Historische Absurdität - Israel bietet Deutschland effiziente Verteidigungswaffen an

Israel und Deutschland haben ein grundsätzlich unterschiedliches Verhältnis zum Militärischen. Heißt es hierzulande „Nie wieder Krieg“, ist sich der jüdische Staat der Notwendigkeit robuster Verteidigung bewusst. Dennoch hat die Bundesrepublik immer zuverlässig Waffen an Israel geliefert. Angesichts der schwindenden Verteidigungsfähigkeit Deutschlands scheint sich das Verhältnis jetzt allerdings umzukehren: Berlin will das israelische Raketenabwehrsystem Arrow kaufen.

Start einer Abwehrrakete des Systems „Arrow 3“ in Israel / dpa
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Autoreninfo

Rafael Seligmann, Jahrgang 1947, ist Historiker, Journalist und Schriftsteller. Er lehrte an der Ludwig-Maximilian-Universität Strategie und Sicherheitspolitik. In Kürze erscheint sein Buch „Brandstifter und Mitläufer. Hitler, Putin, Trump“ im Verlag Herder.

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Der Krieg als Vater aller Dinge ist auch verantwortlich für ein historisches Paradoxon im pathologischen deutsch-jüdisch-israelischen Dreieck. Die Deutschen, deren Heere während der Herrschaft des „großen Diktators“ Adolf Hitler die Erfinder des Blitzkriegs waren und in ganz Europa Furcht und Schrecken verbreiteten, schlottern heute vor Angst, wenn der kleine Diktator Wladimir Putin oder seine Lakaien mit der Einsatzmöglichkeit taktischer Atomwaffen drohen. In ihrer „German Angst“ suchen sie Schutz vor Krieg und Zerstörung ausgerechnet bei den Nachkommen der Juden, deren Vorfahren sie in der Schoa (1941–45) millionenfach systematisch ermordeten. Damals fanden die Nazis in ganz Europa willige Helfer – speziell in Ländern, die von Wehrmacht, SS und Gestapo besetzt waren und die darob von der einheimischen Bevölkerung gehasst wurden. Doch der antisemitische Hass, die Mordlust, die Gier nach jüdischem Besitz wogen noch mehr als die Feindschaft gegen die Deutschen. So wurden Millionen Juden von Bürgern okkupierter Staaten und deren Behörden an Himmlers Mordapparat ausgeliefert. Ja, es bestanden gar aktive einheimische Helfertruppen der SS im besetzten Osteuropa, speziell in Russland und der Ukraine. Doch die Nazi-Mordmaschine fand auch passive Unterstützer außerhalb des deutschen Machtbereichs.

Großbritannien hielt sich viel darauf zugute, Hitlers Wehrmacht widerstanden und eine Invasion der Insel abgewehrt zu haben. Zugleich aber hinderten die Briten hunderttausende europäische Juden daran, sich nach Palästina zu retten, das der Völkerbund 1920 London als Mandat übergeben hatte, um dort eine Heimstatt für das jüdische Volk zu errichten. Auf diese Weise machten sich die Briten durch Zugangssperre zu indirekten Komplizen des Völkermords. Ähnlich den Amerikanern. Diese lehnten es ab, die Zufahrtswege in die Vernichtungslager zu bombardieren. Washington hielt an dieser Position, trotz flehentlicher Appelle jüdischer Organisationen, fest.

Die Architekten und Hauptverantwortlichen für den Judenmord aber blieben die Deutschen. Das war ihnen bewusst, und so zeigten sie sich zumindest in der demokratischen Bundesrepublik bußfertig – die DDR stahl sich als erster deutscher „Arbeiter- und Bauernstaat“ aus ihrer geschichtlichen Verantwortung –, trotz Nazis wie dem Leiter von Konrad Adenauers Kanzleramt, Hans Globke, der einst einer der juristischen Väter der antijüdischen Nürnberger Gesetze von 1935 war. Ähnliche Lebensläufe waren typisch. Dennoch übernahm die Bundesrepublik die Verantwortung für den Genozid – nicht nur verbal. So folgte dem materiellen Entschädigungsabkommen von 1952 in den folgenden Jahren insgeheim die Lieferung schwerer Waffen, beispielsweise amerikanische Panzer via Deutschland nach Israel. Das half dem jüdischen Staat, seine Kriege zu gewinnen. Israel blieb der Empfänger – finanziell wie strategisch.

Der Schlüssel ist die israelische Hightech-Industrie

Diese deutsch-israelische Balance änderte sich, von der Öffentlichkeit unbemerkt, allmählich Ende des 20. Jahrhunderts, als das kleine Hebräerland zur technologischen Großmacht und zum internationalen Rüstungsexporteur aufstieg. Während Deutschland seinen Wehretat stetig kürzte und damit beispielsweise seine Leopard-Panzertruppe nach der Wiedervereinigung in geschichtsloser Naivität fortwährend reduzierte, entwickelte Israel eigene Panzer und optimierte sie mit technischer Hilfe deutscher Rüstungsschmieden wie Rheinmetall fortwährend.

