- Cicero Podcast Wirtschaft: „Bei der Energiestrategie ist Stimmungspolitik Gift“
Anna Veronika Wendland war Atomkraftgegnerin, jetzt kämpft sie für eine Renaissance der Nuklearenergie. Die Osteuropa- und Technikhistorikerin warnte schon lange vor dem Ukraine-Krieg, dass der deutsche Atomausstieg dem Klimaschutz schade und Putin stärke.
Als Angela Merkel nach dem Reaktorunglück in Fukushima 2011 das Ende der Kernkraft in Deutschland durchsetzte, geriet Anna Veronika Wendland ins Grübeln. Die Historikerin am Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung in Marburg war damals noch nicht das, was sie heute ist: eine entschiedene Kämpferin für die Atomenergie. Aber ihr erschien der von der CDU-Kanzlerin unternommene radikale Schritt zu unwissenschaftlich, zu sehr aus dem Bauch heraus und von Panik getrieben.
„Auch die, die jetzt plötzlich wieder vorne stehen wie Markus Söder und die Kernkraftwerke zurückverlangen, auch die standen hundertprozentig hinter diesem Merkel-Schwenk“, sagt Wendland im Cicero-Podcast. „Und da kann man natürlich zu Recht kritisieren, dass im Bereich der Energiestrategie Opportunismus und Stimmungspolitik wirkliches Gift sind.“ Wendland, die in ihrer Jugend aktiver Teil der Anti-AKW-Bewegung war, begann umzudenken.
Die Folgen des Atomausstiegs spürt Deutschland derzeit schmerzlich. Denn er hat in die Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen geführt. Genau davor warnte Wendland bereits vor Russlands Angriff auf die Ukraine. Gehör fand sie jedoch kaum. Inzwischen ist die Kernkraftforscherin und -befürworterin eine gefragte Gesprächspartnerin.
Den Grünen wirft sie vor, in der Atomfrage auf Angst statt auf wissenschaftliche Erkenntnisse zu setzen. Denn sie ist überzeugt, dass Klimaschutz ohne Kernkraft in Deutschland nicht möglich ist. „Wenn die Grünen, wie sie es ja in der Klimadebatte gerne tun, auf evidenzbasierte Politik abheben, dann sieht es natürlich überhaupt nicht gut aus, wenn sie bei der Kernenergie eigentlich bauchbasierte Politik machen“, so Wendland.
Das Gespräch wurde am 27. Juli 2022 aufgezeichnet.
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