Ein Salat aus roten und orangefarbenen Tomaten, Zwiebeln, Basilikum und einer Vinaigrette
Ein Salat aus roten und orangefarbenen Tomaten, Zwiebeln, Basilikum und einer Vinaigrette / dpa

Genuss mal anders - Und schon haben wir den Salat

In den vergangenen Tagen hat unser Genusskolumnist seine ersten Salattomaten des Jahres geerntet. Und sich prompt einen Tomatensalat gemacht. Den fand er großartig, wohl wissend, dass es auch ganz schrecklich geht.

Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Wer einen Garten hat oder Gemüsepflanzen auf der Terrasse oder dem Balkon kultiviert, kennt das: Allmählich werden jetzt die Tomaten reif, und die ersten Früchte aus eigenem Anbau konnten bereits verzehrt werden. Wer einen entsprechenden Sortenmix angebaut hat, kann sich bis Ende September auf frische, reife Tomaten freuen, wie sie besser gar nicht schmecken können. Dann wird es in unseren Breitengraden zu kühl für die weitere Reifung am Strauch, aber man kann die grünen Tomaten abnehmen und nachreifen lassen, etwa in einer Papiertüte oder in einem Tongefäß.

Oft wässrig und geschmacksarm

Natürlich ist der saisonale Freilandanbau ohne wärmespeichernde und vor Wetterunbilden schützende Gewächshäuser oder Folientunnel eine eher romantische Variante des Tomatenanbaus. Die meisten gängigen Sorten sind dafür ungeeignet, da sie empfindlich auf Nässe und Kälte reagieren. Den Markt beherrschen durch Kreuzungen „optimierte“ Sorten, die sich durch Schädlingsresistenz, „perfekte“ Konsistenz, Form und Farbe auszeichnen – aber nicht selten eine eher langweilige Aromatik aufweisen. Es gibt jedoch zweifellos Fortschritte: Aus den riesigen Gewächshäusern etwa in Holland kommen nicht mehr nur stickstoffgemästete Wasserspeicher ohne nennenswerten Geschmack.

Längst haben wir uns daran gewöhnt, dass es immer frische Tomaten gibt. Nicht nur durch die industrielle Produktion in Holland und Belgien, sondern auch durch Importe aus Südspanien, Gran Canaria und Nordafrika. Der Selbstversorgungsgrad bei Tomaten liegt in Deutschland bei lediglich vier Prozent. Geschmacklich wirklich spannende Tomaten zu finden, ist allerdings gar nicht so einfach. Auch das Bio-Siegel hilft da kaum weiter, denn gerade bei Tomaten ist es kein Garant für eine intensivere Aromatik.

Appell ans Konsumentenbewusstsein

Nachdem sich der Ernährungssoziologe Daniel Kofahl für seinen Fauxpas („leichte Rotweinschorle zu geschmorten Hühnerherzen“) in aller Form entschuldigt hat, haben wir ihn begnadigt und freuen uns daher auf seine Expertise zur Tomatenfrage. Auch Kofahl hält nichts von nostalgischen Verklärungen der „guten, alten Landwirtschaft“. Gegen die ganzjährige Verfügbarkeit von Tomaten sei angesichts relativ kurzer Transportwege bei den meisten Importen nichts einzuwenden. „Auch die Gewächshaustechnologie macht Fortschritte, dank LED-Lampen können auch in Deutschland erste Tomaten jenseits des Sommers reifen und die Agrarwirtschaft ist immer schon ein innovativer Bereich gewesen“, sagt Kofahl.

Auch das Geschmacksproblem könnte gelöst werden: „Tomaten bedürfen, wie alle Gemüse- und Obstsorten sonst auch, Hingabe in der Züchtung, Aufzucht und der Reife. Das ist dann letztlich auch ein Ressourcen- und Kostenfaktor.“ Und eine Frage des Konsumentenbewusstseins. Konsumenten sollten halt „nicht nur auf die Farbe gucken, so schön lustvoll kräftiges Rot auch zu sein scheint. Wenn der Inhalt also der Geschmack nicht stimmt, dann ist es wie beim SPD wählen: Man sucht sich was in lecker rot Verhülltes aus und bekommt leider doch nur einen geschmacklosen CDU-Fanclub serviert.“

Sensorische Geisterfahrten

Richtig gruselig wird es aber auch bei der üblichen Darreichung von frischen Tomaten, also dem Tomatensalat. In der Gastronomie erlebt man regelmäßig sensorische Geisterfahrten des Grauens, wenn die Geschmacklosigkeit des Grundprodukts mit allerlei Beigaben übertüncht werden soll (Mozzarella, Thunfisch, Schafskäse, Oliven und so weiter) oder die Stückchen ein Essig-Öl-Vollbad bekommen. Und auch Kofahl wünscht sich, „im Bordbistro der Bahn endlich einen guten Tomatensalat verzehren zu können, und nicht so eine rotlackierte Wasser-Glibber-Haut-Kombination mit Zwiebelchen garniert“.

