Fernsehphilosoph kritisiert Außenministerin Baerbock  - Richard David Precht will Helmut Schmidt zurück 

Richard David Prechts Kritik an Annalena Baerbock hat nichts damit zu tun, dass sie eine Frau ist, sondern damit, dass sie mit ihrer konfrontativen Außenpolitik Deutschland mehr schadet als nützt. Precht steht damit eher auf der Seite der Realität als die politisch Verantwortlichen.

Richard David Precht / dpa
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Mathias Brodkorb ist Cicero-Autor und war Kultus- und Finanzminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Er gehört der SPD an.

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Richard David Precht gehört zu den bekanntesten Philosophen der Republik. Die, die ihn nicht mögen, kritisieren seine intellektuelle Seichtheit. Zu ihnen gehört offenbar Arno Frank. Für ihn ist Precht nicht mehr als der „reichweitenstärkste Germanist“ der Republik – und das meint er letztlich wohl als Herabsetzung. Die, die ihn lieben, mögen aber genau das ihm: dass Philosophie auch alltagstauglich und verständlich daherkommen kann. 

Wer Precht partout nicht mag, hat dafür jetzt einen neuen Grund. In seinem Podcast mit Markus Lanz griff er nämlich Außenministerin Annalena Baerbock scharf an. Es sei ein „Unfall, dass diese Frau Außenministerin geworden“ sei. Unter normalen Bedingungen hätte sie im Auswärtigen Amt „nicht einmal ein Praktikum gekriegt“.  

Hintergrund für die Attacke war dabei für Precht gar nicht das Geschlecht der Kritisierten, das interessiere ihn schlicht nicht, wandte er gegen Markus Lanz ein. Was er aber mit Sorge sehe, sei, wie Baerbock mit der „moralischen Inbrunst einer Klassensprecherin“ der chinesischen „Weltmacht“ und damit einer „Kulturnation“ zu erklären versuche, „was westliche Werte sind“. Und ihr vor den UN auch noch offen drohe. Das sei in Wahrheit eine „konfrontationsgeleitete Außenpolitik“ und keine „werteorientierte“. 

Deutschland ist vor allem wirtschaftlich von China abhängig

In ihrem durchweg hörenswerten Podcast analysieren Precht und Lanz die weltpolitische Realität, wie sie nun einmal ist: Indien und China sind aufstrebende Weltmächte – und auch Deutschland vor allem wirtschaftlich von China abhängig. Die deutsche Wirtschaft jedenfalls würde ohne China „mehr oder weniger den Bach runter gehen“, ist Precht überzeugt.  

Der Philosoph ist daher ganz dagegen, dass Deutschland China auf offener weltpolitischer Bühne moralisch belehrt und zu „missionieren“ versucht. Den westlichen „Missionsanspruch“ führt er dabei als kulturelle Spätfolge auf das Christentum zurück: „Das haben die Inder nicht, die Chinesen auch nicht.“ Das alles sei also gar keine Erfindung Baerbocks, sondern finde nun seit mehr seit 20 Jahren statt. Selbst Markus Lanz hielt das im Podcast bloß für eine innenpolitisch motivierte „Show“. 

 

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Und in der Tat. Schon Außenminister Westerwelle war von der westlichen Mission beseelt. So schildert er in seiner Autobiografie die Proteste auf dem Maidan in Kiew in den Jahren 2013/2014. Bei einem Besuch der europäischen Hauptstadt wollte er sich zwar „nicht in die inneren Angelegenheiten“ der Ukraine einmischen, auch um Russland nicht zu provozieren. Aber zugleich wollte er natürlich für die Werte Europas „Flagge zeigen“.  

Außenminister Westerwelle besuchte schließlich auf Bitten der Brüder Klitschko die Oppositionellen auf dem Maidan, und er verstand gar nicht, dass er sich damit symbolisch selbstverständlich in die inneren Angelegenheiten der Ukraine eingemischt hatte. Werte können realpolitisch blind machen. 

Westliche Werte nicht als „Kampf- und Drohmittel“ einsetzen

Prechts Kernfrage im Podcast lautete dabei im Grunde nur: Wozu soll der Missionsversuch in Sachen Demokratie und Menschenrechten eigentlich gut sein, wenn er Deutschland sogar eher schadet als nützt? „Warum können wir nicht sagen: ‚Das ist deren Sache‘? Die haben doch ein Recht darauf, ihren Weg zu gehen.“  

Man dürfe jedenfalls die westlichen Werte nicht als „Kampf- und Drohmittel“ einsetzen, um so anderen zu zeigen, dass wir „moralisch die Besseren sind. Wir erreichen so das genaue Gegenteil“. Und dann gibt Precht noch einmal so richtig Gas: „Da ist diese gerade einmal etwas über 40 Jahre alte Frau, die in ihrem Leben noch nichts geleistet hat, und droht diesem Land, das 600 Millionen Menschen aus der Armut rausgeholt hat. (…) Das ist doch unsagbar zum Fremdschämen.“ 

Precht wünscht sich daher eine Rückkehr zum „Inbegriff weiser Chinapolitik“: „Ich würde mir so wünschen, wir würden zur Weisheit Schmidtscher Außenpolitik zurückkehren. Und ich will keine Außenministerin, die den Chinesen vor der Uno droht (…). Mit was denn?“ 

Und während sich die Twitter-Gemeinde jetzt wieder gegen Prechts angeblichen Sexismus ereifert, werkelt China einfach weiter daran, zur bestimmenden Weltmacht des 21. Jahrhunderts aufzusteigen. Baerbocks Drohungen würden die Chinesen jedenfalls einfach „mit großer Gelassenheit nicht ernst nehmen“.  

Es ist in Deutschland ein inzwischen gar nicht mehr so seltener Fall, dass man ausgerechnet als Philosoph außenpolitisch eher auf der Seite der Realität stehen kann als die eigentlich politisch Verantwortlichen. Und das ist keine gute Nachricht. Wenn sich das nicht bald ändert, wird es teuer. 

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