Evangelische Kirche und Letzte Generation - Der Klimagott lädt ein – und nur Wenige kommen

Was ist nur mit der evangelischen Kirche los, wenn sie statt zum Abendmahl zu Klimagottesdiensten mit der Letzten Generation einlädt? Die Kirche, wie wir sie kannten, wird es wohl in absehbarer Zeit nicht mehr geben.

Mitglieder der Letzten Generation versammeln sich in einer Kirche in Berlin /dpa
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Autoreninfo

Sibylle Knauss ist Schriftstellerin und war 1992 bis 2012 Professorin an der Filmakademie Baden-Württemberg. Zuletzt erschien 2022 Der Glaube, die Kirche und ich.

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Am vergangenen Sonntag beschloss ich spontan, den evangelischen Gottesdienst in der Stadtkirche in Ludwigsburg zu besuchen. Ich bleibe dabei, dass das keiner Begründung bedarf, allein der Lust auf Orgel, Gebet und Choräle, das kirchliche Fluidum, das auf unbestimmte Weise aus Architektur, Musik und einer Sprache besteht, die Wörter kennt wie „Gnade“, „Barmherzigkeit“, „Segen“ …

Ich hatte mich nicht einmal informiert, wer die Predigt hält. Normalerweise tue ich das, um nicht an eine der Pfarrerinnen zu geraten, die Yogaübungen vor dem Altar vollführen und von mir wollen, dass ich mitmache, eine Aufforderung, der die meisten Gottesdienstbesucher*innen zu meiner Überraschung gern nachkommen. Ich stehe dann in der Kirchenbank so herum. Habe nichts gegen Yoga, bin aber nicht deswegen hier. Das Gendern übrigens scheint Standard zu sein im evangelisch kirchlichen Milieu. Ich kann’s ertragen, wundere mich jedoch, wie umstandslos die Pfarrer*innenschaft wieder zurückgefunden hat zu einer bevormundenden, moralisch maßregelnden Sprache, von der sie sich doch kürzlich noch klar distanzierte. Sünde, Buße und Strafe, kurz: Moral, ist in der Kirche wieder modern. Seit sie in Politik und Gesellschaft modern ist. Die Kirche lässt sich das nicht entgehen. Bei allem Eifer, dem Zeitgeist zu dienen, ist das schließlich ihre uralte eigene Domäne.

Am Eingang erfuhr ich überrascht, dass der angekündigte Abendmahlgottesdienst abgesagt sei und stattdessen ein Klimagottesdienst stattfinde. Man bat in dem betreffenden Aushang um Verständnis dafür.

Ich frage mich, welcher Art das Verständnis ist, das ich dafür aufbringen sollte. Klima statt Abendmahl? Was heißt das? Welche Überlegungen stehen dahinter? Was wird hier priorisiert? Politische Zielsetzung gegenüber dem christlichen Versöhnungsmahl? Ein Gottesdienst hat mit Gott zu tun. Und ein Klimagottesdienst? Etwa mit dem „Klimagott“? Nein, liebe Klimagemeinde. Das ist keineswegs theologisch spitzfindig. Darauf solltet ihr eine Antwort haben. Ich kenne euren Gott nicht. Auch die Bibel kennt ihn nicht. Doch da habt ihr ja bereits reagiert und auf dem Kirchentag in Nürnberg die „Klimabibel“ geschaffen. Da durfte jeder klimagläubige Mensch, der zufällig vorbeistolperte, etwas hineinschreiben, und man kann das jetzt im Netz lesen. Muss man aber wirklich nicht. Außer wenn man den intellektuellen, kulturellen und spirituellen Niedergang des christlichen Glaubens ermessen will.

 

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An diesem Sonntag in Ludwigsburg hatte ich so ein Gefühl: Du musst dir das jetzt einmal antun. Nicht gerade, was einen sonst in die Kirche treibt. Und ich wünschte, ich hätte es mir erspart. Es waren übrigens kaum mehr als 30 Personen, eher weniger, in dem großen Kirchenraum anwesend.

Was ich erlebte: militante Aktivisten, behängt mit den Erkennungsfarben ihrer Gruppierungen, orangefarbenen Westen die einen, den üblichen Regenbogen-Umhängen die anderen, am Altar ihre Botschaften verkündigend … Hat man in der Kirche vergessen, dass keine politischen Fahnen dort hingehören? Erinnert man sich nicht mehr daran, wohin das führt? Will die Kirche kein Ort des Friedens mehr sein, kein Ort der Begegnung mit Gott? Niemals wirkte das Kreuz mit dem Gekreuzigten über dem Altar verlorener und – ja – deplatzierter. Von ihm war bis zum Ende mit keinem Wort die Rede.

Die Kirche lässt Christen allein

Wer solche „Gottesdienste“ inszeniert, beteiligt sich aktiv daran, den Niedergang der evangelischen Kirche zu beschleunigen, die Anzahl der Kirchenaustritte zu steigern, bis bald ein Zustand erreicht sein wird, in dem die Kirche „wie wir sie kannten“ nicht mehr existiert. Was schlimmer ist: Menschen in ihrem Bedürfnis nach geistlichem Beistand und Trost und Sinngebung werden von denen, die dazu berufen sind, ja von ihnen bezahlt werden, allein gelassen und in verwirrenden und angstmachenden gesellschaftlichen Zuständen, wie wir sie erleben, der Hilfe und Orientierung beraubt. Wer in der Kirche nach Antwort sucht auf die existentiellen Fragen des eigenen Lebens, erfährt, wie ich am vergangenen Sonntag, die üblichen Phrasen zum Klimawandel, die man schon aus den Medien kennt. Er trifft auf unreife, fanatisierte junge Menschen mit beschränktem Horizont statt geistig reife Persönlichkeiten, die aus dem Reichtum der biblischen Überlieferung schöpfen.

Das ist ein Skandal! Und wie wir alle wissen, ist dieser Skandal öffentlich und nur allzu bekannt. Ludwigsburg ist kein Einzelfall. Wer danach sucht, findet zahlreiche ähnliche Beispiele, vor allem in Berlin und den größeren Städten.

Vielleicht spürt man es jetzt noch nicht. Aber die Trauer um den Tod der Kirche wird ungeahnt tief und furchtbar sein. Weiß Gott, was an ihre Stelle treten wird. Ich mag nicht daran denken. Wehe denen, die mitschuldig daran sein werden.

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