Wenig Zutaten, lange ziehen lassen

Also machen wir an dieser Stelle mal einen anständigen Tomatensalat unter dem Motto „weniger ist mehr“. Denn dazu brauchen wir „nur“ richtig gute Salattomaten mit einem ausgewogenen, intensiven Süße-Säure-Spiel, Basilikum (frisch), Olivenöl, Balsamico, Salz und Pfeffer. Sonst nix! Tomaten waschen, Stielansätze entfernen und vierteln. Nicht klein schneiden, dann tritt zu viel Fruchtwasser aus. Basilikum in Streifen schneiden. Die anderen Zutaten in einer Schüssel verrühren. Tomaten und Basilikum unterheben und mit Salz und Pfeffer abschmecken. Sie dürfen auf keinen Fall in dem Sud schwimmen.

Und jetzt das Wichtigste: Niemals frisch zubereitet servieren, sondern mindestens drei Stunden ziehen lassen, gerne auch länger. Und schon haben wir den Salat. So, wie er wohl auch dem Ernährungssoziologen Kofahl schmecken würde. Hoffentlich trinkt er keine „leichte Rotweinschorle“ dazu.

 

Zutaten für 4 Personen

800 g Tomaten

1 Handvoll Basilikum (frisch)

4 EL Olivenöl (unbedingt sehr gute Qualität)

1 ½ EL flüssiger (nicht cremiger) Balsamico

Salz und Pfeffer

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Rob Schuberth | Sa., 14. August 2021 - 12:58

Also seit wann stellt denn ein Tomatensalat etwas "besonderes" dar?

Der ist doch so etwas von gewöhnlich.

Diese Rubrik des Cicero ist m. E. recht flüssig. Überflüssig würde ich sagen.

Christa Nussbaumer | Sa., 14. August 2021 - 14:31

Antwort auf von Rob Schuberth

was haben Sie denn gegen Genussmenschen? Für mich ist das eine äußerst sympathische Spezies Mensch! Zudem hat dieser Teil des Forums einen weiteren unschätzbaren Vorteil: es ist eine frühlingsbefreite Zone!!
Einen verspäteten Dank an Herrn Balcerowiak für den Tipp mit dem Flutwein. Mein Paket ist heute angekommen; der Anblick der Flaschen tut schon sehr weh.
Ein schönes Wochenende!!

...werte Frau Nussbaumer.
Ich habe doch gar nichts gegen Genussmenschen, bin ich doch selbst einer dieser Art.

Nur im Cicero, für mich primär ein Politik-Magazin, da finde ich diese Rubrik eher unpassend. Dem galt m. Kritik. Nicht den Genussmenschen.
Diesen Gedanken haben Sie vermutl. empfunden, nur habe ich ihn nicht geäußert.

Übrigens auch wir haben uns an der Aktion "Kauft Ahrweine" schon beteiligt.
Unsere Flaschen sind aber noch unterwegs.
Ihnen wünsche ich gutes Genießen dieser besonderen Weine.
Zum Glück kommt es da ja nur auf den Inhalt u. nicht die Verpackung (Flasche) an.

Ingofrank | Sa., 14. August 2021 - 22:35

Antwort auf von Rob Schuberth

Sicher ist Tomatensalat ein einfaches Rezept. Aber sehr geehrter H. Schuberth, wer außer den alten weißen Frauen und Männern beherrscht überhaupt noch das zubereiten einer vollwertigen Mahlzeit? Selbst gekocht mit frischen Zutaten? Geschweige noch Vorsuppe, Hauptgang,Dessert ohne halbfertige Produkte aus dem Supermarkt? Das ist das Problem. Haben Sie schon mal Herrn Sebastian Lege gesehen? Da läuft der Hase (unsere Essgewohnheiten) hin, und ich bin dankbar für jeden Tipp unseres Genusskomnulisten und möchte diese Kolumne nicht missen.
Einiges z.B. Brathering u.a. habe ich nachgekocht und bin mehr als Begeistert!

Mit freundlichen Grüßen aus der Erfurter Republik

Ingofrank | Sa., 14. August 2021 - 13:29

jedoch ohne italienisches Flair, d.h. ohne Basilikum.
Jedoch verwende ich seid ich denken kann nur eine Sorte Tomaten auf die ich absolut schwöre. Eine alte DDR - Sorte: „Harzfeuer“ die nichts mit Gemüse oder gar Fleischtomaten zu tun haben. Die Früchte sind rund i.etwa so groß wie Hühnereier. Desweiteren relativ resistent gegen Mehltau und Braunfeule.Geschmacklich super.
Und die reichliche Ernte erfolgt ab 1. Dekade August. Haben heute die erste „Ladung“ aus 20 Pflanzen verarbeitet. (Passierte Tomaten)

Mit freundlichen Grüßen aus der Erfurter Republik

Für alle Balkonbesitzer: 1 Sack Blumenerde 70 Ltr mit Messer 2 x kreuzweise einschneiden, 2 Pflanzen einsetzen 2 Tomatenstäbe einstecken und am Geländer befestigen. Mäßig gießen, schön ausgeizen und dann essen.