Rohstoffgewinnung - „Lithium ist nicht ersetzbar“

Wer die Energiewende will, braucht gigantische Mengen Rohstoffe. Christian Möbius, CEO von Southern Cross Britannia, erklärt im Interview, wie sein Bergbauunternehmen in Argentinien auf 4100 Höhenmetern Lithium sucht, findet und abbaut.

Salzwüste in Argentinien / picture alliance
Anzeige

Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

So erreichen Sie Ben Krischke:

Anzeige

Christian Möbius ist Geologe und CEO des Bergbauunternehmens Southern Cross Britannia mit Sitz in London. Im Jahr 2017 war er, damals noch als Projektmanager bei Hansa Hydrocarbons tätig, maßgeblich an der Entdeckung des größten Offshore-Gasfeldes im deutsch-niederländischen Hoheitsgebiet verantwortlich. Southern Cross Britannia, das Möbius gegründet hat, ist auf die Erkundung und Entdeckung von Metallen spezialisiert, wie zum Beispiel Lithium.

Herr Möbius, wenn es um den Abbau von Lithium geht, steht vor allem Chile im Fokus. Ihr Unternehmen ist allerdings in Argentinien aktiv. Warum? 

Chile und Peru sind für etwa 45 Prozent aller neuen Kupferentdeckungen seit 1990 verantwortlich, Chile allein produziert heute 30 Prozent des weltweiten Kupfers, und auch etwa ein Viertel der weltweiten Lithium-Produktion entfällt auf Chile. Das Land hat also einen riesigen Bergbausektor. Aber Chile hat auch eine gemeinsame Grenze mit Argentinien von rund 5300 Kilometern und die gleiche Geologie in der Grenzregion. Da ist es naheliegend, dass auch Argentinien viel Potenzial für den Bergbau hat. Bisher waren Projekte wie unsere in Argentinien aber kaum möglich, Investments wegen der politischen Situation zu riskant.

Was hat sich verändert? 

Im Jahr 2001 hatte Argentinien einen Staatsbankrott. Danach waren über Jahre sehr linksgerichtete Regierungen an der Macht. Im Dezember 2015 übernahm erstmalig seit dem Staatsbankrott eine wirtschaftsliberale Regierung. Dieser wurde nach zwei Amtsjahren von den meisten internationalen Analysten ein gutes Zeugnis ausgestellt, und die ausländischen Direktinvestitionen zogen langsam an. Nicht nur, aber auch im Bergbausektor, weil die Regierung das Bergbaugesetz im Jahr 2017 überarbeitet hat, um Investitionen in den Sektor anzuziehen. Im Jahr 2019 übernahm wieder eine linke Regierung, aber im Oktober sind Wahlen, und es sieht alles nach einem Regierungswechsel aus. 

Eine wirtschaftsliberale Kraft ist für Investitionen wichtig: Denn für langfristige Projekte braucht es eine Jurisdiktion, auf die man sich verlassen kann, die nicht unerwartet und unilateral die Rahmenbedingungen ändert. Mir erscheint Argentinien heute als ein attraktiver Erkundungsstandort. Bei mir persönlich kommt noch hinzu, dass ich argentinischer Staatsbürger bin, da mütterlicherseits argentinisch. Das heißt, ich verfüge über ein gutes Netzwerk in Argentinien, ich spreche die Sprache und kenne die Mentalität. 

Was tun Sie also konkret, im ersten Schritt? 

Es gibt in Argentinien sehr viele Gegenden, die Potenzial für den Bergbau haben, aber bis vor wenigen Jahren noch frei waren. Es geht darum, solche Flächen zu identifizieren und sich dann um die entsprechenden Bergbaulizenzen zu bemühen. Dazu gehört auch, auf dem Schirm zu haben, wenn irgendwo Lizenzen nicht mehr aktiv sind. Da hilft zum Beispiel ein Blick in die argentinische Lokalpresse, wo dies publiziert wird. 

Identifizieren Sie nur oder bauen Sie auch ab? 

