Klimaschutz durch Mehrkosten - Was ist falsch am nationalen CO2-Preis?

Die Regierung will erneut demonstrieren, wie ernst es ihr mit dem Klimaschutz ist. Deshalb wird der CO2-Preis doch deutlich angehoben. Das Problem: Nach dem beschlossenen Prinzip kann dieser seine bestmögliche Wirkung gar nicht entfalten.

Morgendlicher Verkehr auf dem Kaiserdamm in Berlin / dpa
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Joachim Weimann ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Magdeburg.

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Die Bundesregierung hat gerade beschlossen, den nationalen CO2-Preis im nächsten Jahr doch von gegenwärtig 30 auf 45 Euro pro Tonne CO2 anzuheben (wie vor der Energiekrise geplant), anstatt nur auf 35 Euro. Vermutlich geschah dies, weil die Regierung erneut demonstrieren möchte, wie ernst es ihr mit dem Klimaschutz ist. Wenn es ihr damit aber wirklich ernst ist, dann fragt man sich, warum sie den CO2-Preis nicht so einsetzt, dass er seine bestmögliche Wirkung für den Klimaschutz entfalten kann. Dafür wäre es notwendig, dass jede CO2-Emission mit dem gleichen Preis belegt wird.

Die ökonomische Ratio hinter diesem Erfordernis ist die folgende: Wird ein CO2-Preis erhoben, werden die Emittenten überlegen, was für sie günstiger ist – die Emission von CO2 und die Zahlung des dann fälligen Preises oder die Vermeidung der Emission. Solange die Kosten für die Vermeidung der nächsten Tonne unter dem CO2-Preis liegen, wird vermieden, liegen sie darüber, wird emittiert.

Im Ergebnis wird so lange CO2 vermieden, bis die Vermeidungskosten gleich dem CO2-Preis sind. Ist dieser für alle gleich, hat das zur Folge, dass die Grenzvermeidungskosten aller Emittenten am Ende auch gleich sind. Das aber ist – technisch gesprochen – die notwendige und hinreichende Bedingung dafür, dass die Vermeidung, die durch den CO2-Preis induziert wird, zu minimalen Gesamtkosten erfolgt, also kosteneffizient ist. Das ist der Grund, warum Ökonomen so uneingeschränkte Fans eines identischen CO2-Preises für alle Emissionen sind.

Energiesteuer auf die Tonne CO2

Nun gilt der 2021 eingeführte CO2-Preis ja für alle Brennstoffe, die im Brennstoffemissionshandelsgesetz aufgeführt sind, also für eine ganze Reihe von CO2-Emissionen. Nicht für alle, denn Kohle soll erst 2024 dazukommen (Warum eigentlich erst dann?). Nur bedeutet das nicht, dass der CO2-Preis für alle Emissionen gleich hoch ist. Denn die einzelnen Brennstoffe unterliegen nicht nur dem CO2-Preis, der in Wahrheit eine CO2-Steuer ist, sondern auch noch anderen Abgaben, deren Bemessungsgrundlage die Menge des eingesetzten Brennstoffes ist.

Dies gilt beispielsweise für die Energiesteuer, die sich für Benzin auf ca. 64 Cent/Liter beläuft. Diese Steuer ist in ihrer Wirkung vollkommen identisch mit der einer CO2-Steuer, d.h., die Energiesteuer und die auf sie zu entrichtende Umsatzsteuer sind faktisch implizite CO2-Steuern. Rechnet man die Energiesteuer auf die Tonne CO2 um, kommt man zu dem erstaunlichen Ergebnis, dass der implizite CO2-Preis bei Benzin deutlich über 300 Euro pro Tonne beträgt. Bei Diesel sind es immerhin noch deutlich über 200 Euro. Erdgas und Heizöl werden deutlich geringer belastet. Bei Kohle und vielen industriellen Prozessen beträgt der CO2-Preis Null.
 

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Im Ergebnis haben wir einen Zoo von extrem unterschiedlichen CO2-Preisen, bei denen aber jeweils nur die oberen 30 Euro (demnächst 45 Euro) auch so heißen dürfen. Für eine kosteneffiziente Klimapolitik gebraucht wird aber kein Zoo, sondern ein einziger, für alle Emissionen gültiger Preis. Andernfalls findet Vermeidung von CO2 zu sehr unterschiedlichen Grenzkosten statt, was äußerst ineffizient und teuer ist, da die Möglichkeit nicht genutzt wird, durch die Konzentration der Vermeidung bei den kostengünstigsten Emissionsquellen Kosten zu sparen. Ade, Kosteneffizienz. Anstatt die Lasten des Klimaschutzes zu minimieren und den Klimaschutz pro eingesetztem Euro zu maximieren, verschwenden wir lieber Ressourcen in Milliardenhöhe (wenn das reicht).

Begrenzung der CO2-Emissionen

Dabei liegt eine Alternative in unmittelbarer Reichweite. Der europäische Emissionshandel erzeugt einen einheitlichen CO2-Preis für alle Emissionen, die im Emissionshandelssektor stattfinden. Würde man den Wärmemarkt und den Verkehrssektor in diesen Handel integrieren, würde dies für alle fossilen Brennstoffe zutreffen. Eine willkürliche staatliche Preissetzung, wie sie die deutsche Regierung praktiziert, wäre ebenso wenig nötig wie regulatorische Eingriffe bei den Heizungen oder der Gebäudesanierung.

Der Preis für CO2 würde reflektieren, wie teuer es ist, die Begrenzung der CO2-Emissionen, die der Emissionshandel vorsieht, einzuhalten, und der Handel würde sicherstellen, dass dieser Preis so niedrig ausfällt wie nur möglich. Damit wäre allen gedient. Der Klimaschutz würde kosteneffizient und deshalb mit maximaler Effektivität realisiert, die Lasten des Klimaschutzes, die die Menschen in Europa tragen müssten, würden minimiert, und jeder Einzelne dürfte selbst entscheiden, ob er Geld für die Vermeidung von CO2 ausgeben möchte oder für die Emission von CO2. Das wäre ein rationaler Einsatz eines CO2-Preises. Davon sind wir in Deutschland leider sehr weit entfernt.


Stefan Kooths und Niko Paech im Cicero-Podcast:
„Ökologie ist nicht verhandelbar“

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