Französische Präsidentschaftswahlen - Frankreichs Wahlkampf in Kriegszeiten

In gut drei Wochen findet der erste Wahlgang der französischen Präsidentschaftswahlen statt, 14 Tage später die entscheidende Stichwahl. Eines ist bereits klar: Das Verhältnis der zur Wahl stehenden Kandidaten zu Wladimir Putin wird mitentscheidend dafür sein, wer eine Chance hat, zu gewinnen. Der amtierende Präsident Emmanuel Macron scheint bei diesen Wahlen zunehmend unschlagbar zu sein.

Der amtierende französische Präsident Emmanuel Macron hat beste Chancen auf eine Wiederwahl / dpa
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Kay Walter arbeitet als freier Journalist in Frankreich

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Der Krieg in der Ukraine hat die Welt verändert und damit auch den Blick auf Politiker und ihr Handeln. Ebenso auf die anstehenden Präsidentschaftswahlen in Frankreich. Bereits Anfang des Jahres waren sich die Wahlforscher weitgehend einig, dass der amtierende Präsident Emmanuel Macron trotz aller Probleme und Proteste gegen seine Politik wohl ziemlich sicher den ersten Wahlgang am 10. April als relativer Sieger würde gestalten können. Relativer Sieger besagte zu diesem Zeitpunkt eine Prognose von knapp 24 Prozent der Stimmen. Mit Putins Krieg gegen die Ukraine haben sich die Prognosen stark verändert: Jetzt werden Macron deutlich über 30 Prozent vorausgesagt.

Macron kann Krise

Die Mehrheit der Franzosen findet, der Präsident habe sie im Vergleich zu anderen Staaten bereits ganz gut durch die Corona-Pandemie geführt. Und einen Wechsel im Élysée in einer Kriegssituation will sich niemand ernsthaft vorstellen. Das liegt zum einen am Präsidenten selbst. „Er ist der jüngste und zugleich der erfahrenste Kandidat“, so der rechtsbürgerliche Ex-Premierminister Jean-Pierre Raffarin letzte Woche, der damit seine Unterstützung für Macron ankündigte. Darüber hinaus ist Macron unterdessen auch der dienstälteste Regierungschef des Westens. Auch das nicht gerade unwichtig.

Noch viel entscheidender aber: Den Französinnen und Franzosen wird angst und bange, wenn sie auf seine Gegenkandidaten gucken. Wer will schon in einer brisanten und hochgefährlichen Situation regiert werden von Personen, deren Außen- und speziell Russlandpolitik – mit allem Verlaub – an Unzurechnungsfähigkeit grenzt?

Wahlkampfbilder waren inszeniert

Marine Le Pen vom Rassemble National ist noch die aussichtsreichste Gegenkandidatin, musste aber schon ihre gedruckte Hochglanz-Wahlkampfbroschüre wieder einstampfen, weil das Titelbild sie im fröhlichen tête-a-tête mit Putin zeigte. Genau dem Putin, der auch schon den letzten Wahlkampf von Le Pen 2017 finanziert hatte. Und wenn Le Pen auch beteuert, ihre chronisch klamme Partei werde die Kredite des Kremlchefs zurückzahlen, vermag sie nicht zu erklären, woher das Geld dafür kommen könnte. Le Pen konzentriert sich nun erkennbar darauf, die in Folge des Krieges steigenden Energie- und Benzinpreise zum Thema zu machen. Die Antwort, wie sie denn eine staatliche verfügte Deckelung der Preise finanzieren will, bleibt sie ebenfalls schuldig.
 

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Nicht anders geht es ihrem Mitbewerber Éric Zemmour. Gerade wurde ihm nachgewiesen, dass positive Bilder in der Diskussion mit Bürgern inszenierte Fakes sind. Doch das fällt kaum mehr ins Gewicht. Denn der rechtsradikale Autor hatte Putin immer wieder als virilen Mann der Tat gelobt und dessen Eintreten für „nationale Werte“ gegen „Überfremdung und Islam“ als vorbildlich angepriesen. Das fällt ihm nun auf die Füße.

