Kein Verbrennerverbot für Lkw - Bei Elektro-Lastwagen drückt die EU auf die Bremse

Die EU-Kommission will, dass Dieselmotoren in Lastwagen und Bussen auch zukünftig erlaubt bleiben. Zwar sollen deren CO2-Emissionen drastisch sinken, aber ein Verbrennerverbot wie für normale Autos wird es nicht geben. Und das ist vernünftig.

Kurioses Pilotprojekt in Baden-Württemberg: Auf dem „eWayBW“ fahren Lastwagen an einer Oberleitung / dpa
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Daniel Gräber leitet das Ressort Kapital bei Cicero.

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Auf der Bundesstraße 462 im badischen Murgtal ist eine Kuriosität zu bestaunen: Lastwagen fahren dort unter einer Oberleitung entlang, aus der sie den Strom für ihren Elektromotor beziehen. Sie sehen aus wie eine Kreuzung aus Lkw und Zug. Das Prestigeprojekt der grün-schwarzen Landesregierung wird vom Bundesumweltministerium mit 26,4 Millionen Euro gefördert und in der Logistikbranche als Schildbürgerstreich verspottet. Einige Unternehmen beteiligen sich trotzdem daran. Solange das Fördergeld fließt, ist das ja kein Fehler.

Die große Verkehrswende, die den Abschied von fossilen Brennstoffen im Straßenverkehr zum Ziel hat, kommt schon bei normalen Autos nur schleppend voran. Das Elektromobil ist zwar auf dem Vormarsch, aber den allermeisten Autofahrern ist es immer noch lieber, wenn ihr Fahrzeug einen Tankdeckel hat. Im Schwerlastverkehr wird es noch schwieriger, den Dieselmotor durch einen Elektroantrieb zu ersetzen. Denn wenn es darum geht, etliche Tonnen Fracht über lange Strecken zu transportieren, wären gigantische Batterien notwendig, die dann wiederum zusätzliches Gewicht haben.

Die Weichen werden in Brüssel gestellt

Deshalb kamen die für ihre Pfiffigkeit und Liebe zur Tüftelei berühmten Baden-Württemberger auf die Idee mit dem „eWayBW“. So heißt die Pilotstrecke im Murgtal bei Gaggenau, auf der Elektrolastwagen an der Oberleitung statt an einer Batterie hängen. Der offensichtliche Nachteil: Man braucht Oberleitungen. In Deutschland kommt derzeit schon der Bau von Bahnstrecken, Strom- und Glasfaserleitungen nicht richtig voran. Dazu noch ein ganz neues Verkehrssystem aufzubauen, nämlich Fernstraßen mit Masten zu versehen, ist ein sehr ehrgeiziges Unterfangen.

Die entscheidenden Weichen für die Verkehrswende werden allerdings ohnehin nicht in Gaggenau, Stuttgart oder Berlin gestellt, sondern in Brüssel. Dass im Land von Carl Benz, Gottlieb Daimler und Rudolf Diesel, das seinen wirtschaftlichen Aufstieg nach zwei Weltkriegen unter anderem der Perfektionierung des Verbrennungsmotors zu verdanken hat, dieser ab 2035 in Neuwagen verboten wird, hat die Europäische Union entschieden. Im Deutschen Bundestag hätte ein solcher Gesetzesvorschlag wohl kaum eine Chance auf Erfolg gehabt.

Klimaschutz-Kommissar konnte sich nicht durchsetzen

Ehrgeizige EU-Politiker aus Mitgliedsländern, in denen die Automobilindustrie keine nennenswerte Rolle spielt, wollten das Verbrennerverbot, das für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge gilt, auch auf Busse und größere Lastwagen ausweiten. Zu deren Vorkämpfern zählt der niederländische Sozialdemokrat Frans Timmermans, Klimaschutz-Kommissar und Stellvertreter der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Doch er fand diesmal innerhalb der Kommission keine Mehrheit. Am Dienstag stellte Timmermans deren Vorschlag zur CO2-Reduzierung im Schwerlastverkehr vor. Den Nutzfahrzeugherstellern sollen zwar drastische Emissions-Einsparungen vorgeschrieben werden, aber ein generelles Verbrennerverbot für Lastwagen und Busse ist vom Tisch.