Das kommt darauf an. Eine große Kupfer- oder Gold-Entdeckung würden wir nicht in Produktion bringen. Das ist einfach zu komplex. In diesem Geschäft nutzt man immer auch Gelegenheiten, weshalb man immer offen ist für Übernahmeangebote. Bei Lithium ist das anders, da kann man sich entsprechendes Knowhow gut zukaufen. 

Ich fasse kurz zusammen: Sie checken die geologischen Daten, welche Region besonders vielversprechend ist für ein hohes Vorkommen, und schauen, wer über welche Lizenz verfügt – oder eben nicht. Im nächsten Schritt überlegt man dann, ob man Investoren ins Boot holt oder verkauft oder selbst in irgendeiner Form aktiv wird. Ungefähr korrekt? 

Das Ziel ist, die guten von den weniger guten Gegenden zu identifizieren und die guten Gegenden durch aufeinander folgende Erkundungsphasen reifen zu lassen. Die letzte Erkundungsphase ist eine Bohrkampagne. Das heißt, eine Entdeckung ist immer das Resultat von Bohrlöchern. Das geht in der Bergbauindustrie nicht anders. Man bohrt dann so lange weiter, bis man an den Rand dieser Entdeckung kommt. Nach jeder Phase unterziehen wir die erkundeten Ziele einer strengen Beurteilung. Eine Entdeckung ist ein Buchwert bestehend aus Tonnen an Gestein und Mineralkonzentration. Darauf basierend wird dann das Development geplant. 

 

Mehr zum Thema:

 

Verstanden. Nun befindet sich Argentinien ja nicht auf dem Mars. Das heißt, irgendwem gehören diese Vorkommen eigentlich. 

Wie in fast allen Ländern der Welt sind auch die Rohstoffe in Argentinien Eigentum des Staates. Die einzige Ausnahme sind übrigens die USA. Dort ist nicht der Staat, sondern der Landeigentümer, der Bauer zum Beispiel, Eigentümer der Rohstoffe. Aber das nur am Rande. In Argentinien sind die Rohstoffe heute Eigentum der Provinzen, die dann selbst entscheiden können, ob sie ihre Rohstoffe kommerzialisieren wollen oder nicht. Ein Auftrag zur Kommerzialisierung bedeutet dann, Investments anzuziehen, Lizenzen zu vergeben oder zurückzuziehen von den Pächtern, zum Beispiel, wenn sie nicht erkunden oder die Pacht nicht zahlen. Es wird auch eine Umweltverträglichkeitsprüfung verlangt, die alle zwei Jahre erneuert werden muss.

Und der Staat verdient mit, wenn Sie eine Lizenz nutzen, nehme ich an. 

Richtig. Die Beteiligung des Staates an der Produktion beträgt derzeit 4,5 Prozent auf den Metallwert am Minenausgang. Das klingt erstmal wenig, aber damit ist auch nicht die Profit-Marge gemeint, sondern wirklich nur der Metallwert selbst. Dem Staat ist zum Beispiel egal, welchen finanziellen Aufwand die Unternehmen haben, um die Rohstoffe zu gewinnen. Das bedeutet, dass der Staat etwa 10 Prozent an der Profitmarge verdient. Obendrauf kommen dann noch die Steuern, 35 Prozent auf den Gewinn. Das kann bisweilen schon happig werden. Etwas Abhilfe schafft mittlerweile aber eine Regelung, die die Regierung kürzlich eingeführt hat, wonach die Erkundungsausgaben nicht mehr nur zu 100 Prozent, sondern zu 200 Prozent abgeschrieben werden können. Ist eine Entdeckung groß genug, verdienen alle Beteiligten gut daran. 

Vom Abbau zum Einbau: Ein Grund, warum Sie und andere Unternehmen überhaupt aktiv sind zum Beispiel beim Lithium-Abbau ist ja die in Europa geplante Elektrifizierung der Mobilität. Mal ganz grundsätzlich: Was brauche ich denn an Metallen für so ein Elektroauto? 

Man braucht Lithium für die Batterie. Kupfer für Kabel und Elektromotor. Außerdem seltene Erden für Magnete. Und man braucht Kobalt, was wohl der kritischste aller Rohstoffe ist. Denn etwa drei Viertel des Kobalts kommen aus dem Kongo, teils aus verifizierten, aber eben teils auch aus zweifelhaften Quellen. 

