Fachkräftemangel - Neue Macher braucht das Land

Politiker haben große Pläne, wenn es darum geht, die Verkehrswende voranzutreiben, den Klimawandel in den Griff zu bekommen und Wohnungen zu schaffen. Doch deutschlandweit mangelt es an Fachkräften und an geeignetem Nachwuchs. Denn immer mehr junge Menschen entscheiden sich für ein Studium. Und auch die Hoffnung, den deutschen Handwerkermangel durch Einwanderung zu lösen, ist bisher ein Wunschtraum geblieben.

Heizungsmonteur Juval Alata auf einer Baustelle in München / Max Kratzer
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Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

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Wer auf die Baustelle will, fährt sechs, acht Meter an der Fassade hoch und steigt durchs Fenster. Die Türen zum Treppenhaus sind mit Planen verhängt, damit sich Krach und Staub nicht ihren Weg bahnen. Der Baustellenaußenaufzug spart aber auch Zeit, weil die Monteure von der Straße aus schneller zum Einsatzort kommen und zwischen den drei Stockwerken, auf denen derzeit gearbeitet wird, hin- und herwechseln können. Und Zeit ist Geld. Insbesondere, wenn die Auftragsbücher voll sind. 

An einem der Fenster empfängt Olaf Zimmermann, Zentralheizungs- und Lüftungsbauermeister, Inhaber von Heizung Obermeier in München. Sein Betrieb, den Zimmermann vor gut einem Vierteljahrhundert vom Namensgeber übernommen hat, baut hier, im Verwaltungsgebäude einer Brauerei, jede Menge neue Heizkörper ein. Drinnen wird gehämmert, ausgerissen und werden die Enden alter Rohre, die nicht mehr gebraucht werden, mit Schweißgerät und Zange versiegelt. Auf der Baustelle läuft alles rund, so scheint es für den Laien. Doch Zimmermann, der derzeit 22 Leute beschäftigt, hat ein drängendes Problem. Eines, das er mit vielen Handwerksfirmen im Land teilt: Neue Mitarbeiter zu finden, wird immer schwieriger.

Politisch geförderter Handwerkermangel

Kundschaft gibt es genug, aber deutschlandweit mangelt es an Fachkräften und an geeignetem Nachwuchs, der zu erfahrenen Gesellen und Meistern heranwachsen könnte. In Köln genauso wie in Cottbus, in Kiel genauso wie in München. Weil sich erstens immer mehr junge Leute gegen eine Ausbildung und für ein Studium entscheiden – eine Entwicklung, die von der Politik nicht etwa als Problem gesehen, sondern seit Jahren aktiv befördert wird. Und weil zweitens die Hoffnung, den deutschen Handwerkermangel über Einwanderung auszugleichen, bisher eher ein Wunschtraum vor allem linker Multikulti-Anhänger geblieben ist.

In der Folge sind nicht nur die Wartezeiten für jene enorm, die zu Hause dringend einen Handwerker brauchen – auch einschlägige Großvorhaben der Bundesregierung stehen auf dem Spiel. Bei der Energiewende etwa, bei der Verkehrswende und beim Wohnungsbau. „So werden wir die großen Ziele der Politik nicht erreichen!“, ruft Heizungsbauer Zimmermann in München gegen den Lärm auf der Baustelle an.

Pit Schmidt ist im ersten Lehrjahr. Nach der Gesellenprüfung will er den Meister machen

Obwohl der Handwerkermangel im Land schon länger ein Problem ist, formulieren die politisch Verantwortlichen immer ambitioniertere Ziele, um ihre Wahlversprechen erreichen zu können. Die Speerspitze dieses politischen Wünsch-dir-was bildet dabei das rot-grün-gelbe Ampelbündnis in Berlin, das sich – wahlweise mit viel Selbstbewusstsein gesegnet oder von der eigenen Hybris getrieben – nicht von ungefähr eine „Fortschrittskoalition“ nennt, die irgendwie alles besser und vor allem neuer und energieeffizienter machen will.

