Jenseits alter Traditionen - Ostern als Auszeit

Mit den zahlreichen österlichen Gebräuchen hat unser Genusskolumnist wenig am Hut. Interessant ist deren Geschichte trotzdem. Und ansonsten freut er sich einfach auf ein paar möglichst ruhige Tage.

Die alljährliche Ostereiersuche: Ein spaßiges Vergnügen für junge Familien / dpa
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Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Wie viele symbolisch stark aufgeladene Feiertage hat Ostern für viele Menschen auch einen ganz profanen Nutzwert. Denn wenn man nicht gerade als Lokführer, Feuerwehrmann, Krankenschwester, Altenpflegerin, Kellner oder ähnliches arbeitet, beschert das Osterfest den meisten Berufstätigen vier komplett arbeitsfreie Tage am Stück. Wobei natürlich auch das in Arbeit ausarten kann, denn große Familienfeste nebst kulinarischen Gelagen und intensiver Kinderbespaßung können ganz schön schlauchen.

Das Osterei im Wandel der Zeiten

Klassisches christliches Symbol des Osterfestes ist natürlich das Ei. Von außen wirkt es kalt und tot, doch aus seinem Inneren erwächst neues Leben. Es soll an das Grab in Jerusalem erinnern, aus dem Jesus Christus am Ostermorgen von den Toten auferstand. Und das begründet den christlichen Glauben an ein Leben nach dem Tod.

Das traditionelle vorfestliche Ritual, also Eier vorsichtig ausblasen und die Schalen mehr oder weniger kunstvoll bemalen, hat an Verbreitung verloren, es dominieren industriell produzierte bemalte Eier, natürlich hartgekocht. In erster Linie geht es inzwischen aber um eiförmige Süßigkeiten, hohl, massiv oder gefüllt und in buntes Stanniolpapier eingepackt. Natürlich auch in veganer Variante.

Viel heidnische Symbolik

Zu den Ostersymbolen gehört ferner das „Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt“, wie es im Johannesevangelium heißt. Zu Ostern erlebt Lammfleisch in Deutschland seinen saisonalen Höhepunkt. Sonst ist es, abgesehen von den Communitys vieler Einwanderer, hierzulande nicht besonders beliebt.

Eher heidnische, volkstümliche Wurzeln hat der Osterhase. Doch die Kirche hat ihn im Laufe der Zeit still geduldet, denn der Hase passte als Symbol der Fruchtbarkeit und des Lebens durchaus in das österliche Bild der Auferstehung und des Neuanfangs. Auch er ist mittlerweile vor allem ein Umsatzburner der Süßwaren-, aber auch der Grußkartenhersteller.

 

Zuletzt in „Genuss ist Notwehr“ erschienen:

 

Ebenfalls heidnischen Ursprungs ist das vor allem im ländlichen Raum immer noch sehr beliebte Osterfeuer, mit dem eigentlich der Frühling eingeläutet werden soll. Aber das helle Licht anlässlich der Auferstehung des Herrn war natürlich sehr kompatibel mit dem christlichen Glauben.

Zudem gibt es in diesem Jahr noch eine ganz besondere Symbolik. Denn der kalendarische Zufall will, dass in der Nacht zum Sonntag auch die Umstellung auf Sommerzeit vollzogen wird. Für den großen Festtag gibt es also eine Stunde extra oben drauf. Außerdem hat man an diesem Ostersonntag letztmalig die Gelegenheit, illegal Cannabis zu konsumieren.

Eine Messe als Mega-Event

Ostern ist für viele Menschen auch einer der seltenen Anlässe, Gottesdienste zu besuchen. Das zentrale Osterevent ist aber natürlich der große Auftritt des Papstes am Sonntag auf dem Petersplatz in Rom, zu dem auch in diesem Jahr Zehntausende Gläubige erwartet werden und der in vielen Ländern der Welt live im TV übertragen wird. Nach der großen Messe wird Franziskus seine Osterbotschaft verkünden und in vielen Sprachen den Segen „Urbi et Orbi“ erteilen.

Allerdings ist Papst Franziskus vor allem bei westlichen Politikern inzwischen ziemlich unbeliebt, weil er Anfang März in einem Interview mit dem Schweizer Sender RSI unter anderem eine schnelle Einstellung der Kampfhandlungen in der Ukraine forderte und die Rüstungsindustrie angriff. Was ihm prompt den Vorwurf einbrachte, die Interessen Putins zu vertreten.

Es geht auch ganz anders

Man kann Ostern aber auch ganz anders verbringen: ohne Eier, ohne Lamm, ohne Hasen, ohne Feuer und auch ohne Papst. Man kann, wenn einem die wachsende Kriegsgefahr allmählich unheimlich wird und der Umgang der deutschen Politik mit dieser Frage nicht einleuchtet, an einem der vielen Ostermärsche teilnehmen, der traditionellen Manifestation der Friedensbewegung. Man kann die freien Tage aber einfach möglichst entspannt genießen, etwa mit der Familie oder Freunden. Und dabei gut essen und trinken.

Empfehlenswert wäre vielleicht auch ein „mediales Detox“. Laptop zuklappen, Fernseher und möglichst auch das Smartphone ausschalten. Mal ein paar Tage nicht die ewigen Diskussionen über Krieg und Frieden, den Zustand Deutschlands, die Probleme der Migration oder die Aufarbeitung der Corona-Krise verfolgen. Der ganze Wahnsinn holt einen noch früh genug wieder ein.  

Ernährungssoziologe verteidigt die Tradition

Meine gewisse Geringschätzung für die traditionellen Osterbräuche mag der Ernährungssoziologe Daniel Kofahl allerdings nicht teilen, denn Ostern sei „natürlich vor allem Tradition. Da kann man auch am Osterlamm und Eiern festhalten, und es geht ja auch um die intergenerationalen Erlebnisse“. Für „uns alte Brauereipferde“ seien Lamm und Eier das Gewohnte, für die Kinder aber „etwas Neues, das kulinarisch an sie weitergegeben wird“.

Allerdings bemängelt Kofahl die in vielen Teilen Deutschlands überwiegend protestantisch geprägte und entsprechend einfallslose Kulinarkultur an Ostern. Das gelte auch für „Nordhessisch-Sibirien“, wie er die Gegend nennt, in der er lebt. „Da blickt man freilich etwas sehnsüchtig und schmachtend nach Südost, nach Österreich, wo die Wiener Küche Osterpinze, Rindssuppe mit falschen Morcheln oder auch schon mal einen gefüllten Nierenbraten für die Osterfeiertage auftischt. Die dortigen Katholischen wissen halt, wie man eine Jenseitsoffenbarung im Diesseits feierlich vermarktet.“

Einen „lange überlieferten Tipp“ hat er allgemein für Familienfeiern und Traditionsfeste, die ja durchaus auch etwas stressig sein können. Diese, so der Soziologe „lassen sich umso besser herumbringen, wenn die alten Brauereipferde einen guten Genusstropfen zur Hand haben. Und das Christentum hat ja zum Glück kein Problem mit Alkoholika“.

In diesem Sinne wünsche ich allen Lesern möglichst entspannende und genussreiche Ostertage, egal, wie man sie gestaltet.

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