Donald Trump und die Republikaner - Der Ex-Präsident, die Partei, deren Wähler und die Zukunft von Amerika

Ein dicker Bericht des Repräsentantenhauses beleuchtet die Vorgänge während des Sturms auf das Kapitol im Januar 2021. Das Fazit lautet: Schuld sei Donald Trump. War's das für eine erneute Kandidatur des Ex-Präsidenten?

Trump-Unterstützer während eines Wahlkampfauftritts Trump im Jahr 2020 / picture alliance
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Eva C. Schweitzer arbeitet als freie Journalistin für verschiedene Zeitungen in New York und Berlin. Ihr neuestes Buch ist „Links blinken, Rechts abbiegen“.

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So long, Farewell, Auf Wiedersehen, Goodbye. Beobachten wir die letzten Tage von Donald Trump? Der New Yorker Immobilienhändler, Hotelmanager, Pleitier, Schönheitswettbewerbs-Ausrichter, Filmstatist und Reality-TV-Star ist vor zwei Jahren als Präsident abgetreten; ungerne, und ebenfalls ungerne sah ihn der harte Kern seiner Anhänger ziehen. Am 6. Januar 2021 stürmten ein paar tausend von ihnen das Kapitol in Washington, wo sich der Kongress versammelt hatte, um nach der Auszählung seinen Konkurrenten Joe Biden zum Präsidenten zu nominieren.

Die Menge, darunter bewaffnete Anhänger rechtsradikaler Militias, zerschmetterte Fenster, zerstörte Mobiliar, stahl Andenken und schleifte einen Galgen mit sich, auf der Suche nach verhassten Demokraten – Nancy Pelosi, Alexandria Ocasio Cortez. Aber sie drohten auch Republikanern, die sie als Verräter sahen, allen voran Mike Pence, Trumps Vize, der Bidens Wahl anerkannt hatte. Nicht, dass er eine andere Option gehabt hätte, aber Trump hatte ihn gedrängt, ein Veto einzulegen.

Letztlich starben neun Menschen, darunter mehrere Polizisten, die in den Wochen nach dem Sturm auf das Kapitol Selbstmord begangen hatten. Der Aufstand, wie so vieles, teilt Amerika: Für viele Republikaner haben enthusiastische Trump-Anhänger ein wenig über die Stränge geschlagen. Und da ihr Führer um den Wahlsieg betrogen worden sei, sei dies ein pro-demokratischer Akt gewesen. Für Demokraten war Amerika in Gefahr, von bewaffneten Faschisten überrannt zu werden.

Der Ausschuss lieferte

Nun hat ein Untersuchungsausschuss des Repräsentantenhauses nach 18 Monaten und unzähligen im Fernsehen übertragenen Hearings mit fast 20 Millionen Zuschauern einen 845 Seiten starken Bericht vorgelegt. Der beleuchtet den Aufstand – gerade noch rechtzeitig, bevor die Republikaner am 1. Januar eine Mehrheit im Haus haben. 

Das Fazit: Schuld an dem Aufstand sei „ein Mann“, so das Komitee, dem alle gefolgt seien, und dieser Mann sei, natürlich, Donald Trump. Ohne Trump, der die Aufständischen angestachelt habe und der sogar selbst zum Kapitol habe fahren wollen, hätten seine eigenen Sicherheitsleute ihn nicht daran gehindert, wäre das alles nicht passiert. Trump sei der Verschwörung gegen die Vereinigten Staaten schuldig; der Ausschuss empfahl der Generalstaatsanwaltschaft, ihn strafrechtlich zu verfolgen. Anders sehen das die meisten Republikaner: Der Ausschuss lieferte, kritisierte Senator Marco Rubio aus Florida, eine „Made for TV-Inszenierung“.

Oft schon totgesagt

Wird das wirklich passieren? Und wäre dies Trumps Ende als potentieller Präsidentschaftskandidat 2024? Das war, so die Washington Post, das eigentliche Ziel des Ausschusses, der aus sieben Demokraten und zwei Republikanern bestand, Adam Kinzinger und Liz Cheney, beides langjährige Trump-Kritiker. 

So oft schon wurde Trump totgesagt. Und staatsanwaltliche Ermittlungen gibt es bereits. Aber eine Verurteilung? Trump ist Teflon schlechthin. Ähnlich wie Israels Premier Benjamin Netanyahu, Silvio Berlusconi in Italien, Wladimir Putin in Russland oder Voldemort in Harry Potter, kommt er immer wieder zurück. 
 

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Heute ist es fast vergessen, aber Trump wurde von zwei Strömungen nach oben gespült: Der Backlash gegen den früheren Präsidenten Barack Obama, der erste afro-amerikanische Amtsinhaber, der vielen Konservativen als linksradikaler muslimischer Black Panther erschien, obgleich er politisch eher konventionell war, und der Backlash gegen die Neokonservativen, in der Wolle gefärbte ehemalige Demokraten, die Amerika unter George W. Bush zwei ungeliebte Kriege beschert haben. 

Seine Fans lieben Trump wie den zurückgekehrten Jesus, aber für die Republikaner war der langjährige frühere Demokrat, trotz aller Lippenbekenntnisse, nur Mittel zum Zweck. Damals gab es sogar Gerüchte, Trump sei ein von Bill Clinton in Marsch gesetztes U-Boot. Aber Trump fuhr gerade wegen seiner unorthodoxen Auftritte Stimmen in ländlichen Gegenden ein, die sich von woken Großstadtpolitikern arrogant übergangen fühlten. Überdies ermöglichte er den Konservativen, den Supreme Count, das höchste Gericht der USA, mit Abtreibungsgegnern zu besetzen.

