Rekordernte auf dem Balkon - Sugo kochen gegen „Tomaten-Overkill“

Unser Genusskolumnist hatte im August ein Luxusproblem. Seine Balkon-Tomate brachte viel mehr Ertrag, als durch frischen Verzehr zu bewältigen war. Also beschäftigte er sich mit Möglichkeiten der Haltbarmachung. Und stieß auf ein altes italienisches Rezept.

Der schnelle Genuss für Tomatenliebhaber: Sugo / picture alliance
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Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Ich esse liebend gerne frische Tomaten, vor allem als Salat in verschiedenen Variationen, z.B. mit Schafskäse und frischem Basilikum, angemacht mit etwas Olivenöl und Balsamico. Und eigentlich erschien es mir unvorstellbar, dass ich so etwas wie einen Tomaten-Overkill erleben könnte. Doch genau das bahnte sich im August an, und ich musste die Reißleine ziehen.

Der Reihe nach. Den Tomatenanbau in meinem außerhalb von Berlin gelegenen Garten habe ich in dieser Saison eingestellt. Ein paar Jahre lief das ganz gut, aber zu deprimierend waren die desaströsen Ergebnisse in den vergangenen Jahren, denn extreme Hitzephasen nebst gelegentlichen Starkregenfällen machte den ungeschützten Freilandanbau in der märkischen Streusandbüchse ohne Schutzkonstruktionen und tägliches Gießen faktisch unmöglich.  

Vom Setzling zur Monsterpflanze   

Aber ich habe ja in Berlin eine schöne Loggia, auf der ich ab und zu auch schon Tomaten im Topf oder Kübel gezogen hatte. Mit überschaubaren Erträgen. Diesmal entschied ich mich für einen Setzling der Sorte „Harzfeuer F1“, der mir empfohlen worden war. Im Laufe ihres Wachstums entwickelte sich die Pflanze nahezu monstermäßig, obwohl ich keinerlei synthetischen Dünger verwendet habe, sondern nur ein paar Hornspäne und Kaffeesatz. Brachial brach sie sich aus ihrem Kübel heraus ihren Weg durch ein benachbartes Olivenbäumchen und über die Balkonbrüstung hinaus. Irgendwann gab ich es auf, das in irgendwie geordnete Bahnen zu lenken, nur den Kübel mit der ebenfalls extremwüchsigen Gurkenpflanze musste ich vor der Harzfeuer-Expansion in Sicherheit bringen.

Die Fruchtansätze an den zahlreichen Rispen ließen bald einen recht hohen Ertrag erwarten, doch dass es letztendlich über 80 reife, gesunde, schnittfeste und ausgesprochen wohlschmeckende Tomaten sein sollten, überstieg anfangs noch meine Vorstellungskraft. Ab Ende Juli tröpfelte das zunächst nur und reichte für einen Salat oder ein paar Tomatenbrote pro Woche.

Doch Mitte August begann eine regelrechte Reifeexplosion, und die Menge der täglich geernteten Tomaten überstieg das Limit für genussvollen Tomatenkonsum erheblich. Denn natürlich wollte ich vermeiden, dass mir Tomaten irgendwann aus den Ohren rauskommen. Und so wuchs täglich der Berg der unverbrauchten Tomaten.

Was tun mit den Tomaten?

Die kann man im Prinzip auch ein Weilchen lagern, doch dafür fehlen mir im Hochsommer – der in diesem Jahr ziemlich heftig ausfiel – schlicht die Voraussetzungen. Im Kühlschrank ist zu kalt, es droht Aromaverlust. Und in der Wohnung gab es keinen Ort, der die empfohlene Lagertemperatur von +/- 15 Grad nicht deutlich übersteigt.  Und somit stellte sich zunehmend drängender die Frage der Verarbeitung und Haltbarmachung.

Das ist bei Tomaten ein ziemlich weites Feld. Nach dem Studium zahlreicher, vor allem italienischer Rezepte schwirrte mir ziemlich der Kopf: Passata, Sugo, Pelati, Polpa, geschält oder nicht, gehackt, püriert oder im Ganzen – ja was denn nun? Ich habe mich dann für eine Art Sugo entschieden. Und um einen besonders würzigen Tomatengeschmack zu erhalten, werden die Tomaten bei mir weder gehäutet noch entkernt.

 

Zuletzt in „Genuss ist Notwehr“ erschienen:

 

Jetzt geht’s los. Gemüsezwiebel und Knoblauch klein schneiden und in Olivenöl bei schwacher Hitze in einem Schmortopf langsam andünsten. Dann die geviertelten Tomaten (bei großen Früchten geachtelt) dazugeben. Anschließend Tomatenmark und Gewürze und ein wenig Mus oder Saft aus pürierten Tomaten dazugeben. Achtung: Kein Ketchup! Das verfremdet den Geschmack und ist von der Geschmackspolizei VERBOTEN. Etwas Salz, Pfeffer und Oregano (am besten frisch) und ein paar Spritzer Zitrone dazu, und dann mindestens eine Stunde (gerne auch zwei) schwach köcheln lassen. Ob man zwischendurch etwas Flüssigkeit, z.B. Weißwein, nachgießen muss, hängt von der Saftigkeit der Tomaten ab.

Ist das überhaupt ein Sugo?

Erst zum Schluss noch ein paar Blätter grob gezupftes Basilikum dazu, die sollen keinesfalls mitkochen. Und gerne noch einen Schuss Olivenöl. Jetzt kann man den Sugo in heiß ausgekochte Einweckgläser füllen und ziemlich lang aufbewahren. Wer ganz sicher gehen will, kann die gefüllten Gläser auch noch im Wasserbad einkochen.

Ob das nun wirklich ein Sugo ist, das ja laut vielen Rezepten eher sämig sein soll? Keine Ahnung, und eigentlich auch ziemlich egal. Jedenfalls schmeckt es hervorragend und konserviert nicht nur meine frischen Tomaten, sondern auch die Erinnerung an die Monsterpflanze auf meinem Balkon. Und im nächsten Mai werde ich mir mit Sicherheit wieder einen „Harzfeuer F1“- Setzling besorgen.

 

Tomaten-Sugo

Zutaten für ein Kilo Tomaten

1 kleine Gemüsezwiebel
3 Knoblauchzehen
50 bis 100 ml Olivenöl
etwas Tomatenmus oder -saft
etwas Zitronensaft
Salz, Pfeffer, Oregano, Basilikum (unbedingt frisch)

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