Es fehlen Hunderttausende

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) verkündete jüngst, dass in Deutschland bis zum Jahr 2030 sechs Millionen Wärmepumpen installiert werden sollen. Das sind im Grunde Elektroheizungen, die Erdgas- und Heizölanlagen ersetzen sollen. Dafür müssten ab sofort, grob gerechnet, 2000 Wärmepumpen pro Tag eingebaut werden. „Das ausgegebene Ziel ist nicht zu erreichen“, sagt deshalb Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH). Auch der politischen Zielmarke von 400.000 neuen Wohnungen, die laut Bundesregierung jedes Jahr gebaut werden sollen, erteilt Wollseifer eine Absage: „Das wäre selbst zu Zeiten, in denen wir im Bau- und Ausbaubereich noch deutlich mehr Fachkräfte hatten, äußerst ambitioniert gewesen“, sagt er. Olaf Zimmermann von Heizung Obermeier sieht das ähnlich. Und die Gewerkschaften auch. 

 

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In Zahlen liest sich der Handwerkermangel so: Bei der Bundesagentur für Arbeit waren zuletzt 154.000 offene Stellen für Handwerker gemeldet. Dem gegenüber standen 128.000 Arbeitslose, die einen handwerklichen Beruf als Zielberuf angegeben haben. Was die Betriebe suchen, sind aber nicht Mitarbeiter, die einfachste Tätigkeiten ausüben können; also Hilfskräfte. Diese werden auch auf dem Bau immer weniger gebraucht. Die Betriebe suchen händeringend Spezialisten, die über die nötigen Qualifikationen verfügen, um komplexe Arbeiten auf den Baustellen des Landes durchzuführen. Darunter die eingangs erwähnte Versiegelung alter Heizungsrohre.

Der ZDH sagt, dass Deutschland im Jahr 2022 insgesamt 250.000 Fachkräfte fehlen. Und da sich Wohnungen eben nicht von alleine bauen und Wärmepumpen sich nicht von selbst installieren, liegt der Verdacht nahe, dass Politiker einiges am Reißbrett entwerfen, was sich in der Realität gar nicht umsetzen lässt. Infolge des Handwerkermangels, aber auch anderer Faktoren – etwa aufgrund von Materialengpässen, die sich durch die Corona-Pandemie und den Ukrainekrieg weiter verschärft haben. Jedenfalls nicht, wenn sich am Status quo nicht rasch etwas ändert. Was also tun?

Handwerkerverband fordert „Bildungsumkehr“

Wer mit jenen spricht, die unfreiwillig Teil dieser Misere sind, hört vor allem drei Forderungen: Der Beruf des Handwerkers müsse wieder mehr Wertschätzung erfahren, lautet die erste. Vonseiten der Politik ohnehin, aber auch von Eltern, die glauben, der Filius komme nur zu etwas im Leben, wenn er auf die Uni geht. Überdies brauche es, so die zweite Forderung, eine arbeitsmarktorientierte Einwanderungspolitik, die Deutschland zu der Wunschdestination für ausländische Fachkräfte werden lässt, die es angeblich sein will. Und drittens müsse eine Bildungsreform her oder gar eine „Bildungsumkehr“, wie es ZDH-Präsident Wollseifer formuliert, um Ausbildungsberufe wieder attraktiver für junge Menschen zu machen. Derzeit ist das Gegenteil der Fall.

Gab es an den deutschen Hochschulen vor 20 Jahren noch rund 1,9 Millionen Studenten, sind es mittlerweile knapp drei Millionen. Von einem „Akademisierungswahn“ spricht der Bildungsforscher Hans Peter Klein, Mitglied der Gesellschaft für Didaktik der Biowissenschaften und Mitbegründer der Gesellschaft für Bildung und Wissen. Bereits vor vier Jahren ist sein Buch mit dem vielsagenden Titel „Abitur und Bachelor – wie ein Land seine Zukunft verspielt“ erschienen. Klein kritisiert, dass die fachlichen Anforderungen an Gymnasiasten kontinuierlich gesunken seien, womit das Leistungsprinzip „völlig ausgehebelt“ werde. In der Folge strömten immer mehr „nicht-studierfähige Abiturienten“ in die Hochschulen.

Dort wiederum führe der Bologna-­Prozess – also die europaweite Vereinheitlichung von Studiengängen und -abschlüssen – dazu, dass die Ansprüche an die Studenten ebenfalls gesunken seien, so Klein. Auch deshalb, weil die für ein Studium wenig geeigneten Nachwuchsakademiker unbedingt ihren Bachelor-Abschluss machen sollen. Dazu würden die Hochschulen durch „Erfolgsprämien pro Studierendem korrumpiert“, sagt Klein. 

