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() Jane Fonda in "Cat Ballou - hängen sollst du in Wyoming"
Die Verräterin Amerikas

Jane Fondas Autobiografie ist in Amerika ein Sensationserfolg: Ausgerechnet ihre wechselvolle Chronik exemplarischer Politisierungsphasen und weiblicher Identitätssuche fasziniert Millionen von Leserinnen – und beschert der Autorin den Hass der Männer.

"Hanoi-Jane“, nennen manche sie immer noch. Seit Jane Fonda, bis dahin Hollywood-Barbarella vom Dienst, sich 1972 als 34-Jährige bei einem ihrer Nord-Vietnam-Besuche lachend und mit erhobener Faust auf einer Kanone sitzend ablichten ließ, spaltet sie die Nation: Eine „Verräterin“ war geboren. „Unterschätze nie, was stumm unter der Oberfläche einer gegen den Strich gebürsteten Blondine mit falschen Wimpern brachliegt“, heißt es angriffslustig in ‚My Life So Far‘, der ebenso voluminösen wie brisanten Autobiografie, in der Jane Fonda nun auf 599 Seiten ihr Leben erzählt. Und damit völlig überraschend Platz eins der amerikanischen Bestsellerlisten eroberte. Es ist die Lebensbilanz einer der berühmtesten und am kontroversesten diskutierten Ikonen Amerikas, die nicht nur einen Oscar hat, sondern auch eine eigene FBI-Akte. Und es ist das packende Zeitpanorama einer Politisierungs-Biografie, wie sie viele Frauen in Jane Fondas Generation erlebten: Von der Hippie-Ära über die Anti-Vietnam-Demos bis hin zur Frauenbewegung. Dieses Identifikationspotenzial, nicht der vordergründige Glamour der Celebrity-Szenerie bescherte ihr ein Heer von begeisterten Leserinnen. Jane Fonda steht für ein anderes Frauenbild, als das von Bushs Amerika. Sie verabscheut das harmlose Barbie-Gehabe, das selbst scheinbar aufmüpfige Serien wie „Desperate Housewives“ dominiert. Stattdessen steht sie zu ihrer Meinungsfreudigkeit – und formuliert beispielsweise ein klares Plädoyer für den Pazifismus. Kein Wunder, dass so viel Mut und Energie provoziert: Bei einer Signierstunde vergangenen Monat in Kansas City wurde Jane Fonda von einem empörten Vietnam-Veteranen angespuckt. Sie ignorierte es stählern und stilvoll, mit einem knappen Lächeln und ihrem bekannten Durchhaltevermögen. Jane Fonda kennt das Risiko öffentlicher Auftritte, dennoch ist ihr wichtig, dass gerade auch Vietnam-Veteranen ihre Lesungen besuchen – neben all jenen, die sich einfach nur die elegante und geschickt geliftete Frau einmal aus allernächster Nähe angucken wollen. Nach wie vor haben viele Amerikaner der Tochter eines ihrer unvergessenen Filmheroen, des kalten und konservativen Henry Fonda, nicht vergeben, dass sie so vehement gegen den Vietnam-Krieg war. Das klassische Vater-Tochter-Drama, die Sünde der ungehorsamen Tochter, hängt an ihr wie ein Fluch. Denn sie führte nicht nur einst ein Hippieleben in Eu-ropa, sondern hatte auch das Tabu jeder guten Patriotin gebrochen, das glorreiche Amerika niemals öffentlich zu kritisieren. „Mir wurde klar, dass es nicht nur eine amerikanische Staatsbürgerin war, die auf einer Kanone saß und lustig in die Hände klatschte. Ich war Henry Fondas privilegierte Tochter, die scheinbar über das Land die Nase rümpfte, das ihr diese Privilegien ermöglichte. Nein, viel schlimmer war, dass ich eine Frau war, und das machte es noch zu einem größeren Verrat“, schreibt sie. Ihre größte Enttäuschung war es, dass ihr Vater, der als Kunstfigur in vielen seiner Filme für soziale Gerechtigkeit kämpfte, sehr wenig Sinn für ihre Aktionen auf dem Gebiet der typischen 68er-Tradition hatte. Wie so viele Väter seiner Generation – die deutschen eingeschlossen – lehnte er seine Tochter als störende Rebellin und dreiste Emanze ab. Noch heute sind die Jane-Fonda-Hasser fast ausschließlich Männer. Eine späte Ironie, denn Jane „Barbarella“ war in den sechziger Jahren Amerikas supersexy Exportartikel und nationaler Stolz, der keimfrei kichernde eiserne Jungfrauen wie Doris Day ablöste. Ganz gleich aber, ob Jane Fonda wirklich eine wichtige Rolle in der amerikanischen Geschichte spielt, oder ob die Geschichte nur mit ihr gespielt hat: Ihre Transformationen sind exemplarisch. Sie fädelt sich in die politische und kulturelle Landschaft ein wie eine Art weiblicher Forrest Gump. Keine Station fehlt: Nach der Rebellion kam die neuerliche Anpassung, die Fitnesswelle, die Magersucht und der operativ gestützte Schönheitswahn; sie ließ sich sogar Brustimplantate verpassen. Der Mut zu Zickzackwegen und peinlichen Ausrutschern, zu authentischen, herzzerreißend ehrlichen Bemühungen um soziale Gerechtigkeit und private Glückssuche macht „My Life So Far“ zu einer modernen Reisebeschreibung über fünf Dekaden amerikanischer Frauengeschichte. Besonders ihr Eingeständnis, eine fragmentierte Persönlichkeit zu sein, ihre Schein-Identität als „zerbrochene Puppe“ und ihre innere Zerrissenheit, ist auch ein Spiegelbild ihres Landes jenseits von Hurra-Patriotismus. Den guten alten Pioniergeist allerdings gibt es zuhauf in ihrem Werk: Lass dich nie unterkriegen, fang immer wieder von vorne an, sei stolz, sei frei, höre nie auf zu kämpfen, liebe deine Fehler, das ist die Message. Offiziell ist Fonda heute Feministin, Ex-Alkoholikerin, bekennende Christin und überzeugter Single. Die Implantate hat sie längst wieder rausnehmen lassen. Und natürlich hat sie noch eine weitere Message, die alle Frauen weltweit sehr gerne hören und sehen: Mit 67 Jahren kann man Schönheit und Reife haben, die jenseits vom angestrengten Hollywoodlächeln liegen, und nicht nur riesige Leserscharen finden, sondern die haltbarste aller Lieben – die zum Selbst.

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