Literaturen im März - Kafka, Kaiser, Katholizismus

Rüdiger Safranski legt eine imposante Annäherung an das Werk des Genies Franz Kafka vor, Menachem Kaiser sucht in Polen nach Spuren seiner jüdischen Familie, und Volker Reinhard erzählt Giordano Brunos Leben in seinen Widersprüchen.

Literaturen im März / picture alliance
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Ein skurriler Mann namens Franz Kafka

Zum 100.Todestag legt Rüdiger Safranski eine imposante Annäherung an Leben und Werk des Genies vor, das Obdach vor Schuld und Schmutz allein im Schreiben fand.

Es gab einen Punkt in seinem Leben – da wäre er lieber an die Front des Ersten Weltkriegs beordert worden, als dort zu bleiben, wo er aufwuchs. „Dort“ meinte: Unter dem Protektorat eines Vaters, der Folterspezialist und Scharfrichter in einer Person verkörperte; in einem Beamtenjob, der ihn wie ein Blutegel aussaugte; mithin in einer alle Gewissheiten umstürzenden Zeit. Denn das multikulturelle Habsburgerreich stand vor seiner Implosion, Religionen dienten längst nicht mehr als Kompass. Derweil kursierten Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit auf den Straßen. Die Bilanz: Das Vorgefühl einer Katastrophe lag in der Luft, und der Einzelne, der so lange um seine Würde kämpfen musste, drohte sie als Teil einer urbanen Massengesellschaft gerade wieder zu verlieren. Genau in diesem Schmelztiegel verfasste ein skurriler Mann namens Franz Kafka Texte, die erst nach seinem Tod am 3. Juni 1924 zu Weltbestsellern avancieren sollten.

Was eben dieses Schreiben für ihn bedeutete, analysiert Rüdiger Safranski in seiner profund recherchierten und umsichtigen Annäherung an den Prager Autor. Auf Basis von Briefen, Tagebucheinträgen und nicht zuletzt seiner Prosa zeichnet der Philosoph und Interpret ein in sich zerrissenes Genie. Aufrecht hielt den Juristen Kafka allein die zumeist nächtliche Textproduktion. Außerhalb seiner Schriftstellerei sei er ein „Leichnam“ und kaum in der Lage gewesen, gesunde Beziehungen einzugehen. Dass Kafka veritable Probleme mit seiner Familie hatte, bei der er trotzdem die längste Zeit wohnte, mag den meisten noch bekannt sein. Nicht ganz so geläufig sind hingegen die komplexen Hintergründe für seine Bindungsängste gegenüber Frauen. Bevor er kurz vor seinem Tod noch mit Dora Diamant eine glückliche Zweisamkeit erfahren durfte, hatte er sich immer wieder ver- und entlobt, mit Felice Bauer gleich mehrfach.

Wenn es nicht so tragisch wäre, müsste man über seine ihr zugeschickte Mängelliste lachen. Im Falle einer anberaumten Eheschließung müsse sie sich nämlich an „ein klösterliches Leben an der Seite eines verdrossenen, traurigen, schweigsamen, unzufriedenen, kränklichen Menschen [gewöhnen], der, was Dir wie ein Irrsinn erscheinen wird, mit unsichtbaren Ketten an eine unsichtbare Litteratur gekettet ist und der schreit, wenn man in die Nähe kommt“.

Angst trieb ihn also, genauso wie eine kosmische Schuld. Sie erwies sich als Quell fast all seiner Texte. Sei es gegenüber dem Vater, den er in seiner frühen Erzählung „Das Urteil“ zwar zum Todesengel erhebt, aber gleichsam in der letzten Minute auch alterssenil stürzen lässt. Sei es in der Korrespondenz mit seinen Geliebten, denen er wegen seines Schaffensdrangs nicht den nötigen Raum gewähren konnte – das Gefühl, nicht zu genügen, sich zu verirren und dafür noch strafen zu wollen, lastet wie ein Amboss auf Kafkas schmächtigen Schultern. Kaleidoskopartig und mehrdeutig erscheint die Schuld daher in seinen Werken, deren Exegese zu den stärksten Passagen bei Safranski gehört.