Aufstand gegen die Regierung

Jetzt, wo sich dunkle Wolken bilden – fast alle von Trump unterstützten Kandidaten haben in den Midterms, den Nachwahlen zum Kongress verloren –; wenden  sich Republikaner von ihm ab, erst Neocons wie Cheney, nun auch der wendige Parteiführer Mitch McConnell. Zwar hat Trump immer noch 70 Prozent der GOP hinter sich, aber das ist ein Einbruch. Vielen wäre ein jüngerer, berechenbarerer, in die Partei integrierter Kandidat lieber. Floridas Gouverneur Ron DeSantis wird seit seinem Wahlsieg als neuer Star gehandelt, und er hat tatsächlich Chancen, die Republikaner in den nächsten Wahlkampf zu führen.

Dürfte Trump, würde er denn verurteilt, überhaupt wieder als Präsident antreten? Das verbietet die Verfassung nicht; die schreibt nur vor, dass der Präsident gebürtiger Amerikaner sein muss, mindestens 35 Jahre alt, und meistenteils im Land leben. Eugene Debs, vor dem Ersten Weltkrieg der Führer der Sozialistischen Partei in Amerika, wurde erst als Gewerkschaftsführer, dann als Pazifist zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Er führte Wahlkampf um das Weiße Haus von seiner Zelle aus (erfolglos). Auch der vorbestrafte Lyndon LaRouche durfte als Kandidat antreten. Anders wäre es aber, wenn Trump wegen „Insurrection“, also Aufstands gegen die Regierung verurteilt würde. Das 14. Amendment, Verfassungszusatz, verbietet es Verrätern, Präsident zu werden.

Nicht mehr im roten Bereich

Trump selber sah das Weiße Haus eher als Gelegenheit, im Beifall zu baden und teure Tchotchkes an seine Anhänger zu verkaufen. Zuletzt warf er NFTs auf den Markt, digitale Bilder, wo er selber als Superheld mit Laseraugen posiert. Die kosteten schlappe 99 Dollar pro Stück und sollten, versprach er, immens im Wert steigen. 

Auch sonst nutzte er die Präsidentschaft für einen hochpreisigen Flohhandel, von Deals mit Wüstenscheichs über den Verkauf von Weiße-Haus-Silbermünzen bis dahin, dass er Staatsbesucher nötigte, in Trump-eigenen Hotels zu übernachten. Seinen Steuerbescheiden zufolge, die das Repräsentantenhaus trotz seiner Proteste veröffentlicht hat, nagte er zwar lange am Hungertuch – für einen Milliardär –; aber seit seinem Amtsantritt damals ist er wirtschaftlich nicht mehr im roten Bereich.

Der Untergang Amerikas

Das Problem für die Partei ist nun, dass Trump nicht lautlos abtreten wird. Das Worst Case Szenario wäre seine Kandidatur als Unabhängiger. Zwar hat kein US-Politiker, nicht Ross Perot und nicht einmal der populäre Ex-Präsident Teddy Roosevelt, auf diesem Weg mehr als knapp dreißig Prozent geschafft, aber das ist Trump egal. Er will ja hauptsächlich im Wahlkampf Geld verdienen. Für die Republikaner aber wäre so eine schmerzliche Spaltung womöglich der erste Schritt in den Untergang.

Auch für die Demokraten hätte das Nachteile. Für viele ist Trump der Wunschgegner, eine Art „Mussolini 2.0“, gegen den sich viele Anhänger mobilisieren lassen. Das haben zuletzt die Midterms gezeigt. Die Demokraten warnten davor, dass der Untergang Amerikas, das Ende der Demokratie gar zur Debatte stünde. Das brachte Wähler in Rekordzahlen an die Urne, während bei den Midterms üblicherweise die Regierungspartei verliert. Das würde sich 2024 in zehnfacher Lautstärke wiederholen. DeSantis mit seinem Schwiegersohn-Lächeln und seiner erfolgreichen Umarmung hispanischer Wähler wäre als Gegner viel gefährlicher. 

Zwei Jahre sind eine lange Zeit

Und der „Blob“, jenes Washingtoner Gemenge aus Amtsträgern, Industrie-Lobbyisten und politischen Journalisten, der aus dem erwachsen ist, was Dwight D. Eisenhower den militärisch-industriellen Komplex nannte? Der Blob ist kein Fan von Trump, der sich als Gegner militärischer Eingriffe gezeigt hat – auf dem Papier. Tatsächlich hat auch Trump Bombeneinsätze im Mittleren Osten abgezeichnet. 

Im Ukrainekrieg allerdings wäre die US-Politik mit ihm anders, zumal die Putin-treue Opposition in der Ukraine zum Kreis seiner Geschäftspartner zählt. Und für seine Anhänger ist Putin der letzte aufrechte konservativ-christliche Führer gegen eine verlotterte Welt, in der Homosexuelle heiraten dürfen und marxistische Intellektuelle die Zeitungen regieren. Aber zwei Jahre sind eine lange Zeit – für Putin und für Trump, 

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