Wohin mit Ihrem Geld? - Zeitenwenden

Steigende Energiepreise und die lockere Geldpolitik der Zentralbanken könnten künftig zur Stagflation führen; der Mischung aus Stagnation und Inflation. Unser Finanzkolumnist Daniel Stelter erklärt, wie Sie sich und Ihr Geld davor schützen können.

Investitionen in Energie und Rohstoffe dürften im kommenden Jahrzehnt erfolgreich ausfallen / dpa
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Daniel Stelter ist Gründer des auf Strategie und Makroökonomie spezialisierten Diskussionsforums „Beyond the Obvious“. Zuvor war er bei der Boston Consulting Group (BCG). Zuletzt erschien sein Buch „Ein Traum von einem Land: Deutschland 2040“.

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Viel ist in diesen Tagen von einer Zeitenwende die Rede. Dabei liegt die Vermutung nahe, dass wir das wahre Ausmaß dieser Wende erheblich unterschätzen. Gut 40 Jahre ist es her, als wir ebenfalls eine Zeitenwende erlebten. Nur wenige Beobachter dürften im September 1981 erkannt haben, dass die Zinsen ihren Höhepunkt erreicht hatten. Noch weniger, wie der Politikwechsel in den USA (Reagan) und Großbritannien (Thatcher) die Stagflation überwinden und die Grundlage für neues Wachstum legen würde. Ebenfalls noch nicht absehbar waren die Öffnung Chinas und der Zusammenbruch des Ostblocks, die sich kurz drauf ereigneten.

Die Folgen dieser Umbrüche waren erheblich: Millionen von Menschen, die bereit waren, für weniger Geld härter zu arbeiten, kamen neu auf den weltweiten Arbeitsmarkt. Die Globalisierung gewann an Fahrt. Der daraus erwachsende Lohndruck dämpfte die Inflationsraten deutlich. Die Notenbanken reagierten mit immer tieferen Zinsen. Die Folge waren ein Aufblähen des Finanzsektors, ein deutlicher Anstieg der Bewertung von Vermögenswerten und damit der Ungleichheit und eine Explosion der weltweiten Verschuldung von Privatsektor und Staaten.

Wenig Hoffnung auf Inflationshemmer

Letztere ist nur tragbar, solange die Zinsen tief bleiben. Der britische Economist schätzt, dass ein Zinsanstieg von 2 Prozent die Zinsbelastung um 50 Prozent erhöhen würde, auf immerhin 18 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts. Unvorstellbar, dass dies ohne massive Schuldenkrise, einen Kollaps an den Vermögensmärkten und eine tiefe Rezession vonstattenginge. Kein Wunder, dass die Notenbanken so zögerlich sind, die Zinsen anzuheben. Sie hoffen darauf, dass sich der Trend der letzten 40 Jahre nach einem vorübergehenden Inflationsschub fortsetzt.

Doch es spricht wenig dafür, dass sich diese Hoffnung erfüllt. Denn wesentliche Trends kehren sich in diesem Jahrzehnt um. Zum einen entfällt die demografische Dividende. Stark wachsende Erwerbsbevölkerungen gehören der Vergangenheit an. Stattdessen sinkt das Arbeitskräfteangebot. Die Löhne werden stärker steigen und damit zu höheren Inflationsraten beitragen. Hinzu kommt eine offensichtliche Abkehr von der Globalisierung.

Vor allem aber ist die Zeit billiger Energie und Rohstoffe vorbei. Dies liegt zum einen an Krieg und Sanktionen. Russland ist eine Rohstoff-Supermacht, und der Wegfall als Lieferant wirkt sich weltweit aus. Noch entscheidender sind die Maßnahmen gegen den Klimawandel. Es wurde zu wenig in die Erschließung neuer fossiler Energiequellen investiert. Zudem steigt die Nachfrage nach Metallen und anderen seltenen Rohstoffen. E-Fahrzeuge verbrauchen sechsmal mehr Mineralien als ihre konventionellen Pendants, eine Offshore-Windanlage benötigt im Vergleich zu einem Gaskraftwerk mehr als das Siebenfache an Kupfer.

Rohstoffe hui, Aktien pfui

Die Folge sind steigende Energiepreise, die sich durch das gesamte Preisgefüge fressen. In Verbindung mit den anderen Trendwenden ergibt sich das unerfreuliche Szenario hartnäckiger Inflation. Gleichzeitig führen die Preissteigerungen zu realen Einkommensverlusten. Muss man einen höheren Teil des Einkommens für Energie ausgeben, bleibt weniger für Konsum oder Investitionen. Dies macht das Szenario einer Stagflation wie in den 1970er-Jahren wahrscheinlich – im Unterschied zu damals mit hohen Schulden und überhöhten Vermögens­preisen. Die Finanzmärkte scheinen diese Aussichten nicht zu teilen. Unbekümmert von Krieg und ersten Zins­erhöhungen in den USA notieren die Börsen auf hohem Niveau. Wir wissen jedoch, dass Börsen eine Trendwende durchaus länger verkennen können.

Wirklich optimistisch kann man nur für Energie und Rohstoffe sein. Relativ zu Finanzassets war die Bewertung von Rohstoffen schon lange nicht mehr so tief. Minenwerte und Energie­unternehmen dürften ein relativ gutes Jahrzehnt vor sich haben. Zinsabhängige Wachstumsunternehmen eher nicht.

 

Dieser Text stammt aus der Mai-Ausgabe des Cicero, die Sie jetzt am Kiosk oder direkt bei uns kaufen können.

 

 

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