Viessmann, Stiebel Eltron und Vaillant - Von der politischen Konjunktur der Wärmepumpen profitieren deutsche Hersteller weniger als andere

Das Heizungsgesetz bleibt auch nach dem jüngsten Koalitionskompromiss der Versuch, die Wärmepumpe zur Standardheizung in Deutschland zu machen. Soviel herbeiregierte Sonderkonjunktur kann aber gerade für die heimischen Hersteller gefährlich werden.

Wärmepumpen-Produktion am Stammsitz von Viessmann im hessischen Allendorf / dpa
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Lukas Koperek ist Journalist und lebt in Mannheim und Berlin.

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Hundert Kilometer östlich der deutsch-polnischen Grenze, auf halbem Weg zwischen Görlitz und Breslau, liegt die Stadt Legnica. Der Ort, bis 1945 Liegnitz genannt, ist bekannt für seine pittoreske Altstadt, eine „Liegnitzer Bombe“ genannte, ziemlich marzipanlastige Lebkuchenspezialität und für seine 1997 geschaffene Sonderwirtschaftszone. Die Nähe zu Deutschland und Tschechien, örtliche Fachkräfte und Steuerbefreiungen für Investoren: Diese Vorzüge haben inzwischen auch deutsche Unternehmen angezogen – darunter Volkswagen, BASF und im vergangenen Jahr den Heizungshersteller Viessmann.

„Vor noch gar nicht langer Zeit fuhren die Polen nach Deutschland, um Spargel zu ernten“, kommentierte damals der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki die 200-Millionen-Euro-Investition des hessischen Familienunternehmens. „Heute kommen deutsche Technologie-Investoren nach Polen.“ Viessmann baut seine Produktionsstätte in Legnica aus, um der rapide steigenden Nachfrage nach Wärmepumpen Herr zu werden. Das machten die Hessen 2022 bekannt, nachdem ihr Wärmepumpen-Geschäft im Vorjahr mit einem Plus von 41 Prozent doppelt so stark gewachsen war wie der Gesamtumsatz. Der sprang 2022 dann von 3,4 auf 4,0 Milliarden Euro.

Viessmann wurde von Robert Habeck überrumpelt

Inzwischen sind die Viessmanns aus anderen Gründen in den Schlagzeilen: Im April haben sie angekündigt, ihre gesamte Heiztechnik-Sparte an den US-Konzern Carrier Global zu verkaufen. Und das, obwohl der Wärmepumpen-Markt in Europa brummende Geschäfte verspricht. Der politische Druck, die Energiewende voranzubringen, hat der Nachfrage nach den strombetriebenen Heizungen einen enormen Schub verliehen. In Deutschland ist der Druck besonders hoch: Die Bundesregierung will das Ende der Öl- und Gasheizungen gesetzlich erzwingen. Der im ursprünglichen Entwurf für das Gebäudeenergiegesetz vorgesehene faktische Zwang, eine Wärmepumpe einzubauen, ist zwar nach der jüngsten Einigung der Koalitionspartner abgeschwächt worden, aber die politische Präferenz bleibt.

Was hat es zu bedeuten, wenn ein kerngesundes Unternehmen seinen wichtigsten Geschäftszweig verkauft – in den es kürzlich erst Millionen­summen investiert hat –, und zwar ausgerechnet dann, wenn sich die Investition so richtig auszuzahlen scheint?

An der Frage scheiden sich die Geister: Vor dem Ausverkauf deutscher Traditionsunternehmen warnen die einen; die anderen träumen vom „grünen Wirtschaftswunder“. Für Wirtschaftsminister Robert Habeck zeigt der Teilverkauf von Viessmann, dass „deutsche Unternehmen viel Kapital anziehen, weiter leistungsfähig sind und der Markt für Wärmepumpen so attraktiv ist, dass er Investitionen anzieht“. Jedoch stellt der Kauf vorhandener Kapazitäten eben keine Investition dar. Es ist auch nicht eigentlich der „Markt“, der für ausländische Käufer wie Carrier Global so attraktiv ist, sondern die herbeiregierte Sonderkonjunktur für Wärmepumpen. Und wenn überhaupt, wird die eigenständige Leistungsfähigkeit Viessmanns durch die Verkaufsentscheidung nicht bewiesen, sondern infrage gestellt.

 

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Nach Bekanntgabe der Entscheidung sagte der Vorstandsvorsitzende Max Viessmann in einem Interview: Der frühere Nischenmarkt für Wärmepumpen sei „aufgrund von regulatorischen Entscheidungen zu dem dominanten Marktsegment“ geworden. „Das bedeutet, dass wir unsere über 100-jährige industrielle Vergangenheit in wenigen Monaten und Wochen umbauen müssen. Das erfordert sehr viele Mittel.“ Mittel, die Viessmann in so kurzer Zeit nicht aufbringen kann.

