Der Mensch und die Natur - Nicht unnatürlicher als eine Biberburg

In den aktuellen Debatten über Klima- und Umweltschutz wird der Mensch unsinnigerweise als ein Fremdkörper der Natur betrachtet. Besonders Linke verurteilen ihn als Alleszerstörer, ohne den die Welt viel schöner und besser wäre. Dabei stand der Mensch früher im Mittelpunkt ihrer Fürsorge

Ist der Biber genauso unnatürlich wie wir oder sind wir so natürlich wie der Biber? / picture alliance
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Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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Die Natur gibt es nicht. Deshalb kann man sie auch nicht zerstören. Und schützen kann man sie auch nicht. Denn die Natur ist eine menschliche Erfindung. Sie ist, wenn man so will, eine sehr künstliche Konstruktion. Und zugleich ein Relikt magischen Denkens in einer sich aufgeklärt wähnenden Gesellschaft.

Man braucht sich nur die aktuellen Debatten über Klimaschutz, Plastikmüll oder Artenvielfalt anzusehen, um sich klar zu machen, dass es hier nicht einfach nur um den Erhalt einer lebenswerten Umwelt geht. Der Eifer, der dabei fast immer mitschwingt, und der angespannte Tonfall machen deutlich, dass es hier nicht einfach nur um eine funktionierende Biosphäre geht. Es geht um viel, viel mehr. Es geht um den Menschen – also um Ideologie.

Es geht hier vor allem um Romantik

Deutlich wird das an einer so einfältigen Parole wie: „Die Natur verhandelt nicht“, mit der Greenpeace seit Jahren um die Häuser zieht. Auch die Dringlichkeitsapelle der mit kirchlichem Segen zur Heiligen avancierten Greta weisen in dieselbe Richtung. Ja, die Natur verhandelt nicht, denkt da betroffen der schuldbewusste Wohlstandbürger und schwankt dabei zwischen innerem Grausen und Ergriffenheit.

Dabei offenbaren solche Sentenzen lediglich die Einfalt des dahinterstehenden Denkens. Denn natürlich verhandelt ein biologisches System nicht. Es läuft einfach ab. So oder so. Das liegt daran, dass biologische Systeme weder vernünftig sind noch ein Ziel haben. Das klingt allerdings nicht besonders romantisch. Doch um Romantik, also um Sinnsuche geht es hier vor allem.

Der Mensch als Fehler im System

Dabei wird die Biosphäre zu einem Subjekt uminterpretiert, das verhandelt oder nicht verhandelt, das straft und belohnt, hart aber gerecht, grausam und unerbittlich. Das ist voraufklärerisches mythologisches Denken in Reinform: die Natur, so wunderschön und doch so gnadenlos, lieblich und ungestüm, betörend und dabei immer gefahrvoll.

Bezeichnenderweise wird in dieser Schmonzette der Mensch nicht als Teil der Natur gedacht, sondern als Fremdkörper. Und die moralischen Rollen sind dabei auch verteilt. In einer Art Inversion des christlichen Bildes von der „Krone der Schöpfung“ mutiert der Mensch zum Fehler im System, zum Störenfried, zum diabolischen Alleszerstörer, ohne den die Welt viel schöner und besser wäre.

Mensch nicht im Mittelpunkt linker Fürsorge

Doch der Mensch ist Teil der Biosphäre. Zwar greift der Mensch aufgrund seiner technischen Möglichkeiten quantitativ in anderer Weise in seine Umwelt ein als andere Spezies. Doch sind diese menschlichen Veränderungen der Umwelt keinen Deut unnatürlicher als eine Biberburg. Und auch die kann einen ziemlichen Flurschaden hinterlassen.

Die Fähigkeit, seine Lebenswelt zu gestalten – daran muss man hin und wieder erinnern –, ist die Basis für menschliches Wohlergehen. Bis vor wenigen Jahrzehnten gehörte es daher zum kleinen Einmalsein der Linken, dass gesellschaftlicher Fortschritt nur mittels Naturbeherrschung möglich ist.

Aus und vorbei. Von der Vision, Wohlstand für alle durch Ausbeutung natürlicher Ressourcen zu schaffen, hat sich die Linke Westeuropas schon lange verabschiedet. Schonend und vor allem achtsam gibt man sich heutzutage – gegenüber der Natur wohlgemerkt. Gegenüber Menschen hingegen tritt man umso rabiater und rigoroser auf. Die Linke, ursprünglich mal ein humanistisches Projekt, ist im Posthumanismus angekommen. Nicht der Mensch steht mehr im Mittelpunkt linker Fürsorge, sondern die neuheidnische verehrte Mutter Natur. Der pagane Fundamentalismus Gretas weist den Weg.

Die Natur kennt keine Grenzen

Diese weltanschauliche Neuausrichtung von einem materialistischen Humanismus zu einem esoterischen Naturalismus rechtfertigt auch die Abkehr der Linken von sozialdemokratischen Nationalstaat. Denn die Natur, so eine weitere allseits beliebte Phrase, kennt keine Grenzen.

Damit macht sich die Linke schließlich gemein mit Interessengruppen, die lieber heute als morgen den Nationalstaat als soziale Ordnungseinheit durch Global Governance ersetzen würden. Nichts illustriert den Wandel linken Denkens vom Emanzipationsprojekt hart arbeitender Menschen zur Ideologie der Mittelklasse besser. Und so entlarvt sich der Naturschutz- und Klimahype als nichts anders als esoterisch angehauchte Mittelschichtsideologie, die postreligiöse Sinnsuche mit – marxistisch gesprochen – knallharten Klasseninteressen verbindet. Ohne Zweifel ein Erfolgsrezept.

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