Downton Abbey II: Eine neue Ära - Der Trost, der nicht mehr tröstet

Seit letzter Woche läuft die zweite Kinoadaption der Erfolgsserie „Downton Abbey“ in den deutschen Kinos. Sie lässt einen in doppelter Melancholie versinken: Die Bilder sind nach wie vor wunderschön und erzählen von einer Zeit, in der zwar auch nicht alles in Ordnung war, man aber zumindest gute Anzüge trug. Vor allem aber sehnt man sich nun nach jenen Jahren zurück, als man diese Bilder noch genießen konnte. Doch selbst das ist vorbei.

Man kann getrost über ihn hinweggehen: der neue „Downton Abbey“-Film / dpa
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Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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In Zeiten des Unheils ist die Sehnsucht nach heiler Welt naturgemäß besonders groß. Doch auch die heilen Welten der Imagination müssen irgendwie zu dem Unheil passen, von dem sie ablenken sollen. Ist das nicht der Fall, wirken sie anachronistisch und unpassend.

So ergeht es der zweiten Kinofassung der britischen Fernsehserie „Downton Abbey“. Als das von Julian Fellowes entwickelte Format 2011 auch über deutsche Fernsehbildschirme flimmerte, war die Begeisterung nahezu einhellig. Vielen galt „Downton“ als die beste Fernsehserie aller Zeiten. Und das nicht zu Unrecht. Verglichen mit anderen Erfolgsserien amerikanischer Provenienz wie „Wired“, „Breaking Bad“ oder „House of Cards“, die für ihre postmoderne Narration gelobt wurden, kam die britische Produktion zwar überaus klassisch daher. Allerdings überzeugte das Format mit überragenden Production Values: Ausstattung, Kamera, Schnittführung, Szenengestaltung, Dialoge – das alles war von einer solchen Qualität, dass man Tränen in den Augen bekommen konnte, ohne den Plot auch nur zu kennen.

Familiengeschichte vor historischem Hintergrund

Aber auch das Drehbuch selbst war von erstaunlicher stilistischer Sicherheit. Das Erzähltempo wurde im Vergleich zu anderen Produktionen etwas zurückgenommen, dafür ließ man sich Zeit für zahlreiche, parallel verlaufende und ineinander verschlungene Erzählstränge, für eine üppige Personnage und weit gespannte Spannungsbögen. Die Musik von John Lunn tat ein Übriges, um den Zuschauer in einen gewaltigen Strudel aus Bildern, Porträts, Atmosphären und Tragödien versinken zu lassen. Dass die Häufung der Schicksalsschläge und Fährnisse teilweise eine selbst für Fernsehserien erstaunliche Verdichtung aufwies, verzieh man dabei gerne. Und auch das Spiel mit Klischees tat der Geschichte rund um die Familie Crawley und ihr Personal keinen wirklichen Abbruch – eher im Gegenteil.

Geradezu legendär ist die Eröffnungsszene der ersten Folge der ersten Staffel: Zunächst sieht man nur die Hand eines Telegraphisten, der eine Nachricht mit der Morsetaste tippt. Dann ertönt der Pfiff einer Dampflok. Ein Zug fährt durch Yorkshire. In einem Abteil sitzt John Bates, zukünftiger Kammerdiener des Earl of Grantham, der seiner Arbeitsstelle entgegendampft. Sein Blick fällt dabei auf die Telegraphenmaste, durch die in dieser Sekunde jene unheilvolle Nachricht jagt, die der Telegraphist in die Taste gehauen hat: die Nachricht vom Untergang der Titanic. Wir schreiben den Morgen des 15. April 1912.

Ausgehend von dieser wunderbaren Szene entfaltet sich das Panorama einer Familiengeschichte, deren fiktive Tragödien und Glücksmomente eng verflochten sind mit den historischen Ereignissen und den politischen und gesellschaftlichen Umbrüchen der 1910er- und 1920er-Jahre. Die erste Staffel endet mit der Nachricht vom Kriegseintritt Großbritanniens in den Ersten Weltkrieg.

Die Melancholie, die noch vor zehn Jahren tröstlich war, schmerzt nur noch

Mit erstaunlicher Konstanz gelang es den Machern der Serie, die einmalige Atmosphäre von „Downton“ aufrechtzuerhalten, ohne ins Langweilige oder gar Lächerliche zu kippen. Sogar den Tod von Matthew Crawley, Erbe von Downton, in der Weihnachtsfolge der dritten Staffel verkraftete die Serie zunächst gut. Spätestens ab der fünften Staffel konnte man sich jedoch nicht immer des Eindrucks erwehren, der Serie gehe ihre Spannkraft verloren, und mit der abschließenden sechsten Staffel schien die Geschichte um die Familie Crawley auserzählt. Daran konnte auch der Kinofilm im Jahr 2019 nichts ändern, der zwar nette Anekdoten aus Downton erzählte, die Geschichte und die Charaktere aber nicht wirklich weiterentwickelte.

An diesem Problem leidet auch „Downton Abbey II“. Natürlich ist wieder alles wunderschön fotografiert, die Kostümbildner haben sich einmal mehr übertroffen, kurz: Der Schauwert ist erheblich. Da dies aber vermutlich selbst den Autoren von „Downton“ zu wenig erschien, ist man auf die Lösung verfallen, auf die Medienmacher immer kommen, wenn ihnen gar nichts mehr einfällt: Man wird selbstreferentiell. Also wird im Film ein Film gedreht, was Gelegenheit gibt, das Filmemachen zu analysieren, den Medienwandel und die Rolle der Schauspieler.

Das alles ist großartig anzusehen, und die Geschichte hält eine ganze Reihe netter Pointen parat, aber letztlich wirkt der Film wie ein Ort, an dem man früher einmal glücklich war und an dem man nun, aus einer tristen Gegenwart, zurückkehrt. Die Melancholie, die noch vor zehn Jahren tröstlich war, schmerzt nur noch, da sie an Zeiten erinnert, als Melancholie noch Linderung versprach. Doch was einst tröstete, tröstet nun nicht mehr.

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