Wohin mit Ihrem Geld? - Platzende Blasen

Noch erwarten Optimisten einen baldigen Rückgang der Zinsen parallel zum Rückgang der Inflation. Jenen, die auf eine Rückkehr zu den Zeiten unter 2 Prozent hoffen, um das eigene Investment doch noch zu retten, könnte aber eine unangenehme Überraschung drohen.

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Autoreninfo

Daniel Stelter ist Gründer des auf Strategie und Makroökonomie spezialisierten Diskussionsforums „Beyond the Obvious“. Zuvor war er bei der Boston Consulting Group (BCG). Zuletzt erschien sein Buch „Ein Traum von einem Land: Deutschland 2040“.

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Walter Bagehot, der berühmte englische Finanzautor und Herausgeber des Economist der 1860er und 1870er Jahre, erkannte schon damals: „John Bull kann vieles ertragen, aber er kann 2 Prozent Zinsen nicht ertragen.“ Bagehot meinte, dass John Bull, der britische Jedermann, niemals eine Rendite von weniger als 2 Prozent auf seine Ersparnisse akzeptieren würde. Eine Rendite, die damals über 300 Jahre lang normal war. Ironischerweise wird dieser Aphorismus heute auf den Kopf gestellt, wenn viele Schuldner, einschließlich der Regierungen, einen Zinssatz von mehr als 2 Prozent nicht mehr ertragen können. 

Bagehot erwartete schon damals, dass zu tiefe Zinsen dazu führen, dass auf der Suche nach Rendite unangemessene Risiken eingegangen und Projekte finanziert werden, die sich eigentlich nicht rechnen. Genau das, was auch in den letzten Jahren nach der Finanzkrise passiert ist. 

Denken wir an den Karstadt-Investor

Da gab es die Start-ups, bei denen Gewinne – wenn überhaupt – erst in ferner Zukunft zu erwarten sind. Bei einem Zins von null mag dies für die Investoren keine Rolle spielen. Bei einem Zins von 2 Prozent – oder gar mehr! – ist das ganz anders. Der Hoffnungswert Zukunft wird immer kleiner. Denken wir an Lebensmittellieferdienste wie Gorillas und Co

Da gab es Investoren, die auf billiges Geld und steigende Vermögens­preise setzten, um zum Beispiel große Immobilienportfolios aufzubauen. Man kauft ein Haus und überträgt es dann einige Zeit später zu einem höheren Preis auf eine andere Firma, die einem auch gehört. Dabei wertet man die Immobilie auf und hat so mehr Eigenkapital, um sich weitere Kredite zu beschaffen und weitere Immobilien zu kaufen. Das geht so lange gut, bis die Zinsen steigen und die Preise von Immobilien fallen. Die Blase platzt. Denken wir an den Karstadt-Investor René Benko.

Schlechte Performance

Doch auch vordergründig sinnvolle Investitionen sind plötzlich nicht mehr so attraktiv. Neben den deutlich gestiegenen Kosten machen die höheren Zinsen neue Projekte unwirtschaftlich. Denken wir an Windparks. Ein Grund für die schlechte Performance der Unternehmen für erneuerbare Energien in den vergangenen zwei Jahren. 
 

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Vieles, was in den letzten Jahren dank billigen Geldes als attraktive Investition galt, entpuppt sich als Illusion. Doch nicht nur private Projekte rechnen sich nicht mehr. Die seit Jahrzehnten stetig steigende Verschuldung vieler westlicher Industrienationen wird bei einem Zins oberhalb von 2 Prozent zu einer zunehmenden und vermutlich untragbaren Belastung. 

Beispiel USA: Dort dürfte die Zinslast des Staates von unter 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) bis 2028 auf fast 4,5 Prozent steigen – ein Anstieg um 50 Prozent! Verglichen damit steht Deutschland sehr gut da, mit einer Zinslast des Bundes von rund 1 Prozent des BIP, was aber nichts daran ändert, dass nach einem Anstieg der Zinsausgaben von gerade einmal vier Milliarden Euro im Jahr 2021 auf 40 Milliarden Euro 2023 an anderer Stelle Geld fehlt. 

Rückkehr zu alten Zeiten

Noch erwarten Optimisten einen baldigen Rückgang der Zinsen parallel zum Rückgang der Inflation. Schließlich hätte sich nichts an den grundlegenden Faktoren der letzten Jahre geändert: alternde Gesellschaft, schwache Produktivitätsfortschritte und damit schwaches Wachstum. Gut möglich, dass die Optimisten sich hier irren.

Deglobalisierung, zunehmender Protektionismus, deutlich höhere Ausgaben für Verteidigung und die offen zutage tretenden Kosten der Überalterung dürften die Inflation und damit die Zinsen länger höher halten als erwartet. Jenen, die auf eine Rückkehr zu den Zeiten unter 2 Prozent hoffen, um das eigene Investment doch noch zu retten, könnte eine unangenehme Überraschung drohen.

 

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