Arbeitsmoral der Generation Z - Wenn die Jugend mit Schnupfen schlapp macht

Ein Generationenforscher bestätigt: Junge Menschen feiern eher krank und haben es generell nicht so mit der Arbeit. Das ist auch durch äußere Einflüsse zu erklären, die den Zusammenhang von Fleiß und Preis scheinbar außer Kraft setzen.

Symbolbild / picture alliance
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Ferdinand Knauß ist Cicero-Redakteur. Sein Buch „Merkel am Ende. Warum die Methode Angela Merkels nicht mehr in unsere Zeit passt“ ist 2018 im FinanzBuch Verlag erschienen.

 

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Er habe „keine schöne Prognose für Arbeitgeber“, fasst der Generationenforscher Rüdiger Maas im Interview mit dem Merkur seine Erkenntnisse über die Arbeitsmoral der Generation Z zusammen. Aber es ist natürlich viel mehr als das, was der 44-jährige Psychologe vom Institut für Generationenforschung in Augsburg zu bieten hat. Es ist eine fatale Prognose für die gesamte Gesellschaft, inbegriffen die Angehörigen der Generation Z (zwischen 1997 und 2012) selbst. Denn es bedeutet nichts Geringeres als den Verlust der vermutlich wichtigsten Grundlage für den materiellen Wohlstand: nämlich den Leistungswillen der ins Arbeitsleben eingetretenen Menschen. 

Als sprachlich-alltägliches Indiz dafür, dass dieser extrem geschwunden ist, wie Maas nach Interviews mit Arbeitgebern feststellt, kann man vermutlich auch schon das rasche Altern oder gar Aussterben des Wörtchens „Fleiß“ heranziehen. Welcher Lehrer, Arbeitgeber oder Erziehungsberechtigte würde es heute noch wagen, öffentlich diese sogenannte Sekundärtugend zu lobpreisen? Von Politikern ganz zu schweigen.

Maas stellt fest, dass die statistische Tendenz, dass jüngere Arbeitnehmer viel weniger Überstunden als ältere machen, auch in der Einstellung zu Krankmeldungen eine Entsprechung findet: „Wir haben auch in Befragungen bei Jüngeren oft Antworten gehört wie: ‚Der Durchschnitt in meiner Branche ist über 25 Tage krank im Jahr. Ich hatte erst zehn Tage Krankheit, mir stehen noch 15 zu.’ Das ist neu, das hatten frühere Berufseinsteiger in der Form nie geäußert. Das ist eine völlig andere Perspektive auf die Arbeit.“

 

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Es reiche heute ein Schnupfen, um zuhause zu bleiben, sagt Maas. „Aber auch die psychischen Krankheitsbilder der Jüngeren sind rapide gestiegen.“ Depressionen, Anpassungsstörungen und Angststörungen würden „jetzt ernster genommen als früher, aber an manchen Punkten auch überinterpretiert“. Und weil viele junge Menschen so denken würden – „mir  stehen ja noch Krankheitstage zu“ – und von den Kollegen im Gegensatz zu früher keine Sanktionen mehr zu befürchten seien, bleiben sie eben im Gegensatz zu früher der Arbeit fern, obwohl sie eigentlich noch arbeiten könnten. 

Maas erklärt diese jugendliche Arbeitsscheu mit verschiedenen Faktoren. Die extreme Krankheitssensibilität sei wohl auch durch den „Anstieg an überfürsorglichem Verhalten der Eltern“ zu erklären. „Wenn die Eltern immer sehr viel übernehmen, können auch Kinder weniger Bewältigungsstrategien entwickeln. Das ist wie eine erlernte Hilflosigkeit, weil immer meine Eltern dafür gesorgt haben, dass alles funktioniert, habe ich nie gelernt es auch mal selbst zu probieren.“ Aber es sei auch „einfach sozial erwünscht, dass sich jüngere Arbeitnehmer nicht mehr kaputt arbeiten, so wie ihre Eltern. Jüngere Menschen identifizieren sich nicht mehr so über die Arbeit. Viele aus der Generation Z haben eine klare Trennung von Arbeit und Freizeit.“

Fleiß ist out

Mit anderen, weniger wohlwollenden und knapperen Worten könnte man das auch so formulieren: Fleiß ist out. Offenbar hat sich schon bei den Eltern der Generation Z ein Dreivierteljahrhundert nach dem Wiederaufbau und dem sogenannten Wirtschaftswunder (das kein Wunder war, sondern auf ökonomischer Leistung beruhte!) und ein halbes Jahrhundert nach der ersten großen Sozialstaatsexpansion das Wissen über den Kausalzusammenhang zwischen Leistung und Lohn aufgelöst. 

Die Generation Z scheint davon auszugehen, dass die Lebensweisheit „Ohne Fleiß kein Preis“ endgültig außer Kraft gesetzt ist. Und sie wird darin fatalerweise medial bestärkt durch eine spätestens nach der Finanzkrise und mit der in Hysterie umgeschlagenen Klimawandelfurcht dominant gewordene Moralisierung der Wirtschaft auf Kosten des Leistungsdenkens. Dazu kommt aber noch verstärkend die überall erfahrbare Arbeitskraftnachfrage. Junge Menschen müssen im Gegensatz zu ihren Eltern und Großeltern immer weniger um Ausbildungs- und Arbeitsplätze konkurrieren, sondern werden in jeder Spotify-Werbepause von Jobware und Co. umworben. Sie müssen fast zwangsläufig den Eindruck gewinnen, dass nicht Berufseinsteiger sich Mühe geben müssen, sondern die Arbeitgeber. 

Das ist natürlich in erster Linie demografisch bedingt. Aber es wird durch eine verheerende Politik der fortschreitenden Expansion des Sozialstaates noch zusätzlich angeheizt.

Dass eine solche Entwicklung nicht – um ein ökologisches Wort ökonomisch zu verwenden – nachhaltig sein kann, jedenfalls nicht in einem Land, dessen Wohlstand nicht auf Naturschätzen beruht, dass es also ohne Fleiß auf lange Sicht meist auch keinen Preis gibt, wird die Generation Z womöglich erst durch schmerzhafte Wohlstandsminderung lernen müssen. Von den auf sie folgenden Jahrgängen der „Generation Alpha“ ganz zu Schweigen.
 

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