In den neuesten Vorwahlumfragen ist Zemmour von Platz zwei mit 15 bis 18 Prozent möglichem Stimmanteil abgestürzt auf Rang vier bis fünf. Es sieht so aus, als kämen seine Versuche zur Distanzierung zu spät. Je mehr Gräuel Abend für Abend auf den Bildschirmen zu sehen sind und je erkennbarer wird, was Putin in der Ukraine alles zu tun bereit ist, desto weniger verfängt das Erklär-Schema, alles Böse auf der Welt gehe von bärtigen islamischen Männern aus.

Zwischen wirtschaftsliberal und ultrarechts

Der Linkspopulist und Putinfreund Jean-Luc Mélenchon hat ein ganz ähnliches Problem: Auch sein Mantra, die USA und die Nato seien die mit Abstand größten Gefahren für den Weltfrieden, dürfte derzeit nicht allzu viele Unterstützer finden. Die Tatsache, dass Mélenchon auf ein zweistelliges Ergebnis und auf Platz drei hinter Macron hoffen darf, ist allein der desaströsen Situation der restlichen Linken in Frankreich geschuldet.

Die bürgerlich-rechte Kandidatin Valérie Précresse verkündet schließlich weiterhin ihre „feste Überzeugung“, in die Stichwahl zu gelangen. Allein: Auch ihre Prognosen sinken Woche für Woche, weil unter anderem kein Bürger so recht wissen kann, wohin ihre zwischen wirtschaftsliberal und ultrarechten Thesen irrlichternden Positionen als nächstes ausschlagen werden. Und das stärkt nicht eben das Vertrauen in ihre Regierungsfähigkeit, schon gar nicht in einer existentiellen Krise. Es macht zurzeit nicht den Anschein, als könne sie die Stichwahl tatsächlich erreichen.

Nicht der einzige Grund

Vieles spricht derzeit für eine zweite Amtszeit des amtierenden Präsidenten Macron. Und selbstverständlich nutzt es ihm, wenn er zum Auftakt seines Wahlkampfes sagen kann, er sei „Präsident, so oft es in dieser internationalen Situation notwendig ist, und Kandidat, so oft es (daneben) möglich ist“. Keine Frage. Aber das ist nicht der einzige Grund.

Unmittelbar nach seinem ersten Wahlsieg hatte Macron in der berühmten Sorbonne-Rede ein starkes, souveränes und in jeder Hinsicht eigenständiges Europa gefordert. Er trat ein für eine europäische Militärstrategie, für gemeinsame soziale und finanzpolitische Verantwortung, für eine Stärkung der eigenständigen Position Europas. Alles Dinge, die gerade auf Wiedervorlage liegen und jetzt auf deutlich mehr Verständnis und Unterstützung stoßen. Denn Macrons Vorschläge für eine gemeinsame europäische Politik waren besser als das, was er in der konkreten Innenpolitik seines Landes erreichen konnte.

Es bleiben Fragezeichen

Und doch: Es bleiben Fragezeichen. Der am schwierigsten kalkulierbare Faktor ist mit einiger Sicherheit die Wahlbeteiligung. Anders als in Deutschland, bekommt man in Frankreich nach dem 18. Geburtstag nicht automatisch Wahlbenachrichtigungen zugeschickt. Man muss sich vielmehr zuvor in das entsprechende Wählerverzeichnis eintragen lassen. So bitter wie bei den letzten Regionalwahlen mit einer Beteiligung von 35 Prozent dürfte es nicht wieder werden, aber trotzdem: Viele „linke Wähler“ könnten in Anerkenntnis der aussichtslosen Position der Abstimmung ganz fernbleiben. Viele junge Leute denken gar, Wahlabstinenz sei die einzige Antwort darauf, dass es „ja eh keinen idealen Kandidaten gibt“.

So ist, trotz klarem, inhaltlich begründbarem Vorsprung, die Messe für Emmanuel Macron noch nicht gelesen. Das gilt für die beiden Wahltage selbst, aber auch und erst recht für die Zeit danach. Denn ganz unabhängig von der Höhe eines Sieges in der Stichwahl: Am Ende hat ein französischer Präsident nie mehr als ein Drittel seiner Landsleute hinter sich, die auch tatsächlich für seine Politik votiert hätten. Maximal. Für tiefgreifende Veränderungen, wie zum Beispiel die anstehende Rentenreform, ist das bitter wenig.

 

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