Ein schier unendlicher Kapitalbedarf

Statt der deutschen Industrie zum Aufschwung zu verhelfen, hat die Politisierung des Heizungsmarkts also genau das Gegenteil bewirkt. Um neue Produktionskapazitäten zu schaffen und damit den wachsenden Markt zu bedienen, muss ein Unternehmen hohe Summen investieren. Das haben die Viessmanns getan. Und nicht nur sie: Die Firma Vaillant, neben Bosch einer der Hauptkonkurrenten, hat seit 2016 eine Milliarde Euro in die Produktion von Wärmepumpen gesteckt und nimmt gerade eine Megafabrik im slowakischen Senica in Betrieb. Der kleinere Elektrohersteller Stiebel Eltron hat 2022 angekündigt, die Produktion mit 670 Millionen Euro hochzufahren. Die Industrie hat, anders als ihr von manchen vorgeworfen wird, die Trendwende nicht verschlafen. 

Durch die brachiale Beschleunigung des Markt­hochlaufs von Wärmepumpen hat die Bundesregierung den Kapitalbedarf für Investitionen jedoch sehr schnell in die Höhe getrieben. Für Viessmann kommt das absehbare Verbot von Ölheizungen und die starken Einschränkungen für Gasheizungen, die das profitable Kerngeschäft des Unternehmens ausmachen, als Belastung noch hinzu. Schließlich waren es vor allem die damit erzielten Gewinne, die dem Mittelständler Investitionen in die Wärmepumpen-Produktion erlaubt haben. Die gesetzliche Vorgabe lässt seine Haupt­einnahmequelle genau in dem Moment versiegen, in dem hohe Liquiditätsüberschüsse am nötigsten gewesen wären.

Zum Vorteil gereicht dies der ausländischen Konkurrenz. Carrier Global hat mit fünfmal so hohen Umsätzen wie Viessmann das Kapital für Investitionen und als gestandener Produzent nicht nur von Wärmepumpen, sondern auch von Klimaanlagen, die der Firmengründer Willis Carrier im Jahr 1911 erfunden hat, einen Vorteil gegenüber deutschen Herstellern.

Wärmepumpe und Klimaanlage sind Verwandte

Technisch hat die Klimaanlage viel mit der Wärmepumpe gemein. Während die Klimaanlage der Raumluft Wärme entzieht und sie nach draußen transportiert, macht die Wärmepumpe das Gegenteil: Sie befördert Wärmeenergie von einer Umweltquelle – etwa der Außenluft, des Grundwassers oder des Erdreichs – ins Haus herein. Die besonders beliebte Luft-Wasser-Wärmepumpe gewinnt Wärme aus der Außenluft, erhitzt damit Wasser für den Heizkreislauf.

Ein Ventilator saugt die Luft an und leitet sie an den sogenannten Verdampfer über. Darin zirkuliert ein Kältemittel, das bereits bei niedrigen Temperaturen seinen Aggregatzustand verändert. In Kontakt mit der Außenluft erwärmt es sich und beginnt zu verdampfen; der Dampf strömt in einen Kompressor, der ihn verdichtet, wodurch seine Temperatur steigt. In einem Verflüssiger überträgt der erhitzte Dampf seine Wärme auf das Heizsystem. Durch ein Entspannungsventil läuft er zurück, wobei Druck und Temperatur wieder auf das Ausgangsniveau sinken.

Der Clou: Mit einer Kilowattstunde elektrischer Energie kann die Wärmepumpe mehrere, theoretisch bis zu fünf Kilowattstunden Wärme generieren. Klimaanlagen funktionieren nach dem gleichen Prinzip; mittlerweile sind die Grenzen zwischen den Technologien fließend. Carrier etwa bietet seit Jahren reversible Wärmepumpen an, die sowohl heizen als auch klimatisieren können.

Bei Bestandsbauten explodieren die Kosten schnell

Das Interesse der Amerikaner gilt folglich weniger Viessmanns Produktionsstätten als vielmehr dem Vertriebsnetz des Unternehmens. Bislang hatte die deutsche Heizungsindustrie auch durch ihre Verzahnung mit dem Handwerk einen Heimvorteil: Oft bieten Installateure ihren Kunden Geräte eines bestimmten Herstellers an, weil sie an ihnen geschult sind. Durch die Übernahme von Viessmanns Heiztechnik-Sparte bekommt Carrier Global Zugang zum geförderten deutschen Markt. Der lockt Wettbewerber an, die Deutschland aufgrund der bislang geringen Marktgröße und der Hürde des Vertriebs durch heimische Installateure nicht im Visier hatten – nun auch asiatische Hersteller wie Daikin aus Japan und LG aus Südkorea.

Wie Carrier Global haben sie einen Vorteil durch ihre massenhafte Herstellung von Klimaanlagen. Die bereits vorhandene Infrastruktur und niedrige Produktionskosten erlauben es ihnen, deutlich günstigere Geräte auf den Markt zu bringen als deutsche Unternehmen – ein Trumpf, der sich jetzt auszahlen könnte. Denn sollte der Einbau neuer Öl- und Gasheizungen tatsächlich verboten werden, droht die finanzielle Überforderung vieler Hauseigentümer. Je nach Zustand des Gebäudes kommt auf sie ein größerer Umbau zu – nicht nur die Wärmepumpe müssen sie zahlen, sondern auch technisches Zubehör wie hydraulische Innenteile und Übergabestationen, um die Gasetagenheizung zu ersetzen, die nachträgliche Dämmung des Hauses, um effizient zu heizen, und nicht zuletzt auch die Installation.

