Protest gegen Ampelregierung - Ist es das alles wirklich wert, Frau Gruber? (Teil 2)

Die Kabarettistin und Schauspielern Monika Gruber macht mit ihrem Protest gegen die Politik der Ampelregierung Schlagzeilen. Im Interview spricht sie über politische Heimatlosigkeit, ihre Demonstration in Erding und Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger.

Monika Gruber umarmt Mitorganisator Franz Widmann. Sein Ein-Mann-Protest war die Initialzündung für die große Demonstration in Erding / picture alliance
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Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

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Monika Gruber ist eine bayerische Kabarettistin, Schauspielerin und Aktivistin. Sie war Mitorganisatorin der „Heizungsideologie“-Demonstration in Erding am 10. Juni 2023. Cicero-Redakteur Ben Krischke trifft sie wenige Tage später zum Interview in einem Hotel in Innsbruck, wo sie am Vorabend einen Auftritt mit ihrem Programm „Ohne Worte“ hatte. Das Gespräch dauert fast drei Stunden. Wir veröffentlichen es in zwei Teilen. Hier finden Sie Teil 1.

Frau Gruber, die einzelnen Kritikpunkte an der Ampelregierung zu besprechen, würde den Rahmen dieses Interviews sprengen. Außerdem gibt es einen Mitschnitt der Reden auf YouTube. Daher: Der Begriff „Mitte der Gesellschaft“ ist in den Redebeiträgen in Erding immer wieder gefallen. Zwei Fragen hierzu: Wer ist das denn genau, diese „Mitte der Gesellschaft?“ Und woher wissen Sie, dass Sie eine Vertreterin der „Mitte der Gesellschaft“ sind und nicht schon politischer Rand?   

Weil ich mich so empfinde, als „Mitte der Gesellschaft“. Radikale Ansichten sind mir zuwider, egal aus welcher Ecke. Ich bin auch keiner Organisation zugehörig, außer dem Sportverein, dem Schützenverein und dem Dackelclub. Aber es gibt aktuell keine Partei, die meine Interessen wirklich repräsentieren würde. Ich bin, geprägt durch mein Elternhaus, konservativ-liberal, würde ich sagen. Meine Eltern haben mich mit einem traditionellen Wertekatalog erzogen – so, wie sie selber von ihren Eltern erzogen worden waren. Wir denken alle seit Generationen ähnlich: Wir sind fleißig, zahlen brav unsere Steuern, wir helfen anderen, wenn wir können. Und wir waren schon lange nachhaltig, bevor das Wort in aller Munde war – weil wir sparsam erzogen wurden und Respekt vor unseren Mitmenschen, der Natur und den Tieren haben.

Da, wo ich herkomme, vertrauen wir auf Gott, den gesunden Menschenverstand und auf die gleichbleibende Qualität des bayrischen Bieres. Wir haben uns weder radikalisiert, noch kommen wir altersbedingt auf schwurbelige Ideen. Es hat sich lediglich das öffentliche Meinungsbild verschoben. Die klassischen Volksparteien haben doch entweder überhaupt kein Profil mehr oder sind so weit nach links gerückt, dass sich die Bürger der gesellschaftlichen Mitte nicht mehr mit ihnen identifizieren können. Da hat vor allem Frau Merkel wirklich ganze Arbeit geleistet.

Politische Heimatlosigkeit allein definiert noch keine „Mitte der Gesellschaft“. 

Ich glaube schon, dass es sich hier vor allem um die „Mitte der Gesellschaft“ handelt: Auf der Demo in Erding waren Bauern, Unternehmer, Angestellte, Beamte, Rentner und alleinerziehende Mütter. Als ich von der Bühne aus fragte, wer von den Demonstranten noch nie auf einer Demo war, sind 95 Prozent der Hände in die Höhe gegangen. Ganz normale Bürger, die bisher nichts getan haben, außer Steuern zahlen, Arbeiten und den Mund halten. Ich bin unter diesen Leuten aufgewachsen und lebe unter ihnen. Deshalb maße ich mir an, zu wissen, was die meisten davon denken und fühlen.

