US-Politik - Trump vor Gericht

Ex-Präsident Donald Trump sieht sich mit einer Reihe von Ermittlungen auf staatlicher und Bundesebene konfrontiert. Während sich die Anklagepunkte anhäufen, fällt es selbst Trump immer schwerer, vorzutäuschen, der rechtliche Trubel lasse ihn kalt.

Eine Reihe von Anklagen könnte das Ende für Trumps politische Ambitionen bedeuten / picture alliance
Anzeige

Autoreninfo

Lisa Davidson ist Journalistin, freie Autorin und Podcast-Host. Sie lebt in Virginia, USA. 

So erreichen Sie Lisa Davidson:

Anzeige

Der amerikanische Wahlkampf ist in vollem Gange. Doch während sich andere Präsidentschaftskandidaten auf ihre Kampagnen konzentrieren, macht Trump, der als Spitzenkandidat für die republikanische Nominierung gilt, mit seinen zahlreichen rechtlichen Problemen Schlagzeilen. Laut BBC News wird gegen ihn in zwei getrennten strafrechtlichen Verfahren ermittelt. Zudem wurde er zu einer Millionenzahlung an eine Schriftstellerin verurteilt, nachdem er wegen sexuellen Missbrauchs für haftbar befunden wurde.

Nun scheint laut New York Times auch noch eine dritte Anklage wahrscheinlich. Dieses Mal im Zusammenhang mit Trumps angeblichen Bemühungen, die Wahlniederlage 2020 zu revidieren. Während die Anklage voraussichtlich Monate brauchen wird, um das Rechtssystem zu durchlaufen, wirft die Tatsache der rechtlichen Probleme, in die Trump verstrickt ist, vor allem eine Frage auf: Wie stehen die Chancen, dass Trump früher oder später im Gefängnis landet?

Laut BBC News war Trump im April dieses Jahres der erste ehemalige US-Präsident, der strafrechtlich angeklagt wurde. Grundlage der Anklage war die Behauptung des ehemaligen Pornostar Stormy Daniels, Trump habe ihr, nachdem die beiden Sex gehabt hätten, vor der Wahl 2016 von seinem ehemaligen Anwalt 130.000 Dollar Schweigegeld zukommen lassen.

Zudem untersucht die Staatsanwaltschaft die Geschäftspraktiken der Trump Organization. Hierfür leitete der Generalstaatsanwalt von New York eine zivilrechtliche Untersuchung ein und versucht zu ermitteln, ob das Familienunternehmen über mehrere Jahrzehnte hinweg verschiedene Betrugsfälle begangen hat. Eine zusätzliche strafrechtliche Untersuchung befasst sich mit ähnlichen Fragen.

Wie ernst sind die Anschuldigungen?

Trump bezeichnete die Anklage als politische Hetzjagd und beteuert seine Unschuld. Der Fall wird voraussichtlich Anfang 2024 vor Gericht verhandelt, wobei das wahrscheinlichste Ergebnis eine Geldstrafe ist. Die strafrechtlichen Ermittlungen gegen die Trump Organization haben bereits zu Verurteilungen geführt. Das Unternehmen wurde des Betrugs und der Fälschung von Geschäftsunterlagen für schuldig befunden und zu einer Geldstrafe verurteilt. Allen Weisselberg, der Finanzchef der Organisation, wurde zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Die Verhandlung der Zivilklage, die gegen Trump und drei seiner Kinder eingereicht wurde, ist für Oktober angesetzt. Mittelpunkt sind dabei knapp 250 Millionen Dollar, die angeblich durch betrügerische Mittel erlangt wurden.

Während Tump sicherlich auf alle rechtlichen Strapazen verzichten könnte, ist ein Fall für ihn besonders gravierend: die Untersuchung des Justizministeriums über den Umgang mit Regierungsdokumenten nach seinem Ausscheiden aus dem Weißen Haus. Hierbei werden Trump laut BBC News gleich 37 Anklagepunkte zur Last gelegt, darunter die unbefugte Aufbewahrung von Akten zur Landesverteidigung sowie Behinderung der Justiz. Laut New York Times wurden vergangene Woche drei weitere Anklagepunkte hinzugefügt, insbesondere der Versuch, Beweise zu verbergen, und die Aufforderung an eine andere Person, dies zu tun.

 

Mehr US-Themen: 

 

Die Anklage geht auf eine Durchsuchung seines Strandanwesens Mar-a-Lago in Florida im vergangenen August zurück, bei der 11.000 Dokumente, darunter auch geheime und streng geheime Unterlagen. beschlagnahmt wurden. In der Anklageschrift, die Bilder aus seiner Residenz enthält, wird Trump beschuldigt, in seinem Badezimmer und Ballsaal geheimes Material wie Pläne für US-Atomwaffen aufbewahrt zu haben. Außerdem wird behauptet, dass er bei einer Gelegenheit einem Schriftsteller, einem Verleger und Mitarbeitern militärische Pläne gezeigt hat, von denen keiner eine ordnungsgemäße Sicherheitsfreigabe hatte. Die Staatsanwaltschaft behauptet zudem, dass Trump seinen Hausverwalter von Mar-a-Lago gebeten haben soll, die Aufnahmen der Überwachungskameras zu löschen.

