Cicero-Serie: Das Weltklima - USA: Klimakleber gibt es nicht

In der Bundesrepublik steht Klimapolitik ganz oben auf der Agenda. Aber wie sieht es eigentlich in anderen Ländern aus? In einer neunteiligen Serie blicken wir jeden Tag über den deutschen Tellerrand hinaus. In der letzten Folge geht es in die USA. Die Mehrheit befürwortet die Klimaziele - doch ganz auf Öl und Gas verzichten wollen die meisten nicht.

Das ölreiche Texas ist auch Spitzenreiter bei der Windenergie / dpa, Montage: Dominik Herrmann
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Autoreninfo

Ronald D. Gerste ist Historiker, Publizist und Augenarzt. Er lebt in der Nähe von Washington, D.C.

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Ein Hauch von Habeck liegt über New York. Das Parlament des Bundesstaats hat jüngst beschlossen, in allen ab 2026 errichteten Neubauten (bis zu sieben Stockwerke, ab 2029 in höheren Gebäuden) Gasheizungen zu verbieten und das Heizen sowie das Kochen mit Strom verbindlich vorzuschreiben. Es wird eine Reihe von Ausnahmen geben wie für Krankenhäuser und Res­taurants; ob das Ganze Realität wird, werden die Gerichte entscheiden, denn Widerspruch wird laut – seitens, wie es in Zeitungen wie Washington Post und New York Times stereotypisch bei Widerstand gegen Klimamaßnahmen heißt, „der Interessen der fossil fuel industry“. New York wird mit dem Gesetz der erste der 50 Bundesstaaten der USA, der ein solches Programm initiiert, welches „ein großer Sieg für Klimaaktivisten ist“ (Washing­ton Post).

Natürlich New York – diese Erklärung für den klimaaktivistischen Pioniergeist drängt sich auf, da im Parlament in Albany eine solide demokratische Mehrheit den Ton angibt. Doch so tief gespalten die amerikanische Gesellschaft grundsätzlich ist, so weitgehend unversöhnlich Rot (Republikaner) und Blau (Demokraten) sich sonst bei vielen Fragen gegenüberstehen – beim Thema Klimaschutz und der Einschätzung der potenziellen Folgen des Klimawandels sind die Differenzen milder.

Nur 31 Prozent sind für einen vollständigen Verzicht auf Öl, Erdgas und Kohle

Das liegt vor allem daran, dass die Problematik einer großen Mehrheit der Bevölkerung bewusst ist. Nach einer Umfrage des Pew Research Center unterstützen 69 Prozent der Amerikaner das Ziel, bis zum Jahr 2050 „carbon neutral“ zu werden; ein gleich hoher Prozentsatz befürwortet den Ausbau erneuerbarer Energien. Freilich gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Anhängern der beiden großen Parteien: 90 Prozent der den Demokraten Zuneigenden (und der Unabhängigen) unterstützen das Klimaziel, aber nur 44 Prozent der Republikaner. Jedoch: Unter den jüngeren (unter 30 Jahre) Sympathisanten der Republikaner sind es 67 Prozent, was Partei­strategen berücksichtigen müssen. Dass New York mit seinem künftigen Bann der Gasheizung noch allein steht, liegt auch daran, dass vielen Bürgern eines autofixierten Landes ein Leben ganz ohne fossile Brennstoffe undenkbar erscheint: Nur 31 Prozent sind für einen vollständigen Verzicht auf Öl, Erdgas und Kohle.

 

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Dass Parteigrenzen bei der Klima­frage überwindbar sind, zeigt ein anderer großer Bundesstaat. Das eng mit der Ölindustrie assoziierte, republikanisch regierte Texas ist Spitzenreiter bei der Produktion erneuerbarer Energien und vor allem der Stromgewinnung durch Wind, auch wenn der Ausbau jetzt gebremst und weitere Erdgasvorkommen erschlossen werden sollen.

Das Thema Klimawandel hat seinen festen Platz im öffentlichen Diskurs und in der medialen Berichterstattung. Die ganz großen Aufreger gibt es nicht; die Anzahl der Aktionen durch Klimaaktivisten scheint geringer als in Deutschland; das Festkleben auf Straßen ist nicht üblich. Die Augen der politisch interessierten Öffentlichkeit richten sich jetzt bereits auf die Präsidentschaftswahl im November 2024. Dort wird der Klimawandel ein Thema sein – unter vielen anderen. Auf einer Liste von 21 nationalen Herausforderungen liegt er nach einer Umfrage vom Januar auf Platz 17.

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