China-Politik des Kanzlers - FDP-Außenpolitiker zum Hafendeal: „Scholz hat sich nicht durchgesetzt“

Der Teilverkauf des Hamburger Hafens an China wäre rechtlich gar nicht zu verhindern gewesen, stellt der FDP-Außenpolitiker Ulrich Lechte im Cicero-Interview klar. Die angebliche Kompromisslösung sei daher in Wirklichkeit eine Niederlage des Kanzlers gewesen. Damit Peking nicht weiterhin deutsche Schlüsselindustrie und Infrastruktur aufkauft, müsse schleunigst das Außenwirtschaftsrecht geändert werden, fordert der Liberale.

Olaf Scholz’ Reise nach Peking wird im Ausland misstrauisch beobachtet / dpa
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Daniel Gräber leitet das Ressort Kapital bei Cicero.

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Ulrich Lechte ist außenpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion.

Herr Lechte, Bundeskanzler Olaf Scholz hat den Verkauf eines Geschäftsanteils am Hamburger Hafen an den chinesischen Staatskonzern Cosco durchgesetzt. FDP und Grüne waren dagegen. War das ein Fehler?

Wir wollen nicht, dass sich China in unsere kritische Infrastruktur einkauft, egal ob zu 24,9 Prozent oder wie ursprünglich geplant zu 35 Prozent. Die Grünen sehen das genauso, die SPD offenbar anders. Wobei sich innerhalb der Bundesregierung selbst die sozialdemokratisch geführten Fachressorts, das Innen- und das Verteidigungsministerium gegen den Cosco-Einstieg ausgesprochen haben.

Das Problem war: Nach dem derzeit geltenden Außenwirtschaftsrecht konnte die Regierung ihn gar nicht verhindern. Das wurde in der Öffentlichkeit missverständlich dargestellt. Scholz hat sich also gar nicht durchgesetzt, sondern die sechs fachlich zuständigen Minister in seinem Kabinett, die alle Bedenken hatten.

Moment. Dass die Chinesen 24,9 Prozent der Geschäftsanteile am Containerterminal Tollerort kaufen dürfen, war doch eine Kompromisslösung, die Scholz durchgeboxt hat, oder etwa nicht?

Ulrich Lechte / FDP Bayern

So wurde es kommuniziert. Scholz wollte den im September 2021 zwischen Cosco und den Hamburgern vereinbarten 35-Prozent-Einstieg erlauben. Aber das ist nicht geschehen, weil er sich im Kabinett nicht durchsetzen konnte. Die angebliche Kompromisslösung ist keine. Es sind die geltenden außenwirtschaftlichen Regeln.

Die Bundesregierung kann solche Beteiligungen nur untersagen, wenn es um mindestens 25 Prozent geht. Das heißt: Den 24,9 Prozent-Verkauf, der jetzt kommen wird, hätte sie gar nicht verhindern können. Das ist die Rechtslage, wie sie noch unter CDU-Führung beschlossen wurde. Wir als FDP setzen uns dafür ein, sie möglichst schnell zu ändern.

Wie sollen die Regeln geändert werden?

Justizminister Marco Buschmann wird dazu in Abstimmung mit dem Wirtschaftsministerium einen Vorschlag erarbeiten. Ich hoffe, dass das zügig geschieht. Um die Details müssen sich Fachjuristen kümmern. Aber natürlich muss es darum gehen, dass künftig auch Beteiligungen an kritischer Infrastruktur unterhalb der 25-Prozent-Schwelle untersagt werden können. Und es wäre gut, wenn sich nicht erst das gesamte Kabinett einig werden muss, sondern das Veto eines fachlich zuständigen Ministers ausreichen würde.

Ist das noch liberale Politik? Mit freier Marktwirtschaft hat das nicht mehr viel zu tun.

Die Zeit, in der es um „Wandel durch Handel“ ging, ist vorbei – Handelspolitik wird immer mehr zur geopolitischen Frage. Wir dürfen es nicht länger zulassen, dass das autoritär regierte China die Regeln unserer freien Marktwirtschaft, die im eigenen Land nicht gelten, nutzt, um sich bei uns einzukaufen.

Der Hamburger Hafen ist ja nur der aktuelle Fall. Gegenwärtig steht eine Beteiligung an einer Chip-Fabrik in Dortmund zur Debatte. China hat schon jetzt einen großen Anteil am weltweiten Halbleitergeschäft. Wir sollten nicht zulassen, dass er noch größer wird und die Abhängigkeit unserer heimischen Unternehmen steigt.

Die deutsche Industrie hat von der Globalisierung profitiert. Sollen wir das jetzt alles aufgeben und uns aus dem Welthandel zurückziehen? 

Nein, aber die Frage, die wir uns stellen müssen, ist doch ganz einfach: In welcher Welt wollen wir leben? In einer russisch-chinesisch dominierten oder in einer freien, demokratischen und liberalen Welt? Für mich ist die Antwort klar: Ich möchte in einer freien, demokratischen Welt leben, die die Konfrontation mit autoritären Regimen und Diktaturen nicht scheut.

 

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Natürlich verstehe ich, wenn Konzerne wie Volkswagen in China gute Geschäfte machen wollen. Das sollen sie auch. Aber es darf nicht so weit kommen, dass Wolfsburg wackelt, wenn Xi Jinping hustet. Nach dem jüngsten Parteitag in Peking ist doch offensichtlich, dass die letzten Reste innerparteilicher Demokratie in China beseitigt worden sind. China ist eine sich kommunistisch nennende, aber vor allem nationalistische Diktatur.

Wenn Deutschland nur noch mit Ländern Handel betreiben soll, die einwandfreie Demokratien sind, wird die Auswahl recht eng.

Wir können auch mit nichtdemokratischen Ländern Handel betreiben, aber wir dürfen uns nicht mehr von einzelnen Ländern abhängig machen. Wie gefährlich das ist, zeigt uns gerade das Beispiel Russland klar und deutlich. Auch wenn es jetzt darum geht, woher wir den künftigen Energieträger Wasserstoff beziehen, müssen wir von vornherein drauf achten, dass kein einzelner Lieferant so sehr dominiert wie Russland beim Erdgas.

Darüber hinaus ist es wichtig, dass wir endlich beim Thema Freihandel weiterkommen. Das EU-Handelsabkommen mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten liegt fertig ausverhandelt auf Eis. Wir müssen es endlich abschließen, bevor der chinesische Einfluss auch dort die Oberhand gewinnt.

Nochmal zurück zum Hamburger Hafendeal: Welche Reaktionen haben Sie als Außenpolitiker aus Partnerländern vernommen?

Im Berliner Politikbetrieb herrscht gerade helle Aufregung. Bei mir melden sich Botschafter, die wissen wollen, welchen China-Kurs Deutschland einschlägt. Olaf Scholz’ Reise nach Peking wird international genau beobachtet. Man befürchtet, dass sich die Bundesrepublik noch stärker von China abhängig macht. Deshalb war der Verkauf der Hafen-Anteile auch außenpolitisch ein denkbar schlechtes Zeichen.

Das Gespräch führte Daniel Gräber.

 


 

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