Trump plädiert auch in diesem Fall auf „nicht schuldig.“ Während es nicht ungewöhnlich ist, dass Bundesbeamte geheime Dokumente verlegen oder versehentlich behalten, wenn sie ihr Amt verlassen, handelt es sich bei Trump um einen Sonderfall. Denn im Gegensatz zu anderen versuchte Trump selbst nach Aufforderung von Bundesbeamten, die Papiere zu behalten.

Trumps Anwälte können keine Pause einlegen

Tatsache ist, dass die Aufbewahrung nicht autorisierter Dokumente gegen das Gesetz verstößt und zu einer Verurteilung zu einer Gefängnisstrafe führen kann. Eine Inhaftierung für hohe Beamte ist jedoch selten. Der ehemalige CIA-Chef David Petraeus wurde beispielsweise angeklagt, seiner ehemaligen Geliebten und Biografin geheime Dokumente übergeben zu haben. Er einigte sich mit dem Justizministerium auf einen Vergleich und wurde zu zwei Jahren Bewährung und einer Geldstrafe von 100.000 Dollar verurteilt. Trumps Prozess ist laut New York Times aktuell für Mai 2024 festgelegt.

Nun steht auch noch eine dritte Anklage im Raum, die sich mit Trumps Rolle bei der vermeintlichen Anstiftung zum „Kapitolsturm“ vom 6. Januar 2021 befasst. Gründe, für die Trump angeklagt werden könnte, gibt es gleich mehrere: Einerseits spielen seine Versuche, das Verfahren des Kongresses am 6. Januar 2021 zu behindern, eine Rolle. Andererseits könnte sich die Anklage laut New York Times um den möglichen Betrug im Zusammenhang mit der Mittelbeschaffung und seinen Bemühungen, sogenannte falsche Wähler aus Staaten zu rekrutieren, befassen.

Während aktuell noch nicht feststeht, worauf sich die Staatsanwälte konzentrieren werden, war ein Schreiben, das Trump selbst veröffentlichte und in dem er mitteilte, dass er Ziel einer Untersuchung der Grand Jury sei, ein deutliches Anzeichen dafür, dass ihm eine Anklage drohen könnte. Laut Independent ging aus Gerichtsdokumenten hervor, dass der ehemalige Polizeipräsident von New York City, Bernie Kerik, der für Trumps Wahlkampf falsche Beweise für angeblichen Wahlbetrug und Manipulation gesammelt hat, sich bereit erklärt habe, dem Justizministerium im Rahmen seiner Ermittlungen Hunderte von Dokumenten zu übergeben.

Wie stichfest sind die Beweise?

Doch wie aussagekräftig die Befunde sind, ist noch zweifelhaft. Bei der Untersuchung der Verschlusssachen haben die Ermittler neue Beweise gefunden, darunter Fotos von Dokumenten in einem Badezimmer in Trumps Haus in Florida und Trumps Andeutung in einer Aufzeichnung, dass er wusste, dass er die Papiere nicht haben sollte. Bislang sind die öffentlichen Beweise für Trumps Versuche, sich an die Macht zu klammern, weniger eindeutig.

Man denke nur an Trumps Beteiligung an den Unruhen vom 6. Januar: Er machte anzügliche Bemerkungen, unter anderem bei einer Kundgebung in Washington am selben Tag. Aber keine dieser Äußerungen war ein ausdrücklicher Befehl zu einem Angriff, und er ermutigte schließlich seine Anhänger, die in das Kapitol eingedrungen waren, sich zu zerstreuen. Wenn die Ermittler Beweise haben, die Trump direkter mit möglichen Anklagen in Verbindung bringen, werden wir das in den kommenden Tagen oder Wochen erfahren, wenn eine Anklage eingereicht und veröffentlicht wird.

Geldstrafe? Gefängnis? Erneute Präsidentschaft? Was die Zukunft für Trump bringen wird, steht noch in den Sternen. Sicher ist jedoch, dass ein Wahlsieg im Jahr 2024 es sehr viel schwieriger machen würde, Trump zu inhaftieren oder seine Position es ihm sogar ermöglichen könnte, bundesstaatliche Ermittlungen und Anklagen fallen zu lassen.

Die Umstände lassen Trumps Präsidentschaftskampagne in einem anderen Licht erscheinen. Er kandidiert nicht, wie es Politiker normalerweise tun, nur um eine politische Agenda durchzusetzen, sein Vermächtnis zu etablieren oder Macht zu erlangen. Es geht ihm auch um die Selbsterhaltung. Und ein solches Szenario hat es in den USA noch nie gegeben.

Die Republikaner sind gespaltener Meinung

Während Trump aktuell immer noch eine Spitzenposition im republikanischen Wahlkampf einnimmt, äußerten sich einige Präsidentschaftskandidaten der eigenen Partei wie Nikki Haley kritisch zu dessen rechtlichen Problemen. Andere Vorwahlkandidaten wie Floridas Gouverneur Ron DeSantis halten sich hingegen bedeckt.

Die Geister scheiden sich aber nicht nur in der eigenen Partei. Experten sind sich uneins darüber, ob und wie Trump als Präsident handeln könnte, wenn er zu einer Gefängnisstrafe verurteilt würde. Niemand weiß mit Sicherheit, wie Amerikas politische und strafrechtliche Systeme mit diesem Ergebnis umgehen würden. Und die Bevölkerung ist das Kasperletheater der gesamten amerikanischen Politiklandschaft mittlerweile leid.

Anzeige