Dies gilt besonders für die Auslegung des Romanfragments „Der Prozess“. Darin erwacht Josef K. eines Morgens und sieht sich noch im Schlafzimmer mit seiner angeblichen Verhaftung konfrontiert. Engagiert versucht er fortan die Gründe für seine Anklage zu erfahren. Doch die undurchsichtigen Strukturen des Tribunals geben keine Antworten darauf. Lesen lässt sich der Text sowohl als innere Auseinandersetzung mit persönlichen Verfehlungen als auch einer grundlegenden, metaphysischen Verlorenheit. Geht es bei den Bemühungen des Protagonisten um die Suche nach dem Göttlichen? Insbesondere für den in der Diaspora lebenden Juden Kafka? Oder spielt vielmehr der einseitige Workaholismus des Prokuristen und Singles eine Rolle?

So könnte die „Schuld des Josef K. darin [bestehen], dass er zunächst ein oberflächliches, äußerlich funktionierendes, angepasstes Leben geführt hat. Aus diesem ,uneigentlichen‘ Leben wird Josef K. aufgeweckt durch die Verhaftung. […] In einer solchen existentialistischen Interpretation erscheint das Gericht als geradezu befreiend: es wirft den Einzelnen auf sich selbst zurück und eröffnet ihm damit die Chance zur Selbstermächtigung. Man täuscht sich in dem Gericht, wenn man es nur als geheimnisvoll repressive Macht ansieht. Auf einmal hat es etwas mit Erleuchtung zu tun.“

Der Tod durch eine absurde Psychoterrorjustiz als Erlösung? Nur wovon? Tatsächlich nur von der transzendenzlosen Einsamkeit und der verwandtschaftlichen Enge? „Das Schreiben“, so Safranski, „war der Entwürdigung abgetrotzt.“ Diese vermutet der Bordellbesucher Kafka allen voran in der Sexualität. Wenn sein Landvermesser im Fragment „Das Schloss“ wahrnimmt, wie sich die Dorffrauen den Verwaltungsbeamten anbiedern, oder wenn sein K. in „Der Prozess“ sich bei seiner vergeblichen Erforschung des Tatvorwurfs ständig von Verführerinnen ablenken lässt, so wird ersichtlich, „dass es ihm auf […] die geistige Kontrolle und Gestaltung des Natürlichen ankam. Er nennt das Reinheit.“ Alles andere sei Schmutz.

Was hätte dieser Autor, der so sehr an der Ich-Krise der Moderne litt, über unsere heutigen identitätspolitischen Diskurse um Cancel Culture und kulturelle Aneignung gedacht? Im Kafka-Jahr, begangen mit Aufsätzen heutiger Schriftsteller wie in „Kafka gelesen“ (S. Fischer) oder intensiven Zwiegesprächen, darunter Thomas Lehrs „Kafkas Schere“ (Wallstein), dürften sich sicherlich Reflexionen zu diesen Fragen finden lassen.

Obwohl sich Safranskis Deutungen bisweilen etwas zu eng an den biografischen Details des Autors entlang bewegen und nichts fundamental Neues zu dem Nachtschreiber präsentieren, gelingt ihm ein organisches und über sämtliche Aktualitätsdiskurse hinausreichendes Porträt eines Menschheitsautors. Wie kaum ein anderer hat Kafka die Absurdität der humanen Existenz beschrieben. Man kann an dieser Einsicht verzweifeln. Man kann sie aber auch als Einladung verstehen, weiter an die Fantasie zu glauben. Sie bot Kafka Obdach, selbst dann noch, als ihm längst der Boden unter den Füßen entschwunden war.  Björn Hayer

Rüdiger Safranski: Kafka. Um sein Leben schreiben. Hanser, München 2024. 256 Seiten, 26 Euro 

 

Hausnummer 34

Menachem Kaiser, Enkel eines Holocaust-Überlebenden, sucht in Polen nach Spuren seiner jüdischen Familie.

