US-Truppenabzug - Selbst schuld

Die Entscheidung des US-Präsidenten, 12.000 US-Soldaten aus Deutschland abzuziehen, ist ein hässliches, engstirniges Signal. Doch Schuld an der Misere trägt auch die deutsche Gesellschaft.

Ein Transportflugzeug von Typ C-5 Galaxy startet vom US-Militärflughafen in Spangdahlem / dpa
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Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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Militär ist keine Wirtschaftsförderung. Das vergisst man in Deutschland allzu gerne. Militärische Stationierungen haben aus militärischen Erwägungen heraus zu erfolgen, auch aus politischen, nicht aus wirtschaftlichen – zumindest nicht in erster Linie. Dass, zumal in Deutschland, militärische Einrichtungen häufig in strukturschwachen Gebieten liegen, hat historische und eben militärische Gründe.

Der frakionsübergreifene Aufschrei über die angekündigte Truppenverlegung der US-Armee aus Standorten in Rheinland-Pfalz und Bayern ist daher aus lokalpolitischer Sicht zwar verständlich, darf aber nicht der Maßstab sein. Doch hierzulande macht sich selbst die Bundespolitik diese Perspektive zu eigen. Weltpolitik betreibt man hier gern mit der Brille des Lokalpolitikers auf der Nase. 

Ein cholerischer Präsident

Keine Frage: Die Verlegung von knapp 12.000 Soldaten aus Deutschland ist ein Einschnitt. Immerhin ist damit ein Drittel der insgesamt 36.000 hierzulande stationierten Soldaten betroffen. Keine Kleinigkeit. Selbst eine Industrieregion wie Stuttgart wird den Verlust an Kaufkraft spüren. Für Gemeinden wie Vilseck ist der angekündigte Abzug ein dramatischer Einschnitt.

Doch wie gesagt: So berechtigt die Anliegen kleiner, strukturschwacher Gemeinden sind – sie zum Kriterien der Militär- oder Außenpolitik zu machen, ist lächerlich. Und für eine Umgruppierung des US-Militärs in Europa gibt es gute Gründe. Ob das in dem angekündigten Umfang so sein muss, ob ausgerechnet ein hervorragend ausgebauter und zentraler Stützpunkt wie Grafenwöhr von einem solchen Abzug betroffen sein muss, ob hinter der Verlegung nicht auch kleinliche Beweggründe eines cholerischen US-Präsidenten liegen – all das sind berechtigte Einwände. Doch genauso gilt, dass die Grundidee hinter der amerikanischen Truppenverlegung so abwegig nicht ist.

Sich selbst verteidigen?

Denn wir befinden uns nicht mehr im Jahr 1989. Wir schreiben das Jahr 2020, und die Sicherheitslage hat sich in den letzten Jahren grundlegend geändert. Deutschland ist von Verbündeten umgeben. Ein solches Land, zumal wenn es sich um die viertgrößte Wirtschaftsnation der Welt mit circa 35 Millionen wehrfähigen Staatsbürgern handelt, sollte in der Lage sein, sich selbst zu verteidigen. Dass Deutschland das nicht ist, hat nichts mit Donald Trump zu tun, umso mehr aber mit dem pathologischen Verhältnis der Deutschen zum Militär und zu militärischer Gewalt.

Wie weit sich die meisten Deutschen, zumal in den meinungsbildenden Milieus, vom militärischen Fühlen und Denken entfernt haben, zeigt der würdelose Umgang mit der Truppe in den letzten Jahren und Wochen. Allerdings ist diese Entfremdung mehr als eine kulturgeschichtliche Pittoreske. Sie wird zunehmend zu einem Sicherheitsrisiko. Das demonstrieren die larmoyanten bis trotzigen Reaktionen, mit denen man hierzulande auf die Ankündigung der Verlegung der US-Soldaten reagiert.

Die Bundeswehr, ein Schatten ihrer selbst

Wäre man in der Lage und willens, militärisch zu denken und in einer Armee mehr zu sehen als ein grün gestrichenes Technisches Hilfswerk, dann sollte eigentlich klar sein, dass die eine oder andere US-Einheit im Baltikum oder in Polen besser aufgehoben ist als in der Oberpfalz oder in Schwaben.

Und auch der Totalabzug von ungefähr 6.400 Mann aus Europa in die USA wäre kein Sicherheitsproblem, hätte man die Bundeswehr nach Umfang, Ausrüstungsqualität vor allem aber Mentalität nicht in einen Schatten ihrer selbst verwandelt. Dann wäre Deutschland nämlich in der Lage, sich und seine Partner vor eventuellen Bedrohungen zu schützen und die Amerikaner hätten lediglich die Aufgabe, Bündnisentschlossenheit zu zeigen und die Infrastruktur für im Fall des Falles einzufliegende US-Kräfte bereitzuhalten.

Entscheidung von Engstirnigkeit und Dumpfheit geprägt

Auf politischer Ebene ist die Entscheidung des US-Präsidenten ein hässliches Signal, sie ist – wie vieles bei Trump – vom Engstirnigkeit und Dumpfheit geprägt. Das bedeutet aber nicht, dass sie vollkommen falsch ist. Vor allem aber: Die deutschen Regierungen der letzten Jahre hätten es selbst in der Hand gehabt, eine solche Maßnahme eines US-Präsidenten zu verhindern. Doch genau das hat man nicht getan, im Gegenteil.

Man hat alles unternommen, um die Bundeswehr materiell, personell und ideell zu entkernen und das auch noch als Modernisierung verkauft. Doch es wäre zu billig, die Schuld an dieser Situation allein bei der Politik zu suchen. Verantwortlich dafür ist die deutsche Gesellschaft insgesamt, die sich in einer Mischung aus Bequemlichkeit und – man muss es wohl so deutlich sagen – Feigheit auf der mentalen Yogamatte bequem eingerichtet hat.

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