Alles im Sinne der Klimaziele

Ja, die Frage ist eben, was braucht man, um die von UN, EU und den Nationalstaaten festgeschriebenen Klimaziele zu erreichen. Die Realität ist, dass, wenn man diese Ziele wirklich umsetzten möchte, wir einen gewaltigen Rohstoffbedarf haben, für das Windrad, für das Solarpaneel, für das Elektroauto bis zur dafür nötigen Ladeinfrastruktur. 

Bleiben wir mal beim Lithium. Was ist Lithium eigentlich? 

Lithium ist ein Element ganz links oben im Periodensystem und das leichteste Metall von allen. Es wird für Lithium-Ionen-Batterien gebraucht, die in Elektrofahrzeugen als Stromquelle dienen. Es ist auch nicht ersetzbar. Denn selbstverständlich kann man eine neue Technologie erfinden, aber eben kein neues Element.  

Ohne Lithium geht also gar nichts? 

Theoretisch würde auch Natrium gehen. Aber Natrium-Batterien sind noch zu schwer für Elektroautos. 

Wie wird das Lithium konkret abgebaut? 

Es gibt zwei Arten von Lithium-Lagerstätten: Das eine sind Festgesteinlagerstätten. Diese enthalten Gestein, das reich an Lithiummineralen ist und große Kristalle und Quarz enthält. Das Gestein wird im klassischen Tagebau abgetragen. Dabei kommt auch Sprengstoff zum Einsatz. Es wird mit dem Bagger aufgeladen, zerkleinert, pulverisiert und getrennt. Die zweite Variante – und das machen wir in Argentinien – ist die Gewinnung von Lithium aus Salzseen und Grundwasserlagerstätten. Das ist der deutlich geringere Eingriff in die Natur. Diese Lagerstätten enthalten gelöste Lithiumverbindungen, in Form von Sole. Die Gewinnung erfolgt durch Herausfiltern des Lithiums aus der Sole. 

Das heißt, Sie trocknen den Salzsee aus, um Lithium zu gewinnen?

Nein, wir pumpen die Sole aus tieferen Gesteinsschichten. Man muss dazu sagen, dass dieses Wasser so salzig ist, dass weder Mensch noch Tier es trinken können. Das Wasser fände also gar keine andere Verwendung. 

Aber aufbereiten könnte man es doch, oder? 

Wahrscheinlich. Aber man muss das schon in Kontext setzen. Wir befinden uns in Argentinien in den Hochanden, auf 4100 Metern. Manche Salzseen sind noch höher. Das ist ein Landstrich, in dem es 80 Millimeter pro Jahr regnet, der also sehr trocken ist. Dieser eignet sich eigentlich nicht, um dort zu leben. Und de facto lebt dort auch fast niemand. 

Tiere und irgendwelche Mikroorganismen schon. 

Ja, es gibt zum Beispiel freilaufende Lamas. Die fressen das sehr trockene Gras und trinken hier und da aus Quellen. Und ja, tatsächlich leben dort auch vereinzelt Indigene. Das sind aber sehr kleine Gesellschaften, vielleicht mal ein Dorf mit 20 Einwohnern, also sehr dünn besiedelt. Im Umkreis von 150 Kilometern sind es in unserem Fall 30 Menschen, und die sind nochmal 100 Kilometer nördlich von uns angesiedelt. Stellen Sie sich die Region als eine Art Mondlandschaft vor. Sehr wild, sehr schön, aber dort wächst halt fast nichts. 

Wobei das Lithium ja nicht von selbst ins Tal kommt. Das heißt, Sie brauchen die Infrastruktur und LKWs, die das Material abtransportieren.  

Selbstverständlich brauchen wir Straßen und LKWs. Das mag nicht schön sein, aber tatsächlich sieht die Regierung es eher als Errungenschaft, wenn durch solche Projekte auch eine entsprechende Infrastruktur entsteht; dass asphaltiert wird und Straßen gebaut werden. 

Christian Möbius, CEO von Southern Cross Britannia

Für mich klingt das logisch und auch nach einem pragmatischen Ansatz. Wer Lithium braucht, muss es auch abbauen. Trotzdem hat der Lithium-Abbau keinen guten Ruf. Umweltschäden und soziale Konflikte sind zwei Aspekte. 

