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Erfolgstipps - Mehr Risiko wagen, Limonade machen

Manchmal ist es besser, auf Spontaneität und Witz zu setzen denn auf Massentauglichkeit: Cicero-Online-Kolumnist Til Knipper erklärt, was Wirtschaft und Politik von den Sopranos, Kanye West und Calvin Hobbes lernen können

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Til Knipper leitet das Cicero-Ressort Kapital. Vorher arbeitete er als Finanzredakteur beim Handelsblatt.

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If life gives you lemons, make lemonade. Das ist immer eine gute Idee, besonders bei der Hitze. Außerdem ist es die Maxime schlechthin für jeden Unternehmer, zusammengefasst in einer Zitronenschale sozusagen, weil bei dem Wetter ja kein Mensch Nüsse isst. Und Unternehmer sind wir doch inzwischen auch alle.

Diese Woche war insofern eine saure Zitronenwoche, weil der US-Schauspieler James Gandolfini im Alter von nur 51 Jahren gestorben ist. Er wurde durch die Rolle des Tony Soprano in der wahrscheinlich besten Fernsehserie aller Zeiten „The Sopranos“ weltberühmt. Chris Albrecht, der damalige Programmchef des Kabelsenders HBO, der die Serie nach langem Zögern produzierte, erinnert sich an die Entscheidungsphase so: „Ich habe zu mir selbst gesagt, diese Serie handelt von einem Typen, der bald 40 wird. Er hat das Geschäft seines Vaters übernommen, versucht es zu modernisieren, trägt die gesamte Verantwortung, die damit einhergeht. Er hat eine dominante Mutter, von der immer noch versucht loszukommen. Obwohl er seine Frau liebt, hat er Affären. Er hat zwei pubertierende Kinder, auch damit muss er zurecht kommen. Er ist beunruhigt, er ist deprimiert. Er beginnt eine Psychotherapie auf der Suche nach dem Sinn seines eigenen Lebens. Zusammengefasst: Der einzige Unterschied zwischen ihm und jedem, den ich kannte, war der, dass es sich bei ihm um den Paten von New Jersey handelte.“

HBO nahm damals eine Menge Zitronen in die Hand - sie casteten einen relativ unbekannten Schauspieler für die Hauptrolle, James Gandolfini, nutzten Schauspielnovizen in den Nebenrollen, wie Bruce Springsteens Gitarrist Steven van Zandt, erzählten eine sehr komplexe Geschichte mit vielen offenen Handlungssträngen über sechs Staffeln - und Autor, Produzent und Regisseur David Chase machte daraus die leckerste Lemonade überhaupt, weil „The Sopranos“ mit allen Genre-Regeln brach, lustig war und gleichzeitig dramatisch, und weil Chase und HBO sich trauten, teures, hochwertiges Fernsehen zu machen. Die Sopranos wurden mit ihren 86 Folgen in sechs Staffeln für HBO eine der finanziell erfolgreichsten Serien überhaupt und veränderten das Geschäftsmodell für Pay-TV für immer. Plötzlich war Qualität mindestens so wichtig wie Massentauglichkeit.

Es ist immer wieder beruhigend und ermutigend, wenn Leute, die etwas riskieren, dafür belohnt werden. Ein gutes Beispiel dafür ist auch Kanye West, der selbst nach Hip-Hop-Maßstäben ein recht großes Ego besitzt. Der Rapper, der diese Woche sein neues Album „Yeezus“ veröffentlicht hat, gab vor kurzem der New York Times eines seiner seltenen Interviews und sagte dabei so schöne Sätze wie: „Ich werde der Chef einer Firma sein, die viele Milliarden wert sein wird, denn ich habe die Antworten. Ich verstehe die Kultur. Ich bin die Keimzelle.“ Und (er spricht gerne von sich in der dritten Person): „Ich denke, Kanye West wird eine ähnliche Bedeutung haben wie Steve Jobs. Ich bin zweifelsfrei der Steve des Internets, der Innenstadt, Mode, Kultur. Punkt.“

Man kann das überheblich und dumm finden, aber West legt nur die Messlatte für sich selbst höher, geht ein Risiko ein. Ihn interessieren die Konventionen nicht. Bei der Verleihung der MTV-Awards-Show 2009 stürmte West die Bühne, als die Country-Sängerin Taylor Swift den Preis für das „Beste Video des Jahres“ bekam, unterbrach ihre Rede, um der Welt mitzuteilen, Swift habe diesen Preis nicht verdient. Das Faszinierende daran ist, dass es sich bei solchen Aktionen nicht um vorher abgesprochene, langweilige PR-Aktionen handelt, sondern West tatsächlich immer für eine Überraschung gut ist. In einer Fernseh-Spendenaktion für die Opfer des Hurrikan Katrina stellte Kanye West klar, dass George W. Bush sich nicht für Schwarze interessiert. Barack Obama ließ sich wegen der Aktion mit Taylor Swift wiederholt dazu hinreißen, West öffentlich als Idioten zu bezeichnen.

Kanye West  braucht kein Sicherheitsnetz, keine Heerschar von Beratern, er will seine Botschaft loswerden und polarisieren. Das ist deswegen so außergewöhnlich, weil wir in einer Zeit leben, wo vor allen Dingen diejenigen, die in der Öffentlichkeit stehen, peinlich darum bemüht sind, von jedem geliebt zu werden, niemanden vor den Kopf zu stoßen. West ist dagegen in der Mischung aus Größenwahn, Komik und Gesellschaftskritik auch noch unterhaltsam. In dem Song „I am a God“ fordert er in einem französischen Restaurant: „Jetzt beeilt Euch mal mit den Scheiß-Croissants.“ Sonst wird Gott ungeduldig.

In Politik und Wirtschaft gilt viel zu häufig noch die Prämisse: Massentauglichkeit statt Qualität, zögerliches Abwarten statt entschlossenem Vorangehen. West, David Chase und James Gandolfini könnten da als Vorbild dienen mit der Devise: Riskiert etwas und langweilt uns nicht! Als Tony Soprano, der Pate von New Jersey, hat Gandolfini mal zu seiner Therapeutin gesagt: „Eine falsche Entscheidung ist immer noch besser als keine Entscheidung.“

Im Zweifel Limonade machen und lustig bleiben. Wie man mit Limonade Geld machen kann, können Sie bei „Calvin and Hobbes“, den lustigsten Comicstrips der Welt, nachlesen.

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