Aufstiegschancen - Die meisten Menschen glauben an die eigenen Fähigkeiten

In vielen Fällen entscheidet die Herkunft, das Elternhaus über den späteren beruflichen Erfolg. Die Parteien links der Mitte machen das gern zum Thema. Das Paradoxe: Die meisten Menschen sind überzeugt, dass es in erster Linie von ihnen selbst abhängt, ob ihnen der soziale Aufstieg gelingt.

Anstrengen muss man sich schon für den beruflichen Erfolg, aber ohne Glück geht’s auch nicht: Absolventen der Uni Bonn / dpa
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Dr. Hugo Müller-Vogg arbeitet als Publizist in Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu politischen und wirtschaftlichen Fragen, darunter einen Interviewband mit Angela Merkel. Der gebürtige Mannheimer war von 1988 bis 2001 Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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Die Daten sind eindeutig: Kinder aus Akademikerhaushalten absolvieren mit höherer Wahrscheinlichkeit eine akademische Ausbildung und machen eher Karriere als ihre Altersgenossen aus sogenannten bildungsfernen Schichten. Natürlich gibt es Ausnahmen, die letztlich die Regel bestätigen.

Die Parteien links der Mitte machen das insofern zum Thema, als sie diese Ungerechtigkeit zu beseitigen versprechen. So fordert die SPD-Vorsitzende Saskia Esken ein Bildungssystem, das „das Versprechen einer fairen und chancengerechten Gesellschaft erfüllen kann“. Der Linke Dietmar Bartsch beklagt, dass „vor allem die soziale Herkunft den individuellen Wohlstand“ bestimme. Ins gleiche Horn stoßen die Grünen: „Viel zu sehr hängt der Lebenslauf in Deutschland immer noch von der Familie, dem Namen oder dem Stadtviertel ab statt von den eigenen Fähigkeiten.“

Nun ist es eine Sache, darüber nachzudenken, ob und wie unterschiedliche Startbedingungen wenigstens zum Teil mit staatlicher Hilfe ausgeglichen werden können. Ganz beseitigen lassen werden sie sich ohnehin nicht. Gleichwohl kann die ständige Beschwörung ungleicher Chancen durch Politiker und Sozialwissenschaftler bei den Betroffenen das Gefühl hervorrufen, sie hätten ohnehin keine Aussicht auf Erfolg.

Fehlende Chancengleichheit kleinzureden, würde dem DIW niemand nachsagen

Interessanterweise ist jedoch die Mehrheit der Deutschen keineswegs der Meinung, Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern hätten keine Chance, beruflich oder gesellschaftlich voranzukommen. Im Gegenteil: Neun von zehn Deutschen stimmen folgenden Aussage zu: Für den sozialen Aufstieg „muss man sich anstrengen und fleißig sein“ (89 Prozent), „man muss gute Fachkenntnisse auf seinem Spezialgebiet haben“ (88 Prozent), oder „man muss dynamisch sein und Initiative haben“ (88 Prozent).  

 

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Diese Ergebnisse zitiert das der Wirtschaft nahestehende Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in seinem „Verteilungsreport 2023“.  Sie basieren auf Daten des „Sozio-ökonomischen Panels“ (SOEP) aus dem Jahr 2021. Das Sozio-ökonomische Panel wiederum ist beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin angesiedelt, dessen Forscher eher links der Mitte stehen. Soziale Unterschiede und fehlende Chancengleichheit kleinzureden, würde dem DIW niemand nachsagen.

Der Aussage „Man muss Glück haben“ stimmen drei Viertel der Befragten zu

Die von linken Politikern gerne verbreitete „Klassenthese“ wird laut SOEP von der Mehrheit der Bevölkerung nicht geteilt. Die Ansicht, der berufliche Aufstieg hänge von „der richtigen Familie“ ab, vertreten nur 37 Prozent der hier lebenden Menschen. Dass man „aus einer deutschen Familie stammen“ müsse, um erfolgreich zu sein, bejahen ganze 19 Prozent.  

Diese Befunde passen nicht zu der im linksgrünen Spektrum verbreiteten Ansicht, die meisten Menschen lebten nach dem alten Sponti-Spruch „Du hast keine Chance, also nutze sie,“ eine zynische Umschreibung der – angesichts der „herrschenden Verhältnisse“ – Sinnlosigkeit eigenen Bemühens. Diejenigen, denen man mehr staatliche Hilfe zukommen lassen möchte, halten hingegen die Herkunft oder das persönliche Netzwerk für nicht so wichtig.

In einem Punkt sind die Menschen besonders realistisch: Der Aussage „Man muss Glück haben“ stimmen drei Viertel der Befragten zu. Was sie als Realisten ausweist. Denn unabhängig von allen positiven Rahmenbedingungen und unabhängig von den eigenen Anstrengungen geht es häufig nicht ohne das notwendige Quentchen Glück. Der Staat mag vieles können: Das Glück ersetzen kann er nicht.  

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