„Bei Neubauten ist das erst einmal kein großes Problem“, sagt Peter Paul Thoma, Obermeister der Heizungsinnung in Frankfurt am Main. „Die sind so gut gedämmt und nach so vielen gesetzlichen Vorschriften gebaut worden, dass man problemlos mit Solaranlagen oder Wärmepumpen arbeiten kann.“ Ein Problem bekomme man dagegen bei Bestandsgebäuden. „Da ist man schon bei 20 000 bis 25 000 Euro pro Wohnung, die investiert werden müssen. Bei einem Haus mit zehn Wohneinheiten kommt man also schnell auf 250 000 Euro.“

Keine andere Wahl als asiatische Geräte

Durch die hohen Sanierungskosten öffnet sich ein Einfallstor für asiatische Hersteller. Ihre billigeren Wärmepumpen gewinnen bei den finanziell überforderten Hauseigentümern an Attraktivität. Handwerksbetriebe, die traditionell Produkte deutscher Hersteller wie Viessmann, Stiebel Eltron oder Vaillant anbieten, könnten sich auf den Druck ihrer Kundschaft hin gezwungen sehen, die asiatischen Geräte ins Sortiment aufzunehmen.

„Daikin hat es sich ganz eindeutig auf die Fahne geschrieben, in Deutschland ein Vertriebsnetz über Handwerksbetriebe aufzubauen“, sagt Thoma, der auch als FDP-Kommunalpolitiker in Frankfurt aktiv ist. Das japanische Unternehmen werbe intensiv um deutsche Heizungsbauer, um sie für den Vertrieb der eigenen Geräte zu gewinnen. Ihre Verfügbarkeit könnte für Kunden nicht nur die Kosten senken, sondern auch die Wartezeit verkürzen: „Unter Umständen würde man von Daikin so wesentlich schneller und günstiger eine Wärmepumpe bekommen als von deutschen Herstellern.“

Der Wärmepumpen-Boom könnte nicht nur der heimischen Heizungsindustrie zum Verhängnis werden, sondern auch den Handwerksbetrieben. Der Fachkräftemangel ist für sie jetzt schon ein großes Problem. Sollten die Hersteller, die viel höhere Gehälter zahlen können, anfangen, ihre eigenen Installateure zu schulen, könnten sie ausgehebelt werden. „Bislang wollte die Industrie eher nichts mit dem Einbau zu tun haben“, sagt Thoma, „aber wenn der Fachkräftemangel den Vertrieb behindert, werden sich die Hersteller schon zu helfen wissen, um ihre Geräte an den Mann zu bringen.“

Viessmann selbst ist kein Wärmepumpen-Dogmatiker

Prinzipiell ist Thoma für die Energiewende. „Aber man müsste erst einmal die richtigen Voraussetzungen schaffen, die Netze ausbauen, für ausreichenden regenerativen Strom sorgen und auch die Umstellung für die heimische Industrie erleichtern. Im Grunde machen wir in Deutschland den zweiten Schritt vor dem ersten.“

Dem stimmt Lamia Messari-Becker zu. Die Bauingenieurin und Professorin für Gebäudetechnologie und Bauphysik an der Universität Siegen ist ebenfalls eine Befürworterin der Energiewende. Ihre Kritik gilt dem Druck, den die Regierung auf Industrie und Verbraucher ausübt: „Die Art und Weise, wie das passieren soll, ist fraglich und kostet viel Akzeptanz gegenüber dem Klimaschutz.“

Messari-Beckers Forderung: eine diverse Wärmewende. Wärmepumpen-Alternativen wie grüne Gase und das Heizen mit Fernwärme, sagt sie, müssten einsatzfähig bleiben, wo sie die effizientere Lösung bieten. „Generell sollte man auch den Energiebedarf an sich reduzieren – durch Energieeffizienz, digital optimierte Heizungen, Kraft-Wärme-Kopplung, Abwärmenutzung und so weiter.“

Übrigens: Ein gespaltenes Verhältnis zur Wärmepumpe hat auch Max Viessmann. So gut sein Unternehmen an der Technik verdiene, sagte er Anfang 2022 in einem Interview – eine Wunderwaffe gegen den Klimawandel sei sie nicht. „Wir sind nicht so dogmatisch, dass wir sagen: Die Wärmepumpe allein wird es richten. Eine rein strombasierte Energiewende wird in Deutschland nicht zur CO2-Neutralität bis 2045 führen.“ Ein wichtiger Einwand: Immerhin ist noch die Hälfte des deutschen Stromes fossilen Ursprungs.

Welche Technologie am Ende Erfolg bringen wird, bleibt abzuwarten. Auch deshalb täte Deutschland gut daran, sich nicht vorschnell Fesseln anzulegen.

 

Dieser Text stammt aus der Juni-Ausgabe des Cicero, die Sie jetzt am Kiosk oder direkt bei uns kaufen können.

 

 

 

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