
- „Hiroshima naht“
Der russische Außenminister Sergej Lawrow warnt vor dem Ausbruch eines Dritten Weltkriegs. Ein Bluff oder eine unverhohlene Drohung? Da Russland seine Kriegsziele offenkundig auf konventionellem Wege nicht erreichen kann, ist der Abwurf einer Atombombe auf Kiew eine reale Möglichkeit. Die einzige Autorität, die Putin von einem solchen Einsatz abhalten könnte, wäre die russisch-orthodoxe Kirche. Doch die gibt sich nach wie vor staatstreu.
Nein, Wladimir Putin ist kein Psychopath, sondern ein eiskalt kalkulierender Machtpolitiker, dem jedwede Skrupel zur Verfolgung seiner Ziele fremd sind und der mit einer territorialistisch-imperialen Ideologie seine großrussische Vision von Würde und Kontrolle, ohne Rücksicht auf Verluste, umzusetzen sucht. Die faktische territoriale Größe Russlands verleiht ihm und all seinen Vorgängern bis zurück in die Zarenzeit dabei ein übersteigertes Selbstbewusstsein und eine im Kontrast zur, von der Rohstoffproduktion einmal abgesehen, marginalisierten real-ökonomischen und weltpolitischen Relevanz stehende Selbstwahrnehmung. Es ist diese tief in der russischen Seele verwurzelte gefühlte territoriale Autorität der schieren Landesgröße und die daraus erwachsende historisch hegemoniale Anspruchsideologie, die ihm im Wechselspiel mit einer hochprofessionellen Propagandamaschine bei der eigenen Bevölkerung nachhaltigen Rückhalt und Unterstützung und damit auch nach außen die nötige Legitimation für Aggression und Übermut verleihen. Über diese tiefe kausale Wahrheit sollten wir uns bei der kritischen Beurteilung der Situation niemals hinwegtäuschen.
Putin ist in der Kommunikation seiner Ziele im Übrigen sehr klar und konsistent. Wir haben als westliche Demokratien, aus welchen Motiven auch immer, hier nur nicht rechtzeitig und fokussiert zugehört, beziehungsweise, wie etwa weite Teile der Führung der deutschen Sozialdemokratie bis hin zu ehemaligen und aktuellen Kanzlern oder Ministerpräsidentinnen, getreu dem Motto „Es darf nicht sein, was nicht sein soll“, nicht zuhören wollen. Ein Wladimir Putin setzt ausschließlich auf Sieg, niemals auf Platz. Letzteres verbietet schon allein der übersteigerte, territorial aufgeladene Stolz des Kremlfürsten. Die einmal gesetzten und verkündeten Ziele nicht zu erreichen, hieße, eine Niederlage einzugestehen, und diese existiert in der Welt Wladimir Putins schlicht nicht. Man muss dazu nur den Spiritus Rector der modernen russischen Außenpolitik, den langjährigen Kreml- und Putin-Berater Sergey Karaganov, in seinem bemerkenswerten Interview mit dem Corriere della Sera vom 8. April 2022 lesen, dann werden die Dinge auch für den letzten Ungläubigen klar. Einen wie auch immer gearteten Kompromiss mit Blick auf die ausgelobten Ziele wird es mit Wladimir Putin und seinem Regime nicht geben.