Lieber Ausbildung statt „Micky-­Maus-Studiengang“

Gleichzeitig sind in den vergangenen Jahren viele neue Studiengänge entstanden, weit über 20.000 gibt es mittlerweile. Darunter solche, die Klein „Micky-­Maus-Studiengänge“ nennt – ein Begriff aus dem angloamerikanischen Raum –, weil die im Prinzip ins Nichts führen. Service-Center-­Management, Golf-Management oder Accessoire Design, um drei zu nennen. „Wodurch schaffen wir in Deutschland denn Wirtschaftsleistung, wenn wir kein Öl, kein Gas und keine anderen Rohstoffe haben? Doch nur durch Leistung und Bildung“, sagt Klein. Daher müsste die deutsche Bildungspolitik, findet er, endlich weg von „linksliberalen Vorstellungen“, wonach jeder, der will, sein Abitur machen und studieren sollte. Sonst drohe Deutschland „ein Niveauverlust, der unseren Lebensstandard bedroht“. Im Gegenzug müsste dem Handwerk wieder mehr Wertschätzung entgegengebracht werden.

Ähnlich, wenn auch moderater, äußert sich ZDH-Präsident Wollseifer. Der gibt etwa zu bedenken, dass sich viele Akademiker wegen des Überangebots auf dem Arbeitsmarkt mittlerweile „von einer Befristung zur anderen hangeln“. Das sei, so Wollseifer, im Handwerk nicht der Fall: „Wenn Sie die Meisterprüfung haben und damit eine entsprechende Qualifikation, dann sind Sie ein gefragter Mann oder eine gefragte Frau – und Sie werden immer einen Job finden“, sagt er. Und gibt eine Parole aus, die beim Zuhörer hängen bleibt: „Lieber ein guter Handwerksmeister als ein prekärer Master.“

Auch Heizungsbauer Zimmermann sieht dringend bildungspolitischen Handlungsbedarf. „Es muss mehr für die Berufsschulen und das Handwerk gemacht werden“, sagt er. Dazu gehöre, mehr Lehrer einzustellen und die Anzahl der Klassen zu erhöhen, um eine „bildungsangepasste Berufsschule“ zu schaffen. Zimmermann wünscht sich Klassen für die Überflieger unter den Auszubildenden, in denen Fachwissen ganz anders vertieft werden kann. Aber auch solche, in denen jene Azubis, die sich schwertun in Schule und Betrieb, gefördert werden. Und Zimmermann wünscht sich, dass Azubis, die ihre Gesellenprüfung auch im zweiten Anlauf nicht bestehen, stärker als bisher aufgefangen werden: „Auch für die müssen wir eine Lösung finden.“

Langsame Modernisierung

Der echte Stand der Dinge ist das eine. Das andere ist, dass allerlei Klischees über den Handwerkerberuf in Umlauf sind. Etwa, was die Bezahlung betrifft. Auch wenn es andere Ausbildungsberufe gibt, die vergleichsweise schlecht bezahlt sind, lässt sich im Handwerk sehr wohl gutes Geld verdienen. Ein Obermonteur bei Heizung Obermeier in München, um ein konkretes Beispiel zu nennen, bekommt 26 Euro die Stunde. Und ZDH-Präsident Wollseifer sagt: „Ein Hochbau-Meister verdient nach der Meisterprüfung mehr als viele Hochschulabsolventen nach dem Studium.“ 

Wer sich als Handwerker weiterbildet und für Spezialtätigkeiten zertifizieren lässt, etwa zum geprüften Schweißer, bekommt immer noch Lohn obendrauf. Und wer Fachkraft im Handwerk ist, kann sich unter der Hand immer etwas dazuverdienen. Hinzu kommt, dass sich auch das Handwerk modernisiert und damit sukzessive, wenn auch nicht gänzlich wegentwickelt von der reinen „Dreckarbeit“, im Zuge der Digitalisierung und durch neue Technologien wie Exoskelette etwa. 

