Umbauprogramm bei VW - Volkswagen will Konzernmarken vereinheitlichen

VW-Chef Oliver Blume führt seinen Multi-Marken-Konzern in ein großes Umbauprogramm. Kern dessen ist die Vereinheitlichung der verschiedenen Marken in Entwicklung und Produktion. Das birgt großes Potenzial, aber auch die Gefahr, Marken-Images zu schädigen.

Oliver Blume, Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG / picture alliance
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Ferdinand Knauß ist Cicero-Redakteur. Sein Buch „Merkel am Ende. Warum die Methode Angela Merkels nicht mehr in unsere Zeit passt“ ist 2018 im FinanzBuch Verlag erschienen.

 

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Wenn es nach Klimaaktivisten ginge, sollte Volkswagen ein völlig anderes Unternehmen werden: „Baut mehr Straßenbahnen“. Mit einem entsprechenden Plakat hatten Anhänger verschiedener Klimaschutzgruppen am Mittwoch die Zufahrt zum Stammwerk des Konzerns in Wolfsburg blockiert und laut dpa die VW-Mitarbeiter zu so etwas wie einer Öko-Revolution aufgefordert: „Lasst uns miteinander über einen echten, sozialen und ökologischen Umbau reden und gemeinsam für ein gutes Leben für alle kämpfen.“ Sie hätten genausogut sagen können: Wir wollen eure Arbeitsplätze vernichten.

Eine Revolution hat Konzernchef Oliver Blume nicht vor, aber ein Manager aus der Topebene spricht vom „größten Umbau seit Jahrzehnten“, vermeldet das Handelsblatt. In der deutschen Berichterstattung steht vor allem das Effizienzprogramm der Muttermarke Volkswagen im Zentrum. Ihr Ergebnis soll bis 2026 um zusammengenommen zehn Milliarden Euro verbessert werden, wie das Unternehmen am Mittwoch mitteilte. Die operative Marge soll damit auf 6,5 Prozent steigen. Im ersten Quartal hatte sie nur bei drei Prozent gelegen, von 100 Euro Umsatz blieben also nur 3 Euro Betriebsgewinn. Bei der Schwestermarke Audi sind es schon deutlich mehr, und es sollen noch mehr werden, nämlich zwölf bis 14 Prozent.

VW-Markenchef Thomas Schäfer kündigte auf einer Betriebsversammlung am Mittwoch an, Verwaltungsabläufe vereinfachen und beschleunigen zu wollen sowie die Effizienz in Entwicklung und Produktion zu erhöhen. VW-Kunden müssen sich zudem auf eine kleinere Modellpalette und weniger Ausstattungsvarianten einstellen. Und klar: Gleichzeitig soll die Produktqualität steigen.

Synergien heben durch Vereinheitlichung

Aber das ist eigentlich nur ein Detail in einem großen Umbau des Gesamtkonzerns, der weit über die Marke VW hinausreicht. Das Gefüge des Konzerns mit 676.000 Mitarbeitern und über 120 Produktionsstätten soll grundlegend verändert werden. Auf seiner Website wirbt Volkswagen noch mit seinen zehn „Kernmarken“, aber deren Rolle im Weltkonzern wird sich, das ist der Kern der großen Reform, grundlegend ändern. Extrem verknappend zusammengefasst: Diese Marken, die in eigenen Firmengeschichten wurzeln und zum Teil älter sind als die Muttermarke Volkswagen selbst, werden an Eigenständigkeit deutlich verlieren.

Die sogenannte „Markengruppe Volumen“, zu der VW, Skoda, Seat und Cupra gehören, muss ihr Ergebnis jährlich um etwa drei Milliarden Euro erhöhen. Wie das gelingen soll: Indem Entwicklungsarbeiten nicht mehrfach in den Tochtermarken stattfinden, sondern für alle gemeinsam. Auch in der Produktion sollen sich die Marken zusammenschließen. Klar, so kann auch die Auslastung einzelner Werke gesteigert werden, wenn ein VW-Werk auch Skodas oder Seats produzieren kann. Das ist seit Henry Ford und Frederick Winslow Taylor das Lieblingsrezept jedes Managers in einem großen, aus vielen Teilen bestehenden Unternehmen: Synergien heben durch Vereinheitlichung.

 

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Für den Autokäufer heißt das, es wird künftig weitgehend egal sein, ob er einen VW, einen Skoda oder einen Seat kauft. Allenfalls das oberflächliche Erscheinungsbild wird sich vielleicht noch ein wenig unterscheiden. Für die spanische „Volumen“-Marke Seat ist der Schritt wie eine Rückkehr zu den eigenen Ursprüngen. Seat wurde 1950 vom franquistischen Staat und dem italienischen Fiat-Konzern gegründet und baute bis zur allmählichen Übernahme durch Volkswagen in den 1970er-Jahren nur Fiat-Bauteile zusammen, die mit einem eigenen Logo versehen wurden. Sogar die Modellnummern wurden von Fiat übernommen. Auf dem abgeschirmten und damals noch wenig anspruchsvollen spanischen Markt war das zunächst ein Erfolg.