Dieses Buch bietet alles, was einen guten Roman ausmacht: interessante Charaktere, überraschende Wendungen, spannende Momente, ein offenes Ende, dazu noch Sprachwitz und Erzählkunst. Doch was wie ein Roman erscheint, ist ein Sachbuch, in dem der 1985 geborene amerikanisch-kanadische Schriftsteller Menachem Kaiser von der Geschichte seiner Familie erzählt.

Der Großvater des Buchautors, Maier Kajzer (der Familienname in älterer Schreibweise gab dem Buch seinen Titel), wurde 1921 in Schlesien in einer jüdischen Familie geboren und überlebte als eines von wenigen Familienmitgliedern den Holocaust, ohne dass er später je darüber sprach, was er während des Krieges erlebt hatte. Seinen Enkel, den Autor des Buches, lernte er nie kennen. Er starb acht Jahre vor dessen Geburt.

Als Menachem Kaiser 2010 ein Forschungsstipendium in Litauen erhält, beschließt er, in die frühere Heimat seines Großvaters, genauer: in die zwischen Kattowitz und Krakau gelegene Stadt Sosnowiec zu fahren und das Haus zu suchen, in dem dieser einst aufgewachsen ist. Mit diesem spontanen Besuch beginnt eine jahrelange Reise in die Vergangenheit, die in manchen Momenten einem spannenden und rasanten Roadmovie gleicht.

Denn kurz darauf erfährt Kaiser von seinem Vater, dass sein Großvater nach Kriegsende jahrelang erfolglos versucht hatte, eine Entschädigung für den Verlust des Hauses in Sosnowiec zu erhalten. Sein Enkel versucht nun Jahrzehnte später, dieses Anliegen weiter zu verfolgen, und beginnt einen Restitutionsprozess, der manchmal an Absurditäten nicht zu überbieten ist.

So muss Kaiser nach einem langwierigen Gerichtsprozess lernen, dass es im polnischen Recht einen Unterschied zwischen der Anerkennung und der Erklärung des Todes gibt. Für seine im Holocaust umgekommenen Familienmitglieder, von denen weder der exakte Zeitpunkt noch der genaue Ort ihrer Ermordung bekannt ist, kann der Tod lediglich anerkannt, aber nicht erklärt werden. Außerdem stellt sich nach einer Weile heraus, dass Kaiser zunächst nach dem falschen Haus gesucht hat, denn aus der früheren Hausnummer 12 war nach Jahrzehnten die Nummer 34 geworden, nachdem in der Straße nach Kriegsende neue Häuser gebaut worden waren. Doch Kaiser lässt sich nicht entmutigen, denn für ihn ist der Prozess um das Gebäude inzwischen ein „Mittel, um Zugang zu einer Person zu erhalten, die ich immer für unzugänglich verschlossen gehalten hatte“.

Seine Spurensuche führt Kaiser auch auf die Fährte eines unbekannten Familienmitglieds: Abraham Kajzer, der sich als Cousin seines Großvaters entpuppt. Dessen in den 1960er Jahren erschienener Überlebendenbericht ist unter polnischen Hobbyschatzsuchern berühmt, die noch heute in den schlesischen Wäldern auf der Suche nach dem legendären Nazigold sind. Kajzer beschrieb darin nämlich detailliert die Bunkerarbeiten in dem Gebiet, die er in den letzten Kriegsmonaten als Häftling verrichten musste. Und so steckt in Menachem Kaisers Buch noch ein weiteres Buch, aus dem er ausführlich zitiert, das bis heute nicht ins Deutsche übersetzt ist und das die Geschichte einer geradezu wunderbaren Rettung erzählt.  René Schlott

Menachem Kaiser: Kajzer. Mein Familienerbe und das Abenteur der Erinnerung. Zsolnay, Wien 2024. 336 Seiten, 28 Euro 

 

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In den Wäldern der Erinnerung

Iris Wolff erzählt in „Lichtungen“ bezwingend von einer fragilen Liebe. 