Was sind das für Menschen?

Das sind anständige Menschen, die Angst vor der Zukunft haben angesichts dessen, was gerade in unserem Land passiert. Die hauptsächlich in Frieden mit ihren Familien leben wollen, vielleicht einmal im Jahr in den Urlaub fahren und das, was sie sich in ihrem Leben erarbeitet haben, wenn möglich ihren Kindern vermachen. Diese Menschen sofort reflexartig als „rechts“ oder gar als „Demokratiefeinde“ zu framen, empfinde ich als Verunglimpfung und infam. Wir haben lediglich von unserem Grundrecht Gebrauch gemacht, indem wir uns auf den Volksfestplatz gestellt und gesagt haben, dass dieses Heizungsgesetz von Anfang an nicht durchdacht war und wir es so nicht akzeptieren werden. Wenn dann die einzige Reaktion darauf die alte Nazi-Keule ist, dann ist das nicht nur unglaublich billig, verlogen und arrogant. Sondern ganz üble Hetze, die in einen strafrechtlich relevanten Bereich hineinreicht.  

In einigen Kritikpunkten stimme ich mit Ihnen wohl überein. Nichtsdestotrotz habe ich mich auch schon dabei ertappt, dass ich mich selbst gefragt habe, wer jetzt eigentlich der Bekloppte ist. Derjenige, von dem ich das vermute, oder ich? Geht es Ihnen manchmal ähnlich?

Natürlich frage ich mich das zwischendurch auch: „Vielleicht spinn ja I?“ Aber dann schaue ich mich um, wie ich aufgewachsen bin, rede mit meinen Eltern, meinen Freunden, meinem Umfeld und stelle fest: Die denken alle genauso. Momentan bekomme ich tonnenweise Briefe, sogar aus dem Altersheim. Von einer 75-Jährigen zum Beispiel, die schrieb, sie verstehe die Welt nicht mehr und wenn sie nicht gehbehindert wäre, wäre sie auch zur Demo gekommen. In meinem gesamten Freundeskreis hat niemand gesagt: „Moni, vielleicht solltest du dir überlegen, ob es was von Ratiopharm gibt für dein Problem.“

Sondern?

Die sagen: „Wir sind dabei“ – „Wie viele Ordner brauchst du?“ – „Wen soll ich mitnehmen?“. Manche haben ihre ganze Familie aktiviert. Natürlich sind ein paar darunter, die sagen: „Puh, du lehnst dich ganz schön weit aus dem Fenster“ – „Achte auf dich“ – „Lass dich nicht in irgendwas reinziehen, was du irgendwann nicht mehr steuern kannst“ – „Ist es dir das wert, dass du deine Gesundheit, vielleicht auch deine Karriere aufs Spiel setzt?“. Ich habe ja schon das Stigma von der „lauten Gruber“, die schon bei den Corona-Maßnahmen kritisch war. Aber das interessiert mich nicht.

Was haben Sie während Corona erlebt? 

Ich wurde als „Corona-Leugnerin“ diffamiert – als ob ich etwas leugnen würde, was ich selbst zwei Mal gehabt habe. Aber ich muss doch eine Meinung frei äußern dürfen, ohne gleich einen Stempel aufgedrückt zu bekommen. Im Gegenteil: Das ist doch unsere Aufgabe, den Staat zu hinterfragen, wenn die Dinge außer Kontrolle zu geraten scheinen. Aber allein welcher Hass da bisweilen abgesondert wird, weil man eine andere Meinung hat als jene, die dem anderen genehm ist, finde ich wirklich erschütternd. 

Auf ihrer Demo in Erding hat unter anderem Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger gesprochen, der auch stellvertretender Ministerpräsident ist. Er sei, sagte die bayerische Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Schulze nach dessen Rede, ein „geistiger Brandstifter“. In einem Dringlichkeitsantrag im Bayerischen Landtag hat die Partei Markus Söder dann sogar aufgerufen, Aiwanger zu entlassen. Was halten Sie davon? 