Aber Seat war damals eben auch nur im eigenen, spanischen Markt aktiv. Die internationale Erfolgsgeschichte Seats begann erst in den späten 1980er-Jahren, als VW übernommen hatte und Autos produzieren ließ, die eben nicht mit Fiats so gut wie identisch waren.

In der Vereinheitlichung der Marken steckt neben großen Chancen auf kurz- und mittelfristige Effizienzgewinne, die den Spielraum für Investitionen in Amerika und Asien schaffen sollen, auch eine Gefahr für den Konzern. Nämlich die Gefahr, Marken-Images langfristig zu schädigen. Oliver Blume sollte die Gefahr bewusst sein.

Langfristige Pflege einer eigenen Marken-Identität

Blume ist einer der Väter des Erfolgs der Marke Porsche. Die führt unter der Rubrik Sport & Luxus ein Eigenleben im VW-Marken-Konglomerat. Und Blume bleibt weiterhin auch als Konzernchef in Personalunion, was er seit acht Jahren ist: Porsche-Chef. Dass Porsche Vorbild für die anderen Marken sein soll, ist kein Geheimnis. Der neue Designchef im Konzern ist der Porsche-Chefdesigner. Auch die als Gesamtstrategie ausgegebene Entwicklung hin zum software-orientierten Konzern wurde und wird zuerst bei Porsche praktiziert. Die anderen Marken sollen folgen.

Aber der Porsche-Erfolg belegt eben auch, wie wichtig die langfristige Pflege einer eigenen Marken-Identität ist. Der Porsche-Käufer will eben kein Auto, in dem ein Großteil des Innenlebens mit dem eines Seat identisch ist. Und diese Gefahr droht durchaus auch schon zwischen den Volumen-Marken. Ein VW hat durchaus ein höherwertiges Marken-Image als ein Seat.

Für den Multimarken-Konzern VW ist die Pflege der Marken eine noch wichtigere Aufgabe als für die beiden deutschen Konkurrenten BMW und Mercedes-Benz. Beide bieten fast ausschließlich PKW mit Premium-Image. Wer einen BMW oder Mercedes kauft, hat weniger Grund anzunehmen, dass sein Auto unter einem anderen Logo für deutlich weniger Geld verkauft wird. Der Preisunterschied zwischen einem VW und einem Seat ist dagegen schon jetzt rational kaum zu rechtfertigen und er wird es in Zukunft, nach Blumes Reform, wohl noch weniger sein.

Premium-Image von Audi pflegen

Besonders wichtig muss es aus Konzernperspektive sein, das Premium-Image von Audi zu pflegen. Die großen Unterschiede der Margen innerhalb eines einzigen Mehrmarken-Autokonzerns mit hohen Margen bei den Premium-Marken, also die Fähigkeit, Fahrzeuge zu einem deutlich höheren Preis zu verkaufen als zu produzieren, beruhen zum großen Teil auf immateriell-irrationalen Illusionen, die mitverkauft werden. Audi- und erst recht Porsche- oder Lamborghini-Kunden zahlen sehr viel mehr für diese sogenannten Premium-Autos, als in ihnen eigentlich an Material, Entwicklung und Arbeit drinsteckt, während die Käufer der sogenannten Volumen-Marken nur etwas mehr bezahlen. Premiumkunden lassen sich rational betrachtet über den Tisch ziehen.

Ein Audi ist vermutlich qualitativ nicht soviel besser als ein Skoda, wie er teurer ist. Aber dafür kann der Audi- und noch mehr der Porsche-Fahrer mit einem solchen Auto jene „zivilisierte Form des archaischen Muskelzeigens und Aufplusterns“ ausleben, die schon 1899 Thorstein Veblen in seiner „Theorie der feinen Leute“ untersuchte. Um nichts anderes geht es letztlich bei der Steigerung von Margen im Autogeschäft.

Doch dieses Premium-Privileg der hohen Margen muss langfristig eben doch auch durch qualitative Erfahrungswerte der Kunden unterlegt sein. Über die Jahrzehnte haben solvente Autokäufer den begründeten Eindruck gewonnen, dass ein Audi einerseits schöner als ein Seat ist, aber andererseits auch technisch besser. Wenn eine Marke dieses Versprechen langfristig nicht erfüllt, erlischt ihr Glanz.

Man muss nur ein paar Jahrzehnte zurückblicken: In den späten 1970er-Jahren etwa galt Audi als spießig. Mit dem dynamischen Image von BMW konnte die Ingolstädter Marke damals nicht konkurrieren, und auch kaum ein Minister oder Topmanager ließ sich in einem Audi-Dienstwagen kutschieren. Dass sich das änderte, ist das bleibende Vermächtnis von Ferdinand Piech und seinem legendären Ingenieur Fritz Indra. Sie führten die Marke Audi zu einem Edel-Image. Der bis heute weltbekannte Werbe-Claim lautete „Vorsprung durch Technik“. Wenn dieser Vorsprung nicht gehalten werden kann, nutzen Vereinheitlichungen in Entwicklung und Produktion nur mittelfristig.

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