„EU-Kommission nimmt von Verbots-Ideologie Abstand“

Der niedersächsische Europaabgeordnete Jens Gieseke (CDU), der sich innerhalb der EVP-Fraktion um das Thema kümmert und schon das Pkw-Verbrennerverbot politisch bekämpft hat, triumphierte. „Die EU-Kommission nimmt endlich von ihrer Verbots-Ideologie Abstand. Der sozialdemokratische Vizepräsident Timmermans hat sich offenbar nicht durchsetzen können. Das ist ein Erfolg für alle, die in den vergangenen Monaten für Technologieoffenheit geworben haben“, teilte er mit.
 

Maschinenbauprofessor Thomas Koch im Cicero Wirtschaft Podcast:
„Sobald der Verbrenner verboten ist, wird gegen das Elektroauto gehetzt“


„Was bleibt, ist aber trotzdem ein Vorschlag mit sehr ambitionierten Reduktionszielen, die eine große Herausforderung für die Industrie sind. Die Kommission ignoriert weiter das Potential von synthetischen Kraftstoffen und misst ihnen keine besondere Bedeutung bei. Das ist fahrlässig“, kritisierte Gieseke jedoch den am Dienstag vorgestellten Vorschlag.

CO2-Ausstoß soll um 90 Prozent gesenkt werden

Vorgesehen ist, dass der durchschnittliche CO2-Ausstoß bei schweren Nutzfahrzeugen bis zum Jahr 2040 um 90 Prozent im Vergleich zu 2019 reduziert wird. Betroffen sind neu zugelassene Fahrzeuge. Um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, müssen einige Elektro-Lkw auf die Straßen. Im Durchschnitt gleichen sie dann die CO2-Emissionen der neuen Diesel-Lastwagen und -Busse aus. Umweltorganisationen hatten ein 100-Prozent-Ziel gefordert. Dann wären gar keine Dieselmotoren mehr in neuen Lastwagen erlaubt gewesen.
 

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Die Lastwagen-Hersteller setzen derzeit auf drei Alternativen. Zum einen entwickeln sie batteriebetriebene Lkw für kürzere Strecken, also den innerstädtischen Verteilverkehr, etwa für die Belieferung von Supermärkten. Zum anderen setzen sie auf Wasserstoff, das Gas, das mit Erneuerbaren Energien erzeugt werden soll und als Brennstoff der Zukunft gilt.

Wasserstoff als Alternative

Um Wasserstoff in Fahrzeugen zu verwenden, gibt es wiederum zwei unterschiedliche Konzepte. Entweder wird daraus in einer Brennstoffzelle Strom erzeugt, der einen Elektromotor antreibt. Daran arbeitet etwa Daimler Truck in einem Joint Venture mit Volvo. Oder der Wasserstoff wird in einem neuartigen Verbrennungsmotor direkt genutzt. Auch das ist ein technologischer Pfad, der in der Automobilbranche verfolgt wird. Die baden-württembergische Idee, Lastwagen an Oberleitungen zu hängen, gilt hingegen allenfalls als Nischenlösung und wird in der Industrie eher belächelt.

All diese Konzepte haben eines gemeinsam: Sie zu entwickeln und bis zur Marktreife zu bringen, ist für die Unternehmen mit gewaltigen Investitionen in eine ungewisse Zukunft verbunden. In Brüssel hat sich seit dem Dieselskandal die Vorstellung durchgesetzt, dass die Autoindustrie nicht streng genug behandelt werden kann. Das Verbrennerverbot für Pkw und das zwar etwas mildere, aber immer noch drastische 90-Prozent-Einspar-Ziel für Lkw sind Ausdruck davon. Doch die ehrgeizigsten umweltpolitischen Ziele nützen nichts, wenn sie der Wirtschaft keine Luft mehr lassen, um sie zu erreichen.  

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