 

Das Bekenntnis Angela Merkels vor der Knesset im Jahre 2008, Israels Sicherheit sei deutsche Staatsraison, rührte ältere Israelis an, doch die für die Verteidigung des Landes zuständigen Politiker und Generäle nahmen die Worte der Bundeskanzlerin nicht allzu ernst. Denn aufgrund ihrer Mossad-Informationen, aber auch der allgemein zugänglichen Berichterstattung, war ihnen bekannt, dass Deutschlands Truppe selbst nur „bedingt einsatzbereit“ war. Wie sollte man da Israel in einem militärischen Notfall helfen? Außer mit Gasmasken oder Geld? Die Deutschen hatten sich der Gehirnwäsche ihrer Politiker ergeben und den Willen, notfalls Staat und Freiheit gewaltsam zu verteidigen, eingebüßt. Das erschreckendste Zeichen hierzu war die Aussetzung der Wehrpflicht durch CSU-Verteidigungsminister zu Guttenberg 2011. In Israel dagegen, das permanent durch Terror und Vernichtungsparolen, vor allem durch das iranische Mullah-Regime, bedroht wird, sind Frauen und Männer verpflichtet, über Jahre in den Streitkräften zu dienen. Die zuständigen Politiker sorgen dafür, dass die Armee optimal ausgerüstet ist.   

Etwa mit deutschen U-Booten von ThyssenKrupp Marine Systems, die mit israelischer Kriegstechnik zur atomaren Abschreckungswaffe ausgebaut werden. Der Schlüssel ist die israelische Hightech-Industrie. Die Armee schafft hierfür ideale Voraussetzungen, indem sie geeignete Soldaten in der Einheit 8200 zusammenfasst. Diese Truppe hat die Aufgabe, notfalls in Tagesfrist elektronische Lösungen für militärische Aufgaben anzubieten. Dieser Ansatz hat drei Vorteile:

-    Die Armee besitzt eine permanente digitale Unterstützung;
-    die Spezialisten bilden das Rückgrat der israelischen Rüstungsindustrie;
-    die in der Einheit 8200 ausgebildeten Experten sind ein begehrtes Reservoir für die zivile israelische Hightech-Industrie.

Israel hat hochwirksame Aufklärungs- und Abwehrwaffen entwickelt

Es besteht ein entscheidender Unterschied zwischen Israel und Deutschland. Aus der jüdischen Geschichte haben die Israelis gelernt, dass Wehrlosigkeit Aggressoren bis zur Vernichtung anspornt. Die Deutschen meinten, das Gegenteil aus ihrer Historie begriffen zu haben: Nie wieder Krieg! Zudem gaukelten das atomare Patt während des Kalten Krieges und die folgende Schwächeperiode Russlands der deutschen Öffentlichkeit ewigen Frieden vor, während Israel seit seiner erkämpften Unabhängigkeit 1948 ständig mit Terror und Krieg konfrontiert ist.

Ergebnis war, dass die deutschen Rüstungsschmieden sich darauf beschränken mussten, hervorragende konventionelle Waffen zu entwickeln und unter Auflagen zu exportieren. Gleichzeitig reduzierte die deutsche Politik die Anschaffung dieser Rüstungsgüter im ausreichenden Maße. An die Innovation von Waffen der nächsten Generation wagte man sich, außer in Kooperation mit Frankreich, nicht. Die Israelis dagegen sehen sich veranlasst, neben atomaren Sprengsätzen und deren Trägerraketen auch hochwirksame Aufklärungs- und Abwehrwaffen zu entwickeln und zu produzieren. Beispielsweise Heron-Drohnen, die auch angreifen können, das Iron-Dome-Verteidigungssystem gegen eindringende Flugkörper sowie gemeinsam mit amerikanischen Partnern die Arrow-Raketen-Abwehrwaffe. Versuche, bewaffnete Drohnen aus Israel zu importieren, scheiterten bislang am Einspruch friedensbewegter SPD-Politiker. Die Invasion der Ukraine durch Russland hat die meisten Verteidigungspolitiker allerdings belehrt, dass diese Aufklärungswaffe zu Verteidigungszwecken unentbehrlich ist. Ähnlich verhält es sich mit dem hocheffektiven Raketenabwehrsystem Arrow.

Durch Putins Krieg wurde Deutschland aus politischen Illusionen gerissen. Es entdeckt die Notwenigkeit von Waffensystemen, die von Israel aus der Notwendigkeit zur effizienten Verteidigung entwickelt wurden. Sie werden heute von Israel Deutschland zum Kauf angeboten.

Geschichte, speziell die deutsch-jüdisch-israelische, liebt es, Salti zu schlagen. Wenn wir die deutsche Situation nüchtern beurteilen, können wir mortale Salti verhindern.

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