EU-Taxonomie - Atomkraftgegner scheitern im Europaparlament

In der EU werden Investitionen in bestimmte Gas- und Atomkraftwerke aller Voraussicht nach als klimafreundlich eingestuft werden können. Im Europaparlament gelang es Gegnern bei der Abstimmung zur EU-Taxonomie heute nicht, entsprechende Pläne zu stoppen. Statt der erforderlichen 353 Abgeordneten votierten in Straßburg lediglich 278 gegen den Rechtsakt zur sogenannten Taxonomie.

Strom aus Gas- und Atomkraftwerken kann als nachhaltig eingestuft werden / dpa
Anzeige

Autoreninfo

Hier finden Sie Nachrichten und Berichte der Print- und Onlineredaktion zu außergewöhnlichen Ereignissen.

So erreichen Sie Cicero-Redaktion:

Anzeige

Konkret ging es bei dem Votum um einen ergänzenden Rechtsakt zur sogenannten Taxonomie der EU. Sie ist ein Klassifikationssystem, das private Investitionen in nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten lenken und so den Kampf gegen den Klimawandel unterstützen soll. Für Unternehmen ist es relevant, weil es die Investitionsentscheidungen von Anlegern beeinflussen und damit zum Beispiel Auswirkungen auf Finanzierungskosten von Projekten haben könnte. Investoren sollen zudem in die Lage versetzt werden, Investitionen in klimaschädliche Wirtschaftsbereiche zu vermeiden.

In einem ersten Schritt wurde bereits im vergangenen Jahr entschieden, die Stromproduktion mit Solarpaneelen, Wasserkraft oder Windkraft als klimafreundlich einzustufen. Zudem wurden Kriterien für zahlreiche andere Wirtschaftsbereiche festgelegt. Sie regeln beispielsweise, dass der Personen- und Güterzugverkehr ohne direkte CO2-Abgasemissionen als klimafreundlich eingestuft werden kann.

Unter dem Druck einiger Mitgliedstaaten schlug die für Gesetzesvorschläge zuständige EU-Kommission dann Ende vergangenen Jahres zusätzlich vor, auch Investitionen in Gas- und Atomkraftwerke unter bestimmten Bedingungen als klimafreundlich einzustufen. Eine entscheidende Rolle spielte dabei Frankreich, das in der Atomkraft eine Schlüsseltechnologie für eine CO2-freie Wirtschaft sieht und die Technik gerne auch weiter in andere Länder exportieren will. Deutschland setzte sich im Gegenzug für ein grünes Label für Gas als Übergangstechnologie ein.

Viele Staaten haben Interesse an der Nutzung von Kernkraft

Die Umsetzung des Kommissionsvorschlags kann noch verhindert werden, wenn sich bis zum 11. Juli mindestens 20 EU-Staaten zusammenschließen, die mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU vertreten. Dass eine entsprechende Mehrheit im Rat der EU zustande kommt, gilt allerdings wegen des Interesses vieler Staaten an der Nutzung von Kernkraft als ausgeschlossen.

Umweltschützer hatten die EU-Abgeordneten vor der Abstimmung aufgefordert, gegen den neuen Rechtsakt zur Taxonomie zu stimmen. Sie kritisieren unter anderem, dass Treibhausgase ausgestoßen werden, wenn Energie mit Erdgas erzeugt wird. Bei Atomkraft gelten hauptsächlich der Abfall, aber auch mögliche Unfälle als problematisch. Zuletzt argumentierten Gegner zudem, dass Anreize für Investitionen in den Bau neuer Gaskraftwerke in starkem Kontrast zu den Bemühungen stehen, unabhängig von russischem Gas zu werden.

Befürworter verweisen hingegen auf die Notwendigkeit von Übergangstechnologien und darauf, dass für den Betrieb von Gaskraftwerken auch Flüssiggas zum Beispiel aus den USA oder Wasserstoff genutzt werden kann.

Quelle: dpa

Hören Sie zum Thema Energieversorgung auch den Cicero-Podcast mit Anna Veronika Wendland: „Bei der Energiestrategie ist Stimmungspolitik Gift“ 

Anzeige