Bäckereihandwerk unter Druck - „Wir erleben Kostensteigerungen von rund 30 Prozent“

Drohende Gasknappheit und steigende Energiepreise machen den deutschen Bäckereien zu schaffen. Hinzu kommen gestiegene Personalkosten und in der Corona-Pandemie aufgebrauchte Rücklagen. Im Interview schildert Daniel Schneider den Ernst der Lage, erklärt, warum die meisten Backöfen mit Gas laufen und warum er trotz der schwierigen Situation zuversichtlich bleibt.

„Die Bäcker kalkulieren ihre Preise mit spitzer Feder“: Blick in eine Backstube / dpa
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Autoreninfo

Nils Westerhaus hat Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft studiert und war als Praktikant bei Cicero tätig.

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Daniel Schneider ist Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks. Als Spitzenverband des backenden Gewerbes in Deutschland verfolgt der Verein laut eigenen Angaben die Interessen von deutschlandweit knapp 10.000 Betrieben mit mehr als 240.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von 14,89 Milliarden Euro in Bäckereien und Konditoreien.

Herr Schneider, wessen Interessen vertritt der Zentralverband, und wer sind Ihre Mitglieder?

Wir sind die Stimme des Deutschen Bäckerhandwerks, also aller backenden Betriebe, die in der Handwerksrolle eingetragen sind. Die Mehrzahl dieser Handwerksbäcker sind Innungsmitglieder, um sich in der Innung auszutauschen und ihre Interessen gemeinsam zu vertreten. Innungsbäcker sind teils kleine Betriebe, bei denen die Backstube hinter dem Verkaufsraum liegt, aber auch größere Betriebe mit mehreren hundert Mitarbeitern und dutzenden Filialen.

Welche Bedeutung hat Gas für die Produktion von Backwaren?

Die Mehrzahl der Handwerksbäcker betreiben ihre Backöfen heutzutage mit Gas, da es eine günstige und effiziente Energiequelle ist. Die drohende Gasknappheit und die steigenden Energiepreise sind daher im Moment unser größtes Thema. Als Verband arbeiten wir mit Hochdruck daran, dass die Handwerksbäckereien im Falle einer Gasrationierung oder wenn die Gasnotfallstufe drei ausgerufen werden sollte, weiterhin versorgt werden, um produzieren zu können.

Inwiefern?

Dazu stehen wir und unsere Dachverbände mit der Politik und der Bundesnetzagentur in engem Kontakt. Deren Vorsitzender Müller hatte bereits vor einigen Wochen angekündigt, dass Betriebe mit einem Jahresverbrauch von 1,5 Millionen Kilowattstunden nicht abgeschaltet werden würden. Unter diese Ausnahme würden die meisten handwerklichen Bäckereibetriebe fallen. Wir hoffen, es bleibt bei dieser Zusage, allein deshalb, weil wir systemrelevant sind und die Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln versorgen.

 

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Was können die einzelnen Bäckereien tun, um die drohende Gaskrise zu meistern?

Da sind die Möglichkeiten leider relativ begrenzt. Zum einen können die Bäckereien über ihre Ofenhersteller ihre Öfen von Gasbefeuerung auf beispielsweise Strom umstellen. Das ist zumindest theoretisch bei vielen Öfen möglich. In der Praxis ist das aber nicht so einfach. Zum einen ist das zeitintensiv – dafür braucht es entsprechende Dienstleister. Zum anderen ist es teuer, und die Strompreise sind nicht kalkulierbar. Das Geld zum Umrüsten können sich die Unternehmen nicht mal eben aus dem Ärmel schütteln, da viele Bäckereien in der Corona-Pandemie herbe Umsatzverluste hatten. Dass neben den Energie- auch die Rohstoff- und Personalkosten weiter steigen, trifft das Handwerk zusätzlich. Wir erleben Kostensteigerungen von rund 30 Prozent.

Wird diese Preissteigerung auch so an die Verbraucher weitergegeben?

Daniel Schneider

Die Bäcker kalkulieren ihre Preise mit spitzer Feder. Wir haben derzeit eine Situation, in der alles für jeden teurer wird. Die Kaufkraft der Verbraucher schwindet, das heißt, die Bäckereien können die Preise nicht eins zu eins weitergeben, weil ihnen sonst die Kunden ausbleiben. Viele Betriebe berichten, dass der Umsatz in der gleichen Größenordnung zurückgegangen ist, wie die Inflation gestiegen ist.  

Bedeutet das, dass viele Bäckereien von ihren finanziellen Reserven leben oder sich verschulden müssen?

Die Eigenkapitalbasis vieler Betriebe dürfte aufgrund der Corona-Krise deutlich schmaler sein. Für die Betriebe gibt es andere Möglichkeiten, ihre Rentabilität zu steigern, etwa, indem das Sortiment verschlankt und nach Kostenfressern gesucht wird. Beim Kundenverhalten spüren die Betriebe deutlich, dass der Gürtel enger geschnallt wird. Gespart wird am kleinen Luxus, wie zum Beispiel Torten.

Und wenn Sie einen Blick in die Zukunft werfen?

Die jetzige Lage ist sehr unsicher. Man kann natürlich einen neuen Ofen kaufen, aber angesichts der Gesamtlage ist es nicht sicher, ob er sich jemals amortisiert, und die Stromkosten sind ebenfalls unkalkulierbar. Auch die Rohstoffsituation ist sehr unsicher. Dadurch, dass Mehl weltweit gehandelt wird, sind die Handwerksbäcker den Weltmarktpreisen ausgeliefert. Insgesamt ist es schwierig, eine Prognose für das Bäckerhandwerk abzugeben.

Gibt es dennoch Grund für Optimismus?

Ja. Ich bin deshalb zuversichtlich, weil auf den Unternehmergeist und die Qualität des Handwerks Verlass ist. Wo die maschinell-industrielle Produktion nicht auf Eventualitäten reagieren kann, liegt unser Vorteil darin, dass der einzelne Bäcker mit seinem Wissen und Können schnell und flexibel reagieren kann. Und wenn Sie sich die Krisen der Vergangenheit anschauen, dann war das backende Handwerk immer wie ein Fels in der Brandung und hat die Bevölkerung zuverlässig ernährt.

Die Fragen stellte Nils Westerhaus.

 

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