Was verbindet die Straßenmalerin Kato und ihren Reisegefährten Lev? Welche Geschichte teilen diese beiden Leute Mitte, Ende dreißig? Warum haben sie einander fünf Jahre lang nicht gesehen, bevor er nach Zürich zitiert wird mit ihrer Postkarte, auf der nur drei Worte stehen: „Wann kommst du?“ Fragen wie diese ziehen soghaft hinein in Iris Wolffs neuen Roman „Lichtungen“. Er beginnt in der Gegenwart und entführt mehr als drei Jahrzehnte in die Vergangenheit – ganz buchstäblich: Erzählt wird nämlich rückwärts, in Episoden, die jeweils einige Jahre länger zurückliegen.

Lev und Kato stammen aus der Maramuresch, einem waldreichen Landstrich im Norden Rumäniens nahe der ungarischen Grenze, in dem die Sprachen und Herkünfte sich zuweilen in den Familien mischen. Lev will sich nirgends einordnen lassen, schließlich hat er „eine siebenbürgische Mutter und einen rumänischen Vater; sein Großvater berief sich auf seine österreichischen Vorfahren“. Die Bevölkerungsgruppen konkurrieren um ihren Status in dörflichen und städtischen Gesellschaften, deren historische Bausubstanz zerfällt, deren katholische, protestantische und orthodoxe Kirchen nur mühsam in Schuss gehalten werden. Hier mag das Ende von Ceausescu zwar seinen Sicherheitsapparat weggefegt haben, aber nicht die Erinnerung an dessen Macht bis in die Familien hinein. Die Angepassten von damals sind die Karrieristen der Gegenwart. Und viele gehen weg, nach Westen.

Nach und nach wird klar, dass Kato und Lev seit Kindheitstagen verbunden sind – in einer Beziehung, in der es Lev früh um Liebe und Zugehörigkeit ging und Kato immer um Freundschaft und Freiheit. Erst als das Buch in der Gegenwart angekommen ist, kann beides, Freundschaft und Liebe, vielleicht doch zusammengehen. Aber auch Levs frühes Trauma enthüllt sich und all die anderen Verluste seines Lebens. Zu denen zählt, dass Kato fünf Jahre zuvor das Dorf hinter sich ließ, um mit einem durchreisenden Deutschen die Welt zu erkunden.

Iris Wolff findet die Themen auch in ihrem fünften Roman in der jüngeren Geschichte des Landes, in dem sie vor 46 Jahren zur Welt kam. Die zuweilen brutalen Zeitläufte, gespiegelt in der Geschichte einer Familie und einer fragilen Liebe, sind erneut die Folie, auf der sie das Ineinander wie die Gegenläufigkeit von Heimatbedürfnis und Aufbruch, von Zugehörigkeit und Freiheit betrachtet. Ein aus ihren früheren Büchern ebenfalls vertrautes Thema ist die unberechenbare Dynamik des menschlichen Erinnerungsvermögens. Hier wird es gefasst in ein Bild, das dem Roman den Titel gibt: „Erinnerungen waren über die Zeit verstreut wie Lichtungen. Man begegnete ihnen nur zufällig und wusste nie, was man darin fand.“

Levs Perspektive ist die beherrschende, sie offenbart seine Träume, seine Verletzungen, seine Hoffnungen, seine Zweifel. Die anderen bleiben ihm oft rätselhaft, ihre Motive undurchdringlich. Dennoch gelingt es der Autorin, die Figuren und ihre Resonanzen anschaulich zu machen, ohne zu viel über sie zu verraten. Iris Wolffs altmeisterlicher, dabei schwebender Ton, ihre Arbeit mit Leitmotiven und Leerstellen, ihre Befähigung, die wichtigen, vielsagenden Details aufleuchten zu lassen, hat etwas magisch Bezwingendes.  Julia Schröder

Iris Wolff: Lichtungen. Springer, Klett-Cotta, Stuttgart 2024. 256 Seiten, 24 Euro 

 

Rationalist und Fantast

Volker Reinhard erzählt Giordano Brunos Leben in seinen Widersprüchen.