Neue Heizkörper in einem Brauereigebäude
in München

Einer, dem diese Modernisierung gleichwohl zu langsam geht, ist Hagen Reinhold. Der in Wismar geborene Meister im Maurer- und Betonbauerhandwerk sitzt für die FDP im Deutschen Bundestag. Er sagt: „Es gibt zwei Möglichkeiten, wie man mehr produziert von einem Produkt. Die eine ist, dass man mehr Rohstoffe und mehr Personal hat. Die andere ist die Produktivitätssteigerung.“ Und weiter: „Wenn wir das Baugewerbe mit anderen Branchen vergleichen, dann bauen wir aber fast noch wie vor 50 Jahren.“

Politische Lösungsvorschläge

Der FDP-Politiker kennt freilich die einschlägige Kritik, was politisch Gewolltes betrifft, bei der Energiewende, bei der Verkehrswende und beim Wohnungsbau. Es sei, so Reinhold, aber richtig, eine Zahl wie die 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr aufzuschreiben. Das Vorhaben sei „gesellschaftlich gewollt und auch zwingend notwendig“. Dass es trotzdem illusorisch sei, will er nicht gelten lassen. Reinhold spricht lieber von einer „Herkulesaufgabe“. Gleiches gelte für die von Habeck geforderten sechs Millionen Wärmepumpen und mehr. Reinhold weiter: „Wenn wir die Pariser Ziele einhalten wollen, und wir wissen, dass der Gebäudesektor noch verdammt viel liefern muss an CO2-Einsparung, dann brauchen wir schnell verfügbare Lösungen.“

Der Umgang mit dem Schweißgerät will
gelernt sein. Gut ausgebildete Fachkräfte
sind rar

Die Regierungskoalition, zu der ja auch Reinholds FDP gehört, hat immerhin konkrete Ideen formuliert, wie sie dem Handwerkermangel trotzen will. Master und Meister sollen gleichgesetzt und die Kosten für die Meisterprüfung deutlich abgesenkt werden, das ist eine Idee. Eine andere ist, Zuwanderung von Fachkräften, die wirklich welche sind, zu fördern; eventuell durch ein Punktesystem. So steht es auch im Koalitionsvertrag. Überdies will die Ampel dafür sorgen, dass in den Behörden schneller entschieden wird, ob eine im Ausland erworbene Qualifikation anerkannt wird. Ob das in der Bürokratierepublik Deutschland gelingen kann, steht auf einem anderen Blatt.

FDP-Politiker Reinhold wünscht sich überdies „mehr Durchlässigkeit im System für Menschen, die sich schwertun mit dem Studium“. Und ein etabliertes Fach in deutschen Schulen, das Wirtschaftswissen vermittelt. Die Schüler sollten, findet Reinhold, wirtschaftliche Zusammenhänge lernen, wie man einen Vertrag liest und wie die einzelnen Berufsbilder wirklich aussehen. Er sagt: „Handwerk ist keine Einbahnstraße. Auch dort kommt man sehr weit auf der Karriereleiter, wenn man das möchte.“ 

Einer, der noch nicht genau weiß, wohin ihn seine Karriereleiter führen soll, ist Pit Schmidt. Der 17-Jährige hat die Mittlere Reife geschafft und macht bei Heizung Obermeier eine Ausbildung zum Anlagenmechaniker. Im ersten Lehrjahr verdient er 650 Euro im Monat. Ein bisschen mehr könnte es schon sein, meint Schmidt am Rande der Baustelle in München.

Das Potential der Unentschlossenen

Schmidt will nun erst mal sehen, was die nächsten Jahre bringen. „Ob es das Richtige für mich ist, auf dem Bau zu bleiben, das weiß ich noch nicht“, sagt er. In zwei Jahren will Schmidt die Gesellenprüfung bestehen und danach seinen Meister machen. Dann will er noch mal in sich gehen und überlegen, ob es doch noch Abitur und Studium sein sollen. Schmidt sagt: „Dann bin ich 23 – und mir steht immer noch alles offen.“ 

Es sind auch Azubis wie Schmidt, die von der Politik, den Schulen und den Handwerksbetrieben gesucht, gefunden und adressiert werden müssen. Jene, die vielleicht unentschlossen sind, ob sie studieren oder erst mal eine Ausbildung machen wollen – und sich dann für die zweite Variante entscheiden. 