Sie haben Recht. Es gibt viele Berichte über indigene Menschen, die sich gegen den Lithium-Abbau in ihrer Region wehren. Aber es gibt auch Gegenden, in denen die Bevölkerung Bergbauprojekte befürwortet. Bergbauprojekte in der Tiefebene sind komplexer. Dort gibt es Vegetation und eine größere Bevölkerungsdichte. Dann ist man zum Beispiel besonders gehalten, die Menschen vor Ort einzubinden. Der Landstrich, wo wir aktiv sind, wurde nie privatisiert, weil er total unattraktiv für die Landwirtschaft ist, geradezu lebensfeindlich. Wenn man an solchen Orten indigene Communities hat, muss man diese aber dennoch einbinden. Und normalerweise ist das für alle Seiten sogar eine positive Angelegenheit, weil man den Menschen Jobmöglichkeiten bieten kann. 

Wie sieht es in Argentinien mit Arbeitnehmerrechten aus? 

Gut. Die Arbeiter in den Bergwerken sind sogar gewerkschaftlich organisiert.  

Und der Staat überwacht auch die Umweltverträglichkeit solcher Projekte? 

Es gibt staatliche Richtlinien und Kontrollen. Dabei orientiert man sich zunehmend auch an Ländern wie den USA oder Kanada. Ein Beispiel: Bei den Erkundungen in Argentinien ziehen wir etwa zwei Meter tiefer Gräben. Die müssen anschließend wieder zugeschüttet werden. Entsprechende Regeln existieren also. 

Wir sprachen schon über die Klimaziele, damit einhergehende Elektrifizierung und darüber, dass wir dafür sehr viele Rohstoffe brauchen werden. Ist es denn überhaupt realistisch, diese ganzen Mengen zu fördern? 

Das ist ein großes Fragezeichen. Aber: Bei so einer großen Nachfrage zeigt sich Marktwirtschaft immer sehr leistungsfähig. 

Es geht ja nicht nur um irgendwelche Ziele bis 2040, sondern darum, dass Individualverkehr auch in 100 Jahren noch möglich sein sollte. 

Ich glaube, das könnte sich ausgehen. Aus zwei Gründen: Erstens ist ja möglich, dass sich der globale Bevölkerungszuwachs stabilisiert, auch in den bevölkerungsreichsten Teilen der Welt, wie in China und Indien. Auch diese Länder werden natürlich trotzdem nach einem höheren Lebensstandard streben. Will heißen: Autos, Fernseher, Mobiltelefone. Aber es gibt ja auch viele Anstrengungen beim Thema Recycling. Zweitens: Wissenschaft und Technologien entwickeln sich mit zunehmender Geschwindigkeit weiter. Wir können vom heutigen Stand also nicht darauf schließen, was in 20, 30 Jahren ist. 

Die Politik setzt derzeit vor allem auf Planwirtschaft. Was halten Sie davon? 

Wenn der Staat zu groß wird und zu sehr eingreift, dann kommt es sehr schnell zu Fehlallokationen und Ressourcenverschwendung. Ein überbordender Staat hat zudem immer etwas Totalitäres in sich. Für mich ist der Markt mit einem funktionierenden Systemimperativ, dem Wettbewerb, eigentlich das natürliche Umfeld. Deshalb bin ich der Meinung, dass der Staat den Ordnungsrahmen setzen und sich der Markt innerhalb dieser Regeln sonst frei entfalten sollte.

Gleichzeitig verdienen Sie ja daran, dass die Europäische Union beim Thema Mobilität planwirtschaftet, oder?

Paradoxerweise ja. Der Push hin zu den Erneuerbaren Energien und zur Elektromobilität erfolgt ja nicht ausschließlich über den freien Markt, sondern schon über eine politische Agenda, die viele Länder dieser Welt verfolgen. Gleichzeitig wurde dadurch auch ein Markt geschaffen, in dem wir als Unternehmen tätig werden konnten. Aber das ist ja unsere Aufgabe.  

Das Gespräch führte Ben Krischke.

Anzeige