Wohin mit Ihrem Geld? - Zins und Wachstum

Der Internationale Währungsfonds rechnet in den nächsten vier Jahren mit einem realen Wachstum in Deutschland von durchschnittlich nur 1,4 Prozent. Gut möglich aber, dass dieses angesichts des derzeitigen Politchaos noch niedriger ausfällt.

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Autoreninfo

Daniel Stelter ist Gründer des auf Strategie und Makroökonomie spezialisierten Diskussionsforums „Beyond the Obvious“. Zuvor war er bei der Boston Consulting Group (BCG). Zuletzt erschien sein Buch „Ein Traum von einem Land: Deutschland 2040“.

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Staatsschulden sind nicht nur in Deutschland ein großes Thema. Weltweit sind in den vergangenen Jahren die Schulden der Staaten deutlich gewachsen. Was bis vor zwei Jahren zu keinen großen Diskussionen geführt hat, sorgt neuerdings für Nervosität an Märkten und bei Ökonomen. Die Ursache liegt auf der Hand: Mit der Inflation kehrte der Zins zurück und mit ihm die Sorge, dass die Verschuldung außer Kontrolle geraten könnte. Steigt die Zinsbelastung der Staaten – in Deutschland hat sie sich gegenüber 2019 mehr als verdoppelt –, wächst das Defizit, was wiederum dazu führen kann, dass die Zinsen weiter steigen. Eine Abwärtsspirale. 

Ökonomen haben eine einfache Formel für die Nachhaltigkeit von Staatsfinanzen. Sie blicken auf das Wachstum der Wirtschaft und den Zins, den der Staat für seine Schulden bezahlen muss. Sind Zinssatz und Wachstum gleich hoch, kann sich der Staat jedes Jahr das Geld für die Zinsen leihen und dennoch bleibt die Verschuldung relativ zum Bruttoinlands­produkt (BIP) unverändert.

Stabilisierung der Schuldenquote

Sobald der Zins über der Wachstumsrate liegt, muss der Staat einen Teil seiner Einnahmen für die Zinszahlungen verwenden, was politisch äußerst schwer durchzusetzen ist. Nur wenigen Staaten ist es in der Vergangenheit gelungen, einen Teil der Zinsen aus Steuern zu bedienen. Kein Wunder, dass Ökonomen und Politiker die Situation bevorzugen, in der der Zins unterhalb der Wachstumsrate liegt. 

Doch diese Situation haben wir heute nicht. Der Internationale Währungsfonds rechnet im Zeitraum von 2024 bis 2028 mit einem realen Wachstum von durchschnittlich 1,9 Prozent in den USA, 1,6 Prozent im Vereinigten Königreich und in Frankreich, 1,4 Prozent in Deutschland und 0,9 Prozent in Italien. Und es ist gut möglich, dass das Wachstum bei uns angesichts des derzeitigen Politchaos noch niedriger ausfällt. In allen Ländern liegt der Realzins jedenfalls deutlich über dem erwarteten Wirtschaftswachstum, was bedeutet: Wir haben ein Problem.
 

Zuletzt von Daniel Stelter erschienen: 


Dass die Staaten seit Jahren deutliche Primärdefizite fahren (das ist das Defizit vor Zinszahlungen auf der Staatsschuld) und demzufolge die erforderliche Haushaltskonsolidierung zur Stabilisierung der Schuldenquote umso drastischer ausfallen muss, macht das Problem nicht geringer. Einsparungen von mehreren Prozentpunkten des BIP wären erforderlich – und sind genauso unrealistisch. 

Der Druck der Politik

Womit wir bei den Szenarien sind: Wenn die Staaten deutliche Ausgabenkürzungen vornehmen, droht ihnen wie Italien die Situation, dass die Wachstumsrate noch stärker fällt und sie am Ende doch weiter steigende Schuldenquoten haben. Sparen die Staaten hingegen nicht oder nur unzureichend, steigen die Schuldenquoten weiter, was über kurz oder lang die Frage nach der Solvenz aufwirft. Wachsen die Zweifel an der Zahlungsfähigkeit eines Staates, steigen die Zinsen für dessen Anleihen weiter. 

Bleibt nur der Weg, die Zinsen möglichst rasch möglichst deutlich nach unten zu bringen. Sowohl die US-Notenbank Fed wie auch die Europäische Zentralbank (EZB) betonen derzeit, trotz der ersten Erfolge in der Inflationsbekämpfung die Leitzinsen nicht so schnell zu senken. Wir werden sehen, wie lange sie dem Druck der Politik standhalten.

Realistischer ist, dass wir wie nach dem Zweiten Weltkrieg vor einer neuen Phase der sogenannten „finanziellen Repression“ stehen, in der die Zinsen dauerhaft unter der Wachstumsrate gehalten werden. Gerne auch in Verbindung mit höheren Inflationsraten.
 

 

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