Iranisches Atomprogramm - Die Kriegsgefahr wächst

Israel hat in der Vergangenheit keinen Zweifel daran gelassen, dass es zu Militärschlägen bereit ist, sollte der Iran versuchen, sich atomar zu bewaffnen. Denn eine iranische Atombombe würde eine existenzielle Gefahr für Israel bedeuten. Der Region droht in den nächsten Jahren ein Krieg.

Iranische Revolutionsgarden testen Raketen im Rahmen einer Militärübung / picture alliance
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Autoreninfo

Dr. Guido Steinberg ist Islamwissenschaftler und forscht bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin u.a. zum politischen Islam und zum Terrorismus.

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Ende Januar 2023 griffen Drohnen eine Anlage des iranischen Militärs in der Stadt Isfahan an, deren genauer Zweck unbekannt ist. Schnell wurde klar, dass es sich um eine israelische Attacke handelte, denn nur die Geheimdienste des jüdischen Staates verfügen über das nötige Knowhow und Personal, das sich zum Zeitpunkt der Operation auf iranischem Territorium befunden haben muss. 

Schnell entspann sich ein regelrechter Propagandakrieg über die Frage, was für einer Einrichtung der Angriff gegolten hatte und ob er erfolgreich war. Viel wichtiger aber ist, dass die Attacke zeigte, wie sehr die Spannungen zwischen Iran und Israel steigen und dass eine militärische Eskalation bevorstehen könnte. Die Ursachen sind die Fortschritte des iranischen Atomprogramms und das Scheitern der Atomverhandlungen mit den USA, die eine militärische Auseinandersetzung in den nächsten zwei Jahren fast unvermeidlich machen dürften. 

 

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Noch im Jahr 2015 schien es so, als könnte der Griff der Islamischen Republik nach der Bombe verhindert werden. Im Juli jenes Jahres schlossen die die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates und Deutschland (P5+1) das Atomabkommen mit dem Iran. Es galt zu Recht als großer Erfolg der internationalen Diplomatie, denn zum ersten Mal war es gelungen, eine angehende Nuklearmacht auf dem Verhandlungsweg von einer Einstellung seiner Aktivitäten zu überzeugen. Der Iran verzichtete auf eine hohe Anreicherung von Uran und akzeptierte Inspektionen seiner Nuklearanlagen, die für mindestens 15 Jahre die Wiederaufnahme eines militärischen Nuklearprogramms unmöglich gemacht hätten. 

Kritiker verwiesen auf die zeitliche Begrenzung der iranischen Zugeständnisse, doch herrschte die Ansicht vor, dass zumindest viel Zeit gewonnen war, in der nach längerfristigen Lösungen gesucht werden konnte. Außerdem entschärften die Beteiligten einen lange schwelenden Konflikt und verhinderten wahrscheinlich einen Angriff Israels auf den Iran. 

Teherans Unterstützung für ausländische Milizen

Ein weiterer Kritikpunkt war, dass das Abkommen nur Nuklearfragen und nicht Teherans Unterstützung für militante Gruppen in Nachbarländern sowie das iranische Raketenprogramm zum Thema hatte. Diese Auslassung rächte sich schon 2015, als der Iran mithilfe der Hisbollah im Libanon, irakischer Schiitenmilizen und der jemenitischen Huthi-Rebellen eine große nahöstliche Offensive begann.

Besonders gefährlich waren die Geländegewinne Teherans in Syrien, wo von den Revolutionsgarden kontrollierte Milizen begannen, eine „zweite Front“ entlang der Golangrenze zu Israel zu errichten, um von dort aus – nach dem Vorbild der Hisbollah an der ersten Front im Libanon – Flugkörper abschießen zu können. Iran stattete seine Verbündeten mit ballistischen Raketen, Marschflugkörpern und Drohnen aus, mit denen diese ihre Nachbarn bedrohten oder sogar angriffen. 

In den folgenden Jahren veränderte diese Strategie das regionale Machtgleichgewicht zugunsten des Iran. Besonders deutlich wurde dies am 14. September 2019, als iranische Drohnen und Cruise-Missiles wichtige Zentren der saudi-arabischen Ölindustrie im Osten des Königreichs angriffen und die dortige Ölproduktion für Wochen auf die Hälfte verringerten. Bis 2022 folgten weitere Angriffe durch die jemenitischen Huthis auf Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Der irantreue Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah drohte sogar offen damit, die „Glasstädte“ auf der arabischen Seite des Persischen Golfs zu zerstören. Israelische Fachleute zeigten sich besorgt ob der neuen Fähigkeiten Irans und seiner Verbündeten.

Nukleare Bewaffnung

Gleichzeitig brach der Konflikt über das iranische Atomprogramm neu aus. Obwohl sich Teheran an die Bestimmungen der Übereinkunft hielt, kündigte US-Präsident Donald Trump das Abkommen im Mai 2018 einseitig auf. Ein Jahr später erklärte der iranische Präsident Rohani, dass sein Land sich nicht mehr an die Limits zur Urananreicherung halten werde. Seitdem hat der Iran die Urananreicherung weiter ausgebaut und könnte mittlerweile schon waffenfähiges Uran besitzen. 

Auch neue Verhandlungen zwischen der Regierung Biden und Teheran über eine Neuauflage des Atomabkommens konnten den Trend nicht umkehren. Die Gespräche sind mittlerweile ausgesetzt und dürften endgültig gescheitert sein. Die vermutlich einzige offene Frage bleibt, ob sich die Islamische Republik mit der Fähigkeit zum Bau einer Atombombe zufriedengibt oder ob sie rasch auf eine nukleare Bewaffnung abzielen wird. In letzterem Fall würde es höchstens zwei Jahre dauern, bis der Iran seine Raketen und Cruise-Missiles mit den ersten Sprengköpfen bestücken könnte.

Zeichen stehen auf Krieg

Verschiedene israelische Regierungen haben keinen Zweifel daran gelassen, dass sie zu Militärschlägen bereit sind, sollte der Iran versuchen, sich atomar zu bewaffnen. Dies würde bedeuten, dass in den nächsten zwei Jahren ein kleinerer oder größerer Krieg ausgefochten werden wird – der Angriff in Isfahan war ein Vorbote dessen, was da kommt. Das praktische Problem wird sein, dass der Iran seine Anreicherungsanlagen zumindest teilweise weit in den Untergrund verlegt hat und unklar ist, inwieweit Israel in der Lage ist, die bunkerartigen Anlagen zu zerstören. 

Es dürfte auf die Hilfe der USA angewiesen sein, und noch ist nicht abzusehen, wie sich die Biden-Administration oder eine Nachfolgeregierung zu einem neuen Krieg im Nahen Osten verhalten werden. Langfristig können aber auch erfolgreiche israelische oder gemeinsame israelisch-amerikanische Angriffe nicht verhindern, dass sich der Iran nuklear bewaffnet – das Knowhow ist wichtiger als die Anlagen, die nicht immer wieder entdeckt und zerstört werden können. Die Welt wird wahrscheinlich schon bald eine neue Nuklearmacht haben.

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