Olaf Zimmermann, Chef von Heizung Obermeier in
München

Zum Leidwesen der Betriebe ist es zunehmend andersherum. Im vergangenen Jahr wurden im Handwerk rund 132.000 neue Auszubildende eingestellt. Die Zahl der Erstsemester an deutschen Hochschulen belief sich dagegen auf rund eine halbe Million. Und den rund drei Millionen Studenten insgesamt stehen gerade einmal rund 1,3 Millionen Auszubildende aller Branchen gegenüber. Davon wiederum sind laut Statistischem Bundesamt nur 34,8 Prozent weiblich. Im Handwerk ist gerade einmal jeder fünfte neue Azubi eine Frau. Auch hier gibt es also noch einiges an Überzeugungsarbeit zu leisten.

Studenten werden gepampert, Azubis ignoriert

Weil dem so ist, werden bei der Ausbildung bereits neue Wege beschritten: etwa mit dualen Studiengängen, in denen Lehre und Studium miteinander verzahnt werden. Auch Kooperationen zwischen Hochschulen und Betrieben sind ein Ansatz, der helfen soll, junge Menschen ans Handwerk heranzuführen. Zum Beispiel im Rahmen ihres Pflichtpraktikums. In neun Bundesländern gibt es zudem bereits die Möglichkeit, ein „Berufsabitur“ zu machen. Nach drei Jahren hat der Schüler dann zwei Abschlüsse in der Tasche: Geselle und Fachhochschulreife. Ein Angebot, das laut ZDH dringend ausgebaut und auf alle Bundesländer erweitert werden sollte.

Darüber hinaus fordert der ZDH eine „echte Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung“, dass Fort- und Weiterbildungen „praxistauglicher“ gestaltet werden. Und dass die Politik bei den rund 600 Bildungsstätten des Handwerks ordentlich Geld in die Hand nimmt, um diese zu „innovativen Lernorten und Vorzeigezentren für Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Ressourceneffizienz“ umzubauen, heißt es.

Manches wiederum – und auch das ist Teil dieser Geschichte – findet ZDH-Präsident Wollseifer, aber nicht nur er allein, schlicht ungerecht. Etwa, dass es draußen im Land viele Studentenwohnheime gibt, aber kaum ähnliche Angebote für Auszubildende. Und warum, fragt er rhetorisch, gebe es viel mehr Initiativen, die sich an angehende Studenten richten, als solche, mit denen junge Menschen von einem Handwerksberuf überzeugt werden sollen? Wollseifer sagt: „Da müssen wir jetzt endlich in die Pu­schen kommen.“ 

Ein bisschen Glück und gute Lösungen

Auf der Baustelle in München schaut Olaf Zimmermann noch kurz im vierten Stockwerk vorbei, bevor er zum nächsten Termin muss. Ein lautes Kreischen füllt den Raum. Einer seiner Monteure, der gebürtige Peruaner Juval Alata, schneidet gerade Rohre von der Decke, über Kopf, trittfest auf der Leiter stehend, was geradezu artistisch anmutet. Alata arbeitete zuvor in Italien, bewarb sich irgendwann initiativ bei Heizung Obermeier, überzeugte den Chef und wurde schließlich eingestellt. Was leichter klingt, als es tatsächlich war: Zwei Jahre musste er sich mit den Behörden herumstreiten, um endlich in Ruhe auf bayerischen Baustellen arbeiten zu können. 

Einen glücklichen Zufall wie diesen – ein guter Monteur, der im Prinzip aus heiterem Himmel kommt – könnte Zimmermann wieder gebrauchen. Denn einer seiner besten Monteure geht bald in Rente, erzählt er. Wer ihn ersetzen kann und wird, das weiß Zimmermann nicht. Noch nicht. Ja, die Situation sei schwierig, sagt der Chef, aber „Jammern und Weinen“ bringen auch nichts. Das sei eben wie auf der Baustelle: „Wenn es Probleme gibt, muss man halt Lösungen finden.“

Die Bilder dieses Textes stammen von Max Kratzer.

Dieser Text stammt aus der Juli-Ausgabe des Cicero, die Sie jetzt am Kiosk oder direkt bei uns kaufen können.

 

 

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