Das hat zum Teil wirklich autokratische Züge. Allein, wie Frau Schulze – dieses hysterische Duracell-Häschen der Grünen – da im Parlament gegeifert hat, war unerträglich. Ich habe mir gedacht: Habt ihr euch mal alte Aschermittwochsreden von Franz Josef Strauß oder Edmund Stoiber angehört? Oder die legendären Wortgefechte zwischen Herbert Wehner und Rainer Barzel? Da waren Sätze dabei, die man heute wahrscheinlich gar nicht mehr sagen könnte, ohne, dass einem die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt würde.

Über Geschmack lässt sich streiten.

Klar kann man über den einen oder anderen Satz geschmäcklerisch streiten. Aber wie oft erlebt man denn, dass ein Politiker seine Rede beendet und die Menschen „Zugabe!“ rufen? Herr Aiwanger schaut den Leuten eben aufs Maul. Außerdem ist Wahlkampf, da wird naturgemäß ab und zu das Florett im Schrank gelassen und die Keule rausgeholt. Na und? Das war schon immer so! Im Übrigen ist mir ein Politiker, dessen Sprache die Menschen verstehen, zehn Mal lieber als einer wie Herr Habeck, der den intellektuellen Denker spielt und dabei ein ganzes Volk überfordert mit seinen unausgegorenen Ideen.  

Ein genereller Kritikpunkt an der Demo lautet, dort hätten auch Menschen vom rechten Rand mitdemonstriert. Allerdings veranstaltete die AfD vor Ort eine eigene Demonstration. Außerdem ist es bei öffentlichen Protesten auch gar nicht so einfach, Leute einfach wegzuschicken.  

Nein. Claudia Roth, damals Bundestagsvizepräsidentin, marschierte mal bei einer Demonstration mit, auf der jemand ein Schild hochhielt mit der Botschaft: „Deutschland, du mieses Stück Scheiße“. Davon musste sie sich auch nicht distanzieren. Sie kann ja schließlich auch nicht jeden kontrollieren, der da mitlatscht. Genauso wenig wie wir das bei unserer Kundgebung konnten. Ich glaube, die Kritiker dieser Demo kommen einfach nicht damit klar, dass sich jetzt auch die bürgerliche Mitte wehrt. 

Auch der bayerische Ministerpräsident hat eine Rede gehalten. Bei Markus Söder gab es – im Gegensatz zu Hubert Aiwanger – keine „Zugabe!“-Rufe, sondern ein Pfeifkonzert und „Haut ab!“-Rufe von manchen Demonstranten. 

Da bin ich dann auch eingeschritten. Man muss Markus Söder nicht mögen, aber man sollte ihn trotzdem ausreden lassen, da sind wir wieder beim Respekt. Danach kann man dann meinetwegen pfeifen, wenn man nicht mit dem Gesagten einverstanden ist. Aber „Hau ab!“-Rufe gehen gar nicht. 

„Haut doch selber ab!“ war seine Reaktion. 

Das war nicht gerade souverän. Aber ich glaube, er war einfach geschockt. Und sein Reflex war dann gleich, seine Kritiker allesamt als AfD-Wähler zu beleidigen, was definitiv nicht gestimmt hat. Ich glaube, dass ihm manche Menschen seinen harten Corona-Kurs und den Schaden, den er damit angerichtet hat, nicht verziehen haben. Vor allem, weil er jetzt so tut, als habe er damit nichts zu tun gehabt. 

Im Prinzip ist Söder dem gleichen Reflex erlegen, den man rund um Erding auch bei den Grünen beobachten konnte.  

Ja. Herr Söder war an dem Tag unfreiwillig das Sinnbild dessen, was wir bei den Politikern der Ampelkoalition immer kritisieren: Die Abgehobenheit einer gewissen Politikerelite, die irgendwie den Bezug verloren hat zum Bürger; die nicht mehr weiß, was da draußen wirklich los ist. Das hat sich auf ihn projiziert, weil er als Ministerpräsident natürlich deutlich stärker für die verantwortlich Handelnden steht als etwa Herr Aiwanger.

