Fastenmotto der EKD - Lasst uns unseren Pessimismus, Ihr Moralapostel!

Fasten bedeutet, auf Annehmlichkeiten zu verzichten. Dass für die Evangelische Kirche in Deutschland darunter auch Pessimismus fällt, ist natürlich völliger Unfug. Hinter dem Lebensberatungsgefasel und Coachinggeschwätz offenbart sich geistige Leere.

Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der EKD: Neues Fastenmotto intellektueller Tiefpunkt / dpa
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Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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Wann immer man meint, nun aber habe die Evangelische Kirche in Deutschland intellektuell den absoluten Tiefpunkt erreicht, da mehr süßliche Sprechblasen, aufdringliches Moralin und zeitgeistiges Geschwurbel kaum möglich sind, wird man umgehend eines Besseren belehrt. So auch in diesen Tagen.

Denn schließlich steht die Fastenzeit vor der Tür. Mit dem Fasten jedoch hat es der Protestantismus traditionell nicht so. Aus gutem Grund übrigens, hat die ganze Fasterei aus lutherischer Sicht doch den faden Beigeschmack von Selbsterhöhung und Werkgerechtigkeit.

Geschmeidige Opportunisten

Dumm nur, dass das Fasten in den letzten Jahren zum Lifestyle-Element der Selbstoptimierungsgesellschaft avanciert ist. Was Luthers Einwände übrigens als äußerst hellsichtig erweist. Statt jedoch solche Moden theologisch zu entlarven, kam man bei den geschmeidigen Opportunisten der EKD auf den hübschen Gedanken, die Idee des Fastens zu Wochen beliebigen Verzichts umzudeuten: So entstanden unfreiwillig komische Fastenmotti wie „Sieben Wochen ohne Geiz“, „Sieben Wochen ohne Ausreden, „… ohne Vorsicht“, „… ohne Lügen“.

Nun gut, könnte man sagen. Mit Fasten hat das natürlich nichts zu tun. Und der infantile Jargon, der inzwischen zum Markenkern der EKD geworden ist, nervt ohnehin. Wem’s jedoch gefällt – bitte sehr. Dieses Jahr jedoch haben sich die Vertreter des institutionalisierten Protestantismus etwas besonders Groteskes einfallen lassen. „Zuversicht. Sieben Wochen ohne Pessimismus“ lautet das diesjährige – ziemlich dämliche – Motto. Schon sprachlogisch ist die Idee Unfug. Schließlich meint Fasten, auf Annehmlichkeiten zu verzichten. Und dazu gehört Pessimismus eher nicht. Vor allem aber offenbart sich hier eine religionsgeschichtliche und theologische Einfalt, die fassungslos macht. Die evangelische Kirche ist offensichtlich in einem Stadium angekommen, wo ihr alles egal ist: Überlieferung, Glaubensinhalte, Traditionen, Hauptsache, man scharwenzelt sich irgendwie an den Zeitgeist heran.

Lebensberatungsgefasel

Anders ist es nicht zu erklären, wie leichtfertig man in der EKD mit der Idee des Fastens umgeht. Denn Fasten bedeutet Entsagung, Askese, Weltüberwindung. Im Fasten befreit sich der Gläubige von weltlichen Bedürfnissen, um innerlich frei für Gott zu sein. In der Fastenzeit soll nichts ablenken von dem Höchsten. Man kann diesen Ansatz aus theologischen Gründen problematisch finden. Aber das ist der EKD vermutlich zu kompliziert. Lieber verfälscht man die Fastenwochen plump in ihr Gegenteil. Aus Weltentsagung wird ein vulgäres Sich-Ranschmeißen ans Alltägliche. Aus Askese Götzendienst am Banalen. Aus dem Verzicht wird der Gewinn. So verbiegt die EKD kritische Weltdistanz in geistloses Lebensberatungsgefasel: Sei zuversichtlich, gib nicht auf, mach weiter, lerne aus Niederlagen. Stimmt ja alles irgendwie. Aber hatte das Christentum nicht etwas mehr zu sagen als das übliche Coachinggeschwätz?

In dem Bemühen, die eigene Religion in ein Wellness-und-Wohlfühl-Programm umzudeuten, hat man bei der EKD übersehen, dass das Christentum zunächst einmal zutiefst pessimistisch ist. Denn Erlösung kann es nach christlichem Verständnis in dieser Welt nicht geben. Die ist nämlich zutiefst verworfen. Hoffnung gibt es nur mit Blick auf die Apokalypse, das Weltende, da hier der Gottessohn erscheinen wird. Zuversicht kennt das Christentum nur in der Überwindung der Welt. Das aber ist allenfalls eine metaphysische Zuversicht, keine weltliche.

Offenbarungseid einer Staatskirche

Es war Eusebius von Caesarea, Biograf und Chefideologe Kaiser Konstantins, der dem zur Staatsreligion erhobenen Christentum die Idee des weltlichen Fortschritts einimpfte. Denn das Kaisertum war nunmehr der verlängerter Arm Gottes auf Erden, und in diesem Imperium von Gottes Gnaden musste alles immer besser, sicherer und wohlhabender werden. Der Staat verschmolz mit der Heilsgeschichte.

Insofern ist die Zuversichts-Kampagne der EKD vor allem der Offenbarungseid einer Staatskirche. Denn nur Staatskirchen wollen ihre Gläubigen zum Optimismus erziehen. Schließlich sind zuversichtliche Gläubige auch gute Bürger, die ihrer politischen Führung vertrauen. Staatsferne Kirchen können sich Skepsis und Weltabgewandtheit erlauben. Staatskirchen wie die EKD sind jedoch zu ideologischer Zuversicht verpflichtet. Bezeichnend heißt es in dem einleitenden Text zum diesjährigen Fastenkalender: „Wir kriegen das schon hin.“ Erinnert sehr an allseits bekannte Worte.
 

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