iranische Außenminister erklärte bereits am 15. Oktober, dass sich der Konflikt auf mehrere Fronten ausweiten könnte. Irans Oberster Führer Ali Khamenei warnte, man könne nicht erwarten, dass sein Land sich zurückhalte, wenn die israelischen Angriffe fortgesetzt würden. Und der stellvertretende Kommandeur des Korps der Islamischen Revolutionsgarden ließ verlauten, die vom Iran unterstützten Milizen in Syrien, im Jemen, im Libanon und im Irak seien bereit zuzuschlagen, wenn Israel im Gazastreifen zu weit gehe. 

Milizen entlang der syrisch-irakischen Grenze

Ein Eingreifen des Iran würde zweifellos eine dramatische Eskalation des Konflikts bedeuten. Doch unklar ist, wo genau Irans rote Linie verläuft. Und angesichts der hohen Kosten einer direkten Intervention gegen Israel – und in diesem Fall einer unvermeidlichen Konfrontation mit den Vereinigten Staaten – ist es auch ungewiss, ob der Iran seine Drohungen wahr machen würde. Aber es ist klar, dass der Iran bereit ist, den Druck zu erhöhen, wenn es aus Sicht Teherans nötig ist.

2014 marschierten die US-Streitkräfte (erneut) in den Irak ein und stationierten zum ersten Mal Kräfte in Syrien, um gegen den „Islamischen Staat“ (IS) vorzugehen, der in der gesamten Region rasch seine territoriale Kontrolle festigte. Der Kampf gegen den IS zersplitterte die Terrororganisation und schwächte ihre Fähigkeit, groß angelegte Angriffe zu verüben – führte aber auch zu einer verstärkten Präsenz der vom Iran unterstützten Milizen, die im Irak selbst und entlang der syrisch-irakischen Grenze stärker Fuß fassen konnten. (Der Iran setzt seit langem Milizen als Stellvertreter in der gesamten Region ein, um seinen sicherheitspolitischen Einfluss in den Nachbarländern auszuweiten, Beziehungen in der Region aufzubauen und Gegner wie Saudi-Arabien, die USA und Israel unter Druck zu setzen.)

 

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Dies zwang die USA, ihre Ziele im Nahen Osten zu überdenken, um sicherzustellen, dass ihre Präsenz im Irak und in Syrien auch als Abschreckung für iranische Ambitionen dienen konnte. Der Wettstreit um die Erreichung der jeweiligen Ziele führte erwartungsgemäß zu einem vorsichtigen diplomatischen Austausch von Drohungen und zu gegenseitigen Angriffen auf Sicherheitskräfte. In den letzten Jahren kam es mehrfach zu solchen Raketenangriffen, wobei der Iran auf Verteidigungsanlagen zielte, aber im Allgemeinen die Tötung von US-Personal vermied, um die Dinge nicht über den „Point of no Return“ hinaus zu eskalieren.

Dies änderte sich jedoch im Januar 2020, als die Vereinigten Staaten den Revolutionsgarden-Befehlshaber Qassem Soleimani töteten, einen der wichtigsten Architekten der iranischen Stellvertreterstrategie. Der Iran reagierte mit zwölf direkten Raketenangriffen auf stationierte US-Truppen; auf den Luftwaffenstützpunkt Al-Asad im Westirak und auf den Luftwaffenstützpunkt in Erbil, der Hauptstadt von Irakisch-Kurdistan. 110 Menschen kamen ums Leben. 

Falls die Abschreckung nicht funktioniert

Diese Entwicklung veranlasste Washington, im Laufe des Frühjahrs und Sommers Streitkräfte zu verlagern, die US-Stellungen vor allem in Erbil, Bagdad und einigen anderen strategischen Posten im Irak zu konsolidieren, das Personal auf 2.500 Mann zu reduzieren und das Mandat der Operation „Inherent Resolve“ von einer Kampf- zu einer Beratungsrolle herabzustufen. In der Zwischenzeit reduzierten die US-Streitkräfte die Anzahl ihrer Stützpunkte im Nordosten Syriens und verringerten ihre Präsenz auf 900 Mitarbeiter, um sich stattdessen auf Partner wie die „Syrischen Demokratischen Kräfte“ zu verlassen. Dennoch führten die US-Streitkräfte weiterhin gelegentlich verhältnismäßige Schläge gegen mit dem Iran verbündete Milizen durch.

Da den USA bewusst war, dass die Situation im Gazastreifen eskalieren könnte – und dass in diesem Fall mit ziemlicher Sicherheit der Iran involviert sein würde –, schickten sie eine Vielzahl von Einheiten in die Region, darunter 2.000 Marinesoldaten, zwei Flugzeugträger und mehrere Kriegsschiffe. Der Gedanke dahinter war, den Iran davon abzuhalten, beispielsweise die Hisbollah für groß angelegte Angriffe im Norden Israels zu mobilisieren, und Mittel bereitzuhalten, falls die Abschreckung nicht funktioniert.

Eine klare Botschaft

Der Iran hat sich bisher noch nicht aktiv in das derzeitige Geschehen eingemischt, aber wie bei früheren US-Einsätzen hat Teheran signalisiert, dass man nicht ignoriert werden will. Die vom Iran unterstützten Houthi-Rebellen im Jemen haben drei ballistische Marschflugkörper und Drohnen im Roten Meer gestartet, die von einem US-Zerstörer abgefangen wurden. (Die USA erklärten, dass sie gegen Israel gerichtet gewesen sein könnten.) 

Im Irak wurden die auf dem Luftwaffenstützpunkt Ain al-Asad, dem Luftwaffenstützpunkt Al-Harir, dem internationalen Flughafen von Bagdad und anderswo stationierten US-Streitkräfte Ziel von Drohnen- und Raketenangriffen. In Syrien wurden die auf dem Stützpunkt Al-Tanf stationierten US-Streitkräfte in ähnlicher Weise angegriffen.

Keiner der Angriffe hatte mehr als leichte Verletzungen zur Folge, aber sie vermittelten die klare Botschaft, dass der Iran sein Bestes tun würde, um es den USA so unangenehm wie möglich zu machen, sollten sie ihre Präsenz in der Region ausbauen wollen. In solchen Situationen braucht es nicht viel, damit sorgfältig dosierte Drohungen zu einer indirekten Konfrontation führen.

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