Aber auch Herr Aiwanger ist Teil der bayerischen Landesregierung.

Vielleicht nehmen die Menschen ihm aber eher ab, dass er noch ein Gespür hat für sie. Der Mann hat auf dem Bauernhof seiner Eltern mitgearbeitet, während die meisten seiner Berufskollegen Jura oder Politikwissenschaft studiert haben. Helmut Schleich hat mal in einer Laudatio auf mich gesagt: „Die Moni ist nicht links, die Moni ist nicht rechts, die ist da, wo die Leute sind.“ Und ich glaube, bei Hubert Aiwanger ist das ähnlich. Der kommt vom Land, lebt bodenständig, weiß um die Nöte der Leute, die in seiner Dorfgemeinschaft leben, weil er rausgeht und mit den Leuten redet ohne vier Bodyguards im Schlepptau. Aber es scheint so, dass wir zu viele Politiker haben, denen die Sorgen der Bürger einfach egal sind – oder die zumindest so weit entfernt davon leben, dass sie damit nichts mehr anfangen können. Das ist wirklich bedenklich. Und das führt zu nichts Gutem. 

Haben Sie mit dem großen Echo, das ihre Demonstration ausgelöst hat, gerechnet? 

Überhaupt nicht. Ich bin auch ein bisschen überfordert damit. Ich möchte nicht immer alles wiederkäuen, mich ständig rechtfertigen müssen. Und ich möchte mich auch nicht in irgendeine Talkshow setzen, die dann so besetzt ist, wo die Aufteilung klassisch vier gegen einen ist. Anfragen gab es genug. 

Eigentlich hatten Sie bereits angekündigt, demnächst eine große Demonstration mit 100.000 Menschen organisieren zu wollen. Aufgrund der Abänderung des Heizungsgesetzes, stellen Sie den Protest aber erstmal ein. Wie geht es also weiter? 

Das Heizungsgesetz wurde abgeschwächt, aber machen wir uns nichts vor: Es ist immer noch Murks, der unterm Strich nichts bringen wird außer Kosten, am allerwenigsten etwas fürs Klima. Die Politik müsste so offen und ehrlich sein, dass sie den Menschen draußen erzählt, mit was denn diese großartigen Wärmepumpen in Zukunft betrieben werden, nämlich mit Atomstrom aus Frankreich, Finnland, Tschechien und Polen. Oder – wie in München – mit Braun- und Steinkohle, die nicht einmal aus Deutschland kommt, sondern aus Australien, Afrika und Kanada. Der schwarze Peter wird jetzt aber einfach den Kommunen zugeschoben, die das Ganze regeln sollen. Deshalb hoffe ich, dass wir einen Stein ins Rollen gebracht haben und andere Städte unserem Beispiel folgen werden. Wir werden die weitere Entwicklung jedenfalls sehr genau beobachten, und bei ähnlich bürger- und wirtschaftsfeindlichen Vorschlägen seitens der Regierung den Protest wieder aufnehmen.

Sie erzählten vorhin von Freunden, die Sie fragten, ob es das alles wert sei. Der Stress, das Berufsrisiko, der Hass, der ihnen entgegenschlägt. Die Demo in Erding ist ja nur ein Aspekt Ihrer Gegenrede, Sie sind auch in den sozialen Medien sehr aktiv. Also: Ist es das alles wirklich wert? 

Mir ist es das wert, ja. Das alles ist schon ein dickes Brett, ganz ehrlich. Aber ich möchte mich weiter im Spiegel anschauen können und nicht irgendwann sagen müssen, dass ich der ökonomischen und gesellschaftlichen Zerstörung meiner Heimat tatenlos zugeschaut habe. Ob es etwas bringt, werden wir sehen. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Das Gespräch führte Ben Krischke

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