Die Moderne gebiert seltsame Heilige. Und der eigenwilligste unter diesen neuen Helden des modernen Zeitalters ist Giordano Bruno. In progressiven Kreisen, dort, wo man routiniert die katholische Kirche verachtet und die eigene Aufgeklärtheit feiert, gilt der ketzerische Dominikaner als Märtyrer der Wissenschaften und leuchtendes Sinnbild für den Widerstand gegen eine bornierte Kirche, gegen Aberglauben und religiöse Verblendung. Anderen wiederum gilt der „Nolaner“, so benannt nach seinem Geburtsort Nola bei Neapel, als egomaner Querulant, der sich mit allen Autoritäten seiner Zeit anlegte und dessen Lehre bei Weitem nicht so modern war, wie gerne dargestellt.

Die Erinnerung an Giordano Bruno, sie ist somit überlagert von Instrumentalisierungen und Überzeichnungen. Umso verdienstvoller ist es, dass der renommierte Historiker Volker Reinhardt in seinem neuesten Werk versucht, das durch jahrhundertelange Grabenkämpfe verzerrte Bild des Theologen, Philosophen und Dichters zu versachlichen.

Heraus kommt das Porträt eines Mannes, der in jeder Hinsicht das Produkt des religiös, intellektuell und politisch zerrissenen 16. Jahrhunderts war. In Europa tobten Glaubenskämpfe zwischen Katholiken und Protestanten. Entdeckungen in Übersee untergruben das mittelalterliche Weltbild. Viele Intellektuelle ketteten sich an alte oder neue Wahrheiten und stürzten sich in wütende Dispute. Giordano Bruno war einer von ihnen – der radikalste.

Für Reinhardt ist Bruno ein „begnadeter Satiriker und begeisterter Verkünder besserer Welten, nüchterner Rationalist und hochfliegender Phantast, präzise argumentierender Mathematiker und kühn spekulierender Philosoph, elitärer Verächter der ignoranten Masse und engagierter Verteidiger der kleinen Leute“. Indem er diese Gegensätze in sich vereint, werde der Nolaner „zum exemplarischen Zeitzeugen, der Moden und Trends seiner Zeit aufnahm, bündelte, weiterentwickelte und zuspitzte, oft bis zum Extrem.“

Das hatte zur Folge, dass Bruno die zweifelhafte Ehre zuteilwurde, von quasi allen Konfessionen seiner Zeit verurteilt zu werden: von Katholiken, Lutheranern, Anglikanern und Calvinisten. Ein Grund dafür war die Borniertheit seiner Zeit. Ein anderer die Selbstherrlichkeit, mit der Bruno auf jeden Widerspruch mit noch mehr Polemik und Entschlossenheit antwortete. So gesehen ist Giordano Bruno auch der Prototyp des sich radikalisierenden Intellektuellen.

Es gehört zu Brunos Tragik, dass er zeit seines Lebens in die Spannungsfelder politischer Interessen und gesellschaftlicher Konflikte gerät. Auch seine Hinrichtung auf dem Campo de’ Fiori in Rom am 17. Februar des Jahres 1600 war Teil einer politischen Inszenierung des sich auf dem Höhepunkt seiner Macht befindlichen Papstes Clemens VIII.

Reinhardt gelingt es in seiner spannenden Biografie nicht nur, den intellektuellen Werdegang Brunos vom Mönch zum Häretiker nachzuerzählen, ohne dabei die schwierigen Seiten seines Helden zu verschweigen. Auch die Motive von Brunos Gegnern schildert er ohne Schwarz-Weiß-Malerei. Sein Werk ist daher mehr als eine Biografie eines Philosophen zu Beginn der Neuzeit, es ist Mahnung zu Toleranz und Meinungsfreiheit in unserer Gegenwart.  Alexander Grau

Volker Reinhardt: Der nach den Sternen griff. Giordano Bruno - Ein ketzerisches Leben. C.H. Beck, München 2024. 352 